In Großbritannien mahlen die Mühlen seit dem Brexit-Votum generell eher langsam. Das erweist sich in Zeiten von Corona natürlich als großes Problem, weswegen sich Brian May nun berufen fühlt, die Briten um Vorsicht zu bitten: „Wartet nicht auf Mr. Johnson. Bleibt zu Hause!“
von Victoria Schaffrath
„Schützt euch selbst, eure Familien und auch uns alle.“
Ein sichtlich betroffener Brian May sitzt da vor der Kamera und spricht denen Mut zu, die in Italien und anderswo mit den Konsequenzen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben. Über seinen Instagram-Kanal teilt der Queen-Gitarrist immer wieder Persönliches mit seinen Fans; unter anderem ließ er sie im Januar an seinen Problemen mit Depressionen teil haben. In den letzten Tagen nutzt May die Plattform vor allem dazu, über Selbst-Isolation und „Social Distancing“ zu sprechen.
Der promovierte Wissenschaftler stimmt seinen Akademiker-Kolleg*innen zu und plädiert für klare Regeln und deren strikte Einhaltung, um die Bevölkerung vor noch mehr Covid-19-Fällen zu schützen. Im Gegensatz dazu hielt die britische Regierung bis zuletzt an einer, sagen wir mal, optimistischen Politik in Bezug auf Corona fest. Erst vor wenigen Tagen beschlossen Premierminister Boris Johnson und Co. die Schließung von Theatern, Restaurants und anderen öffentlichen Einrichtungen; von Ausgangssperre oder Kontaktverbot keine Rede. Damit hinkt UK den Beschlüssen seiner internationalen Partner signifikant hinterher.
„Bleibt zu Hause – und lasst alle anderen draussen.“
Genau das kritisiert May nun im Beschreibungstext seines Videos: „Eine Sache noch: Endlich, endlich gibt es auch in Großbritannien einige ernstzunehmende Maßnahmen. Aber wartet NICHT auf Mr. Johnson, bis er euch sagt, dass ihr eure körperlichen und menschlichen Interaktionen so weit wie irgendwie möglich auf NULL herunterfahren sollt. Tut es JETZT. BLEIBT ZU HAUSE – und LASST ALLE ANDEREN DRAUSSEN. Schützt euch selbst, eure Familien und auch uns alle.“ Das stößt auf Zustimmung: Bisher weist der Post etwa 45.000 Likes auf.
May scheint dadurch besonders das Konzept der Herdenimmunität zu kritisieren, das die Regierung Johnson noch bis vor kurzem verfolgt hatte. Dabei sollen sich möglichst viele Menschen innerhalb kürzester Zeit infizieren und so immun werden, was die Ausbreitung des Virus dann zum Stillstand brächte. Diese Strategie bleibt in Fachkreisen jedoch umstritten; das Gesundheitssystem des Vereinigten Königreichs kämpft zudem seit Jahren mit Kürzungen und Überlastung.
Herdenimmunität vs. Shutdown
So setzt die Rock-Ikone nun auf eine „bescheidene und nüchterne Betrachtung der eigenen Prioritäten“ und appelliert an die Vernunft seiner Fans. Ob diese Mays Einschätzung der Lage nun teilen oder nicht: Sein Mitgefühl Richtung Italien und anderer betroffener Länder zeigt in diesen ungewöhnlichen Zeiten eine Art Menschlichkeit, die uns allen guttun dürfte. Und gegen Online-Konzerte des Gitarren-Meisters haben wir sowieso nichts einzuwenden.