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Foto: Christopher Polk/Getty Images for NARAS

Rassistische Musikkategorie: Republic Records verzichtet auf den Begriff „Urban“

Als erstes großes Label schafft die Universal-Tochter den fragwürdigen Sammelbegriff für Genres wie Hip-Hop und R&B ab. Wurde aber auch Zeit. Tyler, The Creator stellte vor kurzem ganz richtig fest, dass „Urban“ nichts weiter sei als eine vermeintlich politisch korrekte Form des N-Wortes. Die Segregation afroamerikanischer Künstler*innen hat in den USA eine lange problematische Tradition.

von Michael Döringer

Statement mit Vorbildcharakter

Republic Records schreitet voran und trifft eine längst überfällige Entscheidung. Die Plattenfirma von Acts wie The Weeknd, James Blake, Taylor Swift oder Ariana Grande teilte via Social Media mit, dass man ab sofort die Kategorie „Urban“ aus Sprachgebrauch und Firmenpolitik streichen wird. Man schließt sich damit der Musikagentur Milk & Honey an, die diese Entscheidung ebenfalls vor kurzem mitteilte. Republic Records kann in seiner Position als Major-Label mit diesem Schritt als Vorbild für die ganze Branche dienen und zu einem Umdenken anregen. So heißt es in dem Statement: „Wir möchten auch den Rest der Musikindustrie dazu ermutigen, diesen Schritt zu gehen, denn er ist entscheidend für die Gestaltung unsere Zukunft. Wir müssen uns von den veralteten Strukturen der Vergangenheit lösen.“

 
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Solidarität und Protest

Inspiriert wurde dieser Schritt natürlich durch die anhaltenden Anti-Rassismus-Demonstrationen und Unruhen, die auf die Tötung von George Floyd in Minneapolis folgten. Die Ankündigung folgte drei Tage nach der Initiative Blackout Tuesday, bei der viele Akteure aus der Musikindustrie zu Antirassismus und Achtsamkeit aufgerufen hatten – aber vor allem auch zu Taten, die auf diese Worte und Solidaritätsbekundungen folgen müssten. Das scheint nun erste Früchte zu tragen.

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Wie Billboard erklärt, festigte sich der Ausdruck „Urban“ ab Mitte der 1970er-Jahre, als der Schwarze New Yorker Radio-DJ Frankie Crocker die Sparte „urban contemporary“ propagierte. Damals war der Begriff natürlich nicht belastet, im Gegenteil: Crocker wollte damit auf die spannende neue Musik großteils Schwarzer Künstler*innen aufmerksam machen, die vor allem in Großstädten entstand. Und der Begriff ließ endlich den leidigen Hinweis auf Hautfarbe weg, zumindest auf den ersten Blick. Denn über die Jahrzehnte hat „Urban“ seine Unschuld verloren. Nicht nur, dass Schwarze Künstler*innen und Kultur nach wie vor von der Industrie ausgebeutet und auf ihre Kosten Profite gemacht wurden. In der Sparte „Urban“ werden sie nach wie vor marginalisiert und mit einem Ghetto-Image versehen, bei dem immer auch eine kriminelle Zuschreibung mitschwingt, in Abgrenzung zur sozusagen sauberen, ordentlichen nicht-Schwarzen Popmusik. Und das obwohl Hip-Hop und R&B seit vielen Jahren die populärsten Genres weltweit sind.

Warum nicht einfach Pop?

Tyler, The Creator hatte auf diese eigentlich unverhohlen rassistische Segregation schon bei den diesjährigen Grammys aufmerksam gemacht, als er mit seinem Album IGOR den Award für „Best Rap Album“ gewann. Er bedankte sich mit sehr gemischten Gefühlen. Denn den wilden Genre-Mix seiner Platte, auf der er eigentlich fast nur singt, kann man kaum als Rap bezeichnen. „Ich kann diesen Begriff ‚Urban‘ nicht ausstehen“, sagte Tyler zu der Tatsache, das Schwarzen Künstler*innen immer vorgefertigte Muster aufgedrückt werden. „Das ist für mich bloß eine politisch-korrekte Art, das N-Wort zu sagen. Immer wenn ich das höre, frage ich mich: Warum können wir nicht einfach nur Pop sein?“

Problem mit Tradition

Wie steht es um „Black Music“? Auch da scheiden sich die Geister, denn es wird ja wieder auf Hautfarbe verwiesen. Die Einteilung beziehungsweise Aussortierung afroamerikanischer Musik hat in den USA eine lange problematische Tradition, seit in den 1920er-Jahren die sogenannten „Race Records“ eingeführt wurden: So wurden generell alle Aufnahmen afroamerikanischer Künstler*innen klassifiziert. Deutlicher konnte sich die Weiße Vorherrschaft nicht ausdrücken, und in Begriffen wie „Black Music“ und „Urban“ lebt diese Ungleichheit der Urheber*innen weiter. „Black“ ist allerdings auch seit langem ein Kampfbegriff, eine ermächtigende Selbstzuschreibung Schwarzer Menschen. Es geht dabei nicht nur um die Hautfarbe, sondern betont, was gesellschaftlich alles damit zusammenhängt, wie die andauernde Rassismuserfahrung. „Black Music“ denkt diesen Kontext mit, betont die kulturelle und historische Bedeutung all der Genres, die in Schwarzen Communities entstanden sind. Es betont und würdigt im Idealfall eine stolze Kulturtradition und  respektiert eine lange Geschichte der Diskriminierung und Ausbeutung. Heißt unterm Strich: Es ist immer noch kompliziert, zu verallgemeinern. Als schneller, einfacher Überbegriff für alles zwischen Hip-Hop, R&B oder Soul, als Synonym für die Hautfarbe der Künstler*in, ist es nicht nur faul, sondern wie im Fall von „Urban“ ganz einfach rassistisch. Gerade als Musikliebhaber*in sollte man sich die Mühe machen, und spezifischer über jede Musik denken und sprechen.