Kurz vor einem Auftritt bei den Grammys und einer weiteren Preisverleihung verlangen Aerosmith von ihrem Quasi-Gründungsmitglied ein bestandenes „Vorspiel“, um wieder in die Band einsteigen zu dürfen. Dieser wehrt sich.
von Michael Döringer
Etwas ist faul im Staate Aerosmith, und worum es genau geht, ist noch nicht so klar. Geld, verletzter Stolz oder persönliche Differenzen? Das wird sich alles zeigen. Jedenfalls hat Drummer Joey Kramer seine Bandkollegen verklagt – klingt dramatisch, ist aber in den USA ja oft auch ein normales Mittel zur Streitschlichtung.
Was ist passiert? Im Frühling 2019 musste Kramer wegen kleinerer Verletzungen kurzfristig aus der Band aussteigen, John Douglas ersetzte ihn bei der gerade angelaufenen Deuces-Are-Wild-Residency in Las Vegas. Als Kramer im Herbst wieder fit war, so heißt es in der Klageschrift, wurde er mit Dingen konfrontiert, die so nicht im Bandvertrag stehen: Er sollte neu für seinen Posten vorspielen, und zwar nicht persönlich vor den anderen, sondern er musste sich selbst live zu einem Click-Track aufnehmen. Und so beweisen, dass er auf einem angemessenen Level spielen könne.
Ein skandalöses Novum
Die ganz Sache machte ihn zusätzlich fertig, behauptet Kramer nun – sein Zustand verschlechterte sich wieder. Als er sich im Januar diesen Jahres fit fühlte und vorspielte, hieß es plötzlich von der Band, er würde „nicht genug Energie“ mitbringen und könne so nicht wieder einsteigen. Ein skandalöses Novum in der 50-jährigen Bandgeschichte, findet Kramer – noch nie hätte jemand „beweisen“ müssen, dass er gut genug sei, in der Band zu spielen.
https://www.udiscover-music.de/popkultur/simpsons-bands-gastauftritte-aus-30-jahrenDeshalb geht er jetzt juristische Schritte und behauptet, er würde auf unfaire Weise aus der Band und damit von der am 26. Januar anstehenden Grammy-Performance (zusammen mit Run-DMC) ausgeschlossen werden, sowie der andauernden Las-Vegas-Residency. Außerdem soll der Band am 24. Januar der MusiCare „Person Of The Year“-Award verliehen werden, ebenfalls mit einem Gig verbunden. Kramer will darauf nicht verzichten und sagt in einem Statement:
„Hier geht es nicht um Geld. Mir wird die einmalige Gelegenheit vorenthalten, zusammen mit meinen Kollegen für unseren lebenslangen Beitrag zur Musikindustrie geehrt zu werden. Weder der MusiCare-Award noch die Lifetime-Achievement-Auszeichnung der Grammys kann je wiederholt werden.“
Der Rest der Band hat sich mittlerweile über einen Sprecher zu den Vorwürfen geäußert:
„Joey Kramer ist unser Bruder, seine Gesundheit ist für uns das Wichtigste. Er war emotional und körperlich nicht in der Lage, während der letzten sechs Monate mit der Band aufzutreten, das gibt er selbst zu. Wir haben ihn vermisst und ihn mehrmals ermutigt, wieder mit uns zu spielen, doch scheinbar sah er sich dazu nicht bereit. Joey hat nun bis zum letzten Moment gewartet, unsere Einladung anzunehmen, und wir haben nun leider nicht mehr genug Zeit zu proben für die anstehenden Grammys. Wir würden ihm, uns und den Fans keinen Gefallen tun, ohne vernünftige Vorbereitung zusammen aufzutreten. Sein gerichtliches Vorgehen macht alles noch komplizierter – es lässt völlig außer acht, wie wenig Zeit wir zur Vorbereitung dieser wichtigen Auftritte haben. Aufgrund seiner eigenen Entscheidungen wird er nicht spielen können, aber natürlich haben wir ihn eingeladen, zusammen mit uns die Grammy- und MusiCare-Preise entgegenzunehmen. Uns verbindet viel mehr als nur die gemeinsame Zeit auf der Bühne.“
Das Aus für Kramer?
Diese Aussage stellt die ganze Affäre noch mal in ein anderes Licht. Laut anderen Quellen habe man Kramer nämlich nur zu einem Vorspiel gebeten, weil er nie zu den gemeinsamen Proben erschienen sei. Wer ist hier im Recht, wer versucht wen auszuspielen? Eine Rockband ist schließlich keine Firma im eigentlichen Sinn, hier geht es um mehr als die effizienteste Performance.
Ob es möglicherweise einen „besseren“ Drummer als Joey Kramer gibt, sollte also keine Frage sein, die sich der Rest der Band stellen sollte. Außer man hinterfragt auch knallhart die eigene Leistung. Andererseits tauchen Unstimmigkeiten in Kramers Argumentation auf. Wie steht es wirklich um seinen gesundheitlichen Zustand? Könnte es das aus für die klassische Aerosmith-Besetzung sein, ausgerechnet im Jahr des 50-jährigen Bandjubiläums? Vielleicht werden diese Fragen schon bei den Grammys geklärt.