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Am Ende einer langen Reise: 20 Jahre Johnny Cashs Unchained

Es ist Johnny Cashs Album Unchained zu verdanken, dass manche Musikfans bei Titeln wie Rowboat, Rusty Cage oder Southern Accents sofort an mit schwermütiger und sonorer Stimme vorgetragene Countrysongs made in Cash-Land denken und nicht an die Originale von Beck, Soundgarden oder Tom Petty. Johnny Cash hat mit seinen geschickten Coverversionen Musikgeschichte geschrieben und man möchte beinahe sagen, überschrieben. Beck ist ein überaus begabter Musiker, aber wer möchte schon seine verzerrte Nicht-von-dieser-Welt-Stimme hören, wenn man stattdessen dem schwermütigen Bariton von Cash lauschen kann? Eine Stimme, die amerikanische, zugegeben weiße Geschichte vertonte wie keine andere, und das über den Zeitraum eines halben Jahrhunderts. Und wer will schon die langhaarige Alternative Metal Originalversion von Rusty Cage aus Soundgardens Feder hören, wenn man den dick aufgetragenen, treibenden Blues Rock von Tom Petty and the Heartbreakers haben kann, die Cash bei seiner Hymne an die Freiheit unterstützen? Soundgarden sollen sich übrigens sehr geehrt gefühlt haben durch Cashs Cover.


Die Verwegenheit Cashs, sich solcher Songs anzunehmen, wurde gleich mehrfach belohnt. Zunächst konnte Cash tonnenweise Fans gewinnen, die sich nicht für Country interessierten, weil sie diese Musik für Redneck-Gedudel hielten. Anfang der 1990er Jahre also, Cash war schon ein älterer Herr, hörten plötzlich eingefleischte Slayer- und Beastie Boys-Fans Johnny Cash. Manche von ihnen sollten dann selbst berühmte Musiker werden. Dass Cash neue Fans gewann, hing neben seiner Interpretationskunst auch mit dem Produzenten seiner insgesamt fünf American Recordings-Alben zusammen: Rick Rubin.



Der Mann besaß ein Label namens Def American, auf diesem er Rap und Rock veröffentlichte. Aus Def American wurde schließlich American Recordings und auf diesem Label veröffentlichte Cash – in dieser Zeit ohne Majorlabel – seine sogenannte American Recordings Serie. Zwischen 1994 und 2002 erschienen American Recordings (1994), Unchained (1996), American III: Solitary Man (2000) sowie American V: A Hundred Highways (2002). Alle Alben bestehen aus Coverversionen anderweitig bekannter Songs oder neu aufgelegten Cash-Songs aus seiner frühen Karrierezeit.

Die Alben können als musikalisches Resümee Cashs gelten, als Diashow am Ende einer langen, langen Reise. Cash blickte zurück auf fünf Jahrzehnte aktive Musikkarriere, auf verschiedene Ären seines Lebens und er blieb gleichzeitig wachsam für das, was andere Künstler um ihn herum taten. Ein fünftes Album dieser Serie erschien schließlich drei Jahre nach Cashs Tod im Jahr 2006. Alle erhielten sehr positive Kritiken, doch nur mit Unchained gewann Cash einen Grammy.


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Nach einem Akustik-Album nun also Cash mit Tom Petty & The Heartbreakers. In manchen Kreisen wäre diese Band ein Headliner gewesen, auf dem Album mit Cash wiederum leisten sie solide Arbeit als Backing-Band, reißen aber auch nichts heraus. Cash arbeitete ganz offensichtlich gerne mit jungen Musikern, doch für die Magie des Albums sorgt der ehrenwerte Herr mit seiner Martin-Akustikgitarre schon selbst.

Wir steigen ein mit Country-Blues-Melangen wie Rowboat, The Sea of Heartbreak, Rusty Cage und Country Boy, bevor es dann unverhofft gospelig wird.


Johnny-Cash---Pressebild-06


Aber Cash machte nie einen Hehl aus seiner Gläubigkeit und so sind Spiritual, The Kneeling Drunkard’s Plea und Meet me in Heaven nur konsequente Songs eines Mannes, der sich am Ende seines Weges befindet und über das Jenseits sinniert. Letzteres ist ein neuer Cash-Song, in dem er sich mit der Liebe über den Tod hinaus befasst:

“We walked troubles brooding wind swept hills And we loved and we laughed the pain away At the end of the journey, when our last song is sung Will you meet me in Heaven someday

Can't be sure of how's it's going to be When we walk into the light across the bar But I'll know you and you'll know me Out there beyond the stars”

Schön getragen mutet auch Cashs Cover von Tom Pettys Southern Accent an, während dem Petty ihn an der Gitarre unterstützte. Eine Ode an die Südstaaten und die Eigenwilligkeit ihrer Bewohner.


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“There's a southern accent

Where I come from

The young 'uns call it country

The Yankees call it dumb

I got my own way of talkin'

But everything is done

With a southern accent

Where I come from”


Cash, selbst aus Arkansas, mussten diese Zeilen aus dem Herzen sprechen. Und während Cash die ganze Welt kennen lernen durfte, wie er auch im letzten Song I’ve Been Everywhere ausdrückt,  ist dieses ganze Album neben einer Würdigung zeitgenössischer Musiker vor allem eine Rückkehr zu seinen Wurzeln – den musikalischen und den biografischen. Unchained ist damit so etwas wie der Soundtrack Johnny Cashs zum Leben Johnny Cashs.


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