Insider und Betroffene sprechen von einem „Desaster für die Vinyl-Industrie“ und dass durch das Unglück vielen Presswerken akut die Schließung droht.
von Michael Döringer
Katastrophale Folgen für das Vinyl-Business
Ein „essenzieller Teil der Wertschöpfungskette“ des Schallplattenbusiness ist in Flammen aufgegangen, schreiben die Kollegen und Vinyl-Spezialisten von Das Filter. Apollo Masters ist einer von nur zwei Herstellern weltweit für „Lacquers“, also die Lack-Scheiben, die bei der Plattenproduktion benötigt werden. Das Apollo-Werk in Banning, Kalifornien ist am Donnerstag den 6. Februar in Flammen aufgegangen. Zum Glück wurden keine Mitarbeiter verletzt. Der Brand habe sowohl Produktionsstätten als auch Lagerhallen erfasst, die Folgen seien katastrophal, wie diverse Medien berichten. Ein offizielles Statement der Firma liest sich ebenfalls niederschmetternd.
https://twitter.com/duplicationca/status/1225593012786532355Vinyl-Produktion schon seit Jahren bedroht
Die Vinyl-Produktion steht seit Jahren auf wackeligen Beinen. Anfällige Infrastruktur, veraltete Maschinen und Anlagen, zu wenige Presswerke, sowie kaum Innovation und Neuentwicklungen, die dem immer noch andauernden Schallplatten-Boom gerecht werden. Einen exzellenten Hintergrundartikel zum Vinyl-Hype und seinen Folgen sowie dem Herstellungsprozess von Schallplatten gibt es hier. Der Artikel macht auch mehrmals klar, wie wichtig die Firma Apollo im Gesamtprozess ist. Neben den Lacquer-Folien ist sie der wichtigste Hersteller für die Nadeln bzw. Stichel, mit denen die Tonspuren in die Master-Disc geritzt werden. Ohne diese Firma geht quasi gar nichts. Thaddeus Herrmann von Das Filter erklärt noch mal kompakt, wie die Sache funktioniert:
„Um Schallplatten herzustellen, braucht man Master Discs. Auf die wird die Musik ‚geschnitten‘ und dann im Presswerk weiterverarbeitet. Diese Master Discs werden in zwei unterschiedlichen Verfahren hergestellt: als ‚Lacquer‘ oder als DMM-Folie, im Direct-Metal-Mastering. Der Lacquer ist das den Markt beherrschende Format – und scheint nach dem Brand so gut wie tot. Konkret handelt es sich um eine dünne mit Lack beschichtete Aluminium-Scheibe. In diesen Lack wird im Schneidestudio mit einem Stichel die Rille aufgebracht. Im Presswerk entstehen aus dieser Master Disc dann nach einem aufwendigen Galvanik-Prozess die so genannten ‚Stamper‘, Matrizen, mit denen die Schallplatten gepresst werden.“
Düstere Aussichten
Die Aussichten sind momentan also maximal düster. Pitchfork holte Kommentare von Ben Blackwell ein, dem Mitgründer von Jack Whites Third Man Records. Auch er ist sich sicher, dass der Vorfall ein riesiges Problem für die weltweite Vinyl-Industrie wird. Der zweite verfügbare Hersteller für Lacquers wäre MDC aus Japan, doch dort war man schon lange vor dem Brand von einer zu großen Nachfrage überfordert. Wer die benötigte Ware nun produzieren und liefern soll, steht in den Sternen, genau so wie die Zukunft von Apollo Masters.