Das Verhältnis der Musikwelt zum Streaming-Giganten Spotify bezeichnen wir mal vorsichtig als kompliziert. CEO Daniel Ek tut derzeit wenig, um die seit Beginn der Corona-Pandemie höher schlagenden Wogen zu glätten: Seine Aussagen zum modernen Musikkonsum stoßen daher gerade im Rock-Bereich auf ziemlichen Unmut.
von Victoria Schaffrath
Die stete Verfügbarkeit unserer Lieblingsmusik hat ihren Preis: Dass pro Stream auf einer Plattform wie Spotify bei den Künstler*innen unserer Wahl eher wenig hängenbleibt, ist ein offenes Geheimnis der Musikbranche. Ende 2019 veröffentlichte die Indie-Musikerin Zoë Keating, dass sie für saftige 206.011 Streaming-Einheiten gerade einmal 753,00 US-Dollar kassierte – das macht 0,37 Cents pro abgespieltem Song, und auch andere Schätzungen ergeben einen Betrag um 0,44 Cents.
Daniel Ek: „Macht mehr Musik“
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind Musikschaffende jedoch noch stärker auf die Online-Dienste angewiesen; eine Wiederkehr der Live-Musik, wie wir sie kennen, ist derzeit schwer absehbar. Daniel Eks Lösung: Man solle doch einfach in höheren Intervallen veröffentlichen. Wirklich gut kommt die Meinung des Tech-Milliardärs nicht an.
Spotify CEO Daniel Ek says working musicians can no longer release music only “once every three to four years.”https://t.co/svS0HPD5CA pic.twitter.com/xXe8uth0Ah
— The FADER (@thefader) July 30, 2020
„Künstler*innen, die früher Erfolg hatten, haben nicht zwingend welchen in der Zukunft“, verkündete er kürzlich in einem Interview, nachdem er die sehr soliden Spotify-Zahlen des zweiten Quartals von 2020 verkünden durfte. „Man kann nicht mehr alle drei bis vier Jahre etwas aufnehmen und davon ausgehen, dass das reicht.“ Die öffentlichen Beschwerden über die Einkommens-Missstände tat er zudem als „irreführend“ ab: „Privat sind viele glücklich mit ihren Einnahmen über das Streaming, aber öffentlich gibt es natürlich keinen Anreiz, das zu sagen.“
Einkommens-Missstände im Streaming
Dass solche Äußerungen nicht nur bei unabhängigen Artists, sondern auch bei veritablen Branchen-Giganten für Verärgerung sorgen, versteht sich von selbst. Besonders im Rock erheben sich einige Stimmen gegen die Ansichten des Schweden, und auf Twitter kann man derzeit live und in Farbe beobachten, was sie zu sagen haben. Ex-Skid-Row-Sänger Sebastian Bach bemerkt trocken: „Wenn der Typ ein Album rausbringt, höre ich mir gern an, was er zu meinen Alben zu sagen hat.“
When this guy puts out an album himself I will listen to him tell me about my albums https://t.co/wveGKXTIEk
— Sebastian Bach (@sebastianbach) July 31, 2020
Sehr viel kompromissloser klingt da schon Mike Mills, Gründungsmitglied von R.E.M.: „Musik ist also ein Produkt, das am Fließband produziert werden sollte, sagt der Milliardär Daniel Ek. Du kannst uns mal.“ Ähnlich hart fällt das Urteil von David Crosby (Crosby, Stills, Nash & Young) aus, der den Geschäftsführer einen „widerlichen, geizigen Mistkerl“ nennt.
David Crosby, Dee Snider und mehr beziehen Stellung
Ganz sachlich beginnt Dee Snider von Twisted Sister seine Aussage – doch auch er kann seine Wut offenbar nur schwer beherrschen: „Während ihr Zuhörer von Spotify profitiert, verringert es doch eine große Einnahmequelle für Künstler*innen. Eks Lösung ist, dass wir auf eigene Kosten noch mehr produzieren sollen? Der kann uns!“
While you (the listener) benefit & enjoy spotify, it's part of what's killing a major income stream for artist/creators. The amount of artists "rich enough" to withstand this loss are about .0001%. Daniel Ek's solution is for us to write & record more on our dime?! Fuck him! https://t.co/IpPy7QCQWB
— Dee Snider (@deesnider) August 1, 2020
Die Britin Nadine Shah fordert einen Umbruch: „Ich bin es Leid, denjenigen in den Hintern zu kriechen, die mich und meine Kolleg*innen ausnutzen. Die gesamte Musikindustrie und die Fans sollten zusammenkommen und für Veränderung sorgen.“ Zola Jesus macht gar auf die kulturellen Konsequenzen der Forderungen aufmerksam: „Es ist ziemlich klar, dass Ek nie selbst Musik oder Kunst irgendeiner Art erzeugt hat. Er weigert sich, den Unterschied zwischen Wirtschaftsgütern und Kunst zu verstehen. Dadurch leidet schlussendlich das potenzielle kulturelle Wachstum.“
it is extremely clear that @Spotify billionaire daniel ek has never made music, or art of any kind for that matter. he refuses to understand there's a difference between commodities and art. the potential for cultural growth will suffer because of it.
— ZOLA JESUS OF TSUSHIMA (@ZOLAJESUS) July 30, 2020
Bleibt abzuwarten, ob die Diskussion in eine weitere Runde geht; die geplante Netflix-Serie Spotify Untold dürfte die Entstehungsgeschichte des Dienstes und dessen Kontroversen aber noch einmal im Detail durchleuchten. Wir haben bis dahin noch eine Auswahl an Aussagen zusammengestellt:
Music=product, and must be churned out regularly, says billionaire Daniel Ek.
Go fuck yourself. https://t.co/zJjl3NWjLl — Mike Mills 🌿 (@m_millsey) July 31, 2020
You are an obnoxious greedy little shit Daniel Ek https://t.co/8tZx55LeDe
— David Crosby (@thedavidcrosby) July 31, 2020
Millionaire Daniel Ek telling us how it is here. What are we to do? Im tired of having to kiss the arses of these companies that exploit me and other music makers. We need the whole music community (including fans) to come together and demand change. https://t.co/88NaecyOtH
— Nadine Shah (@nadineshah) August 1, 2020
I’m not a social media influencer. The ‘work’ I put in is the days I spend writing and recording, the weeks rehearsing and the months touring. That is literally my job, and I am really good at it. Artists shouldn’t have to be extroverts to be successful. Most of them AREN’T. pic.twitter.com/iSwdK87gF2
— Jack Garratt (@JackGarratt) August 1, 2020
“It’s your fault I don’t pay you fairly.” https://t.co/TsV2EWAllb
— Aidan Moffat (@AidanJohnMoffat) July 31, 2020
Just little correction for the ceo of @Spotify
The schedule to release music over the course of years was a standard set up by the recording industry so as to keep artist under contract longer also due to media/press cycles + time to manufacture & distribute physical units. 🤷🏾♂️ — HOUSE EP NOW PLAYING (@LupeFiasco) July 31, 2020
I wonder if Daniel Ek realises that bands like mine only release records every 3 or 4 years because we have to fit it around our day jobs - jobs we need to pay the bills precisely because streaming services underpay artists.https://t.co/2iuphllJyr
— Ben Sizer (@kylotan) August 2, 2020