Rock-Fans gelten ja eher als konservativ, wenn es um neue Musik geht. Das gleiche gilt aber offensichtlich Aficionados für alle Genres — zumindest, wenn es nach einem Essay des Jazzkritikers Ted Gioia geht. Der Name des Essays: „Is old music killing new music"? Darin berichtet er, basierend auf Daten von MRC Data, dass der Musikkonsum US-amerikanischer Hörer*innen zu einem Großteil aus alter Musik besteht.
von Markus Brandstetter
So soll 69,8 Prozent des aktuellen Musikmarktes auf „alter“ Musik basieren. Dazu zählt Musik, die vor mehr als 18 Monaten veröffentlicht wurde, die teils aber viele Jahrzehnte zurückgeht. Zum Vergleich: 2020 betrug der Anteil nur 66,1 Prozent. „Man bedenke einfach mal diese Fakten“, schreibt der Autor „die 200 beliebtesten Titel machen heute weniger als 5 % der gesamten Streams aus. Noch vor drei Jahren war der Anteil doppelt so hoch.“ Hier zieht er die iTunes-Verkaufscharts als Indikator heran. Die Charts der meistgekauften Titel seien „voll mit den Namen von Bands aus dem letzten Jahrhundert, wie Creedence Clearwater und The Police“.
Die Gründe für die Veränderung
Die Gründe beschreibt er folgendermaßen: „Die Gründe dafür sind vielschichtig - mehr als nur die Anziehungskraft alter Melodien -, aber das Endergebnis ist unverkennbar: Noch nie in der Geschichte haben neue Titel den Status eines Hits erlangt und gleichzeitig so wenig kulturelle Wirkung entfaltet. Tatsächlich scheint das Publikum massenhaft die Hits der vergangenen Jahrzehnte zu umarmen. Erfolg war im Musikgeschäft schon immer von kurzer Dauer, aber jetzt schlägt er kaum noch Wellen in der Aufmerksamkeitsspanne des Massenmarktes“.
Der Autor zeigt sich durchaus pessimistisch bezüglich einer Änderung dieses Trends: „Eine maximale Katastrophe hat das Ökosystem der Musik getroffen. Eine Reihe von unglücklichen Ereignissen führen dazu, dass neue Musik an den Rand gedrängt wird. Die Pandemie ist eine dieser hässlichen Tatsachen, aber kaum der einzige Faktor, der zu der wachsenden Krise beiträgt“. Als einen der Indikatoren führt er hier an, dass die größten Investitionen der Industrie derzeit die Songkataloge von etablierten Künstlern wue Bob Dylan, Paul Simon, Bruce Springsteen & Co. seien.
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