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Amy Winehouse: Back to black, back to Herzschmerz

Wenn Amy Winehouses letztes Studioalbum Back To Black mal wieder in einem Klamottenladen, im Schnellrestaurant oder auf einer Flughafentoilette läuft, dieses Wunderwerk also, das alle verfügbare Aufmerksamkeit verdient hat, dann möchte man schon seufzen und fassungslos vor sich hin grummeln, ob solchen Miss- und Verbrauchs.

Hört euch hier Back To Black an:

Vor ein paar Jahren war es noch schlimmer, nun ist das Album einige Jahre alt und wird nicht mehr ganz so inflationär gedudelt. Es hat noch immer unsere gespannten Ohren verdient. Entweder man legt sich auf sein Bett und schaut der Diskokugel an der Decke beim Zirkeln zu oder man trinkt billigen Italowein in irgendwelchen WG-Küchen. Varianten richtigen Musikgenusses gibt es ja mindestens so viele wie schlechte. Als konsumfördernder Soundtrack jedenfalls ist Back To Black zu wertvoll.

Schon der erste Song Rehab, den im Erscheinungsjahr des Albums junge Mädchen mit Pferdehaarspangen auf dem Fön mitsangen und dazu tanzten, als ginge es nicht um Entzugskliniken und Alkoholismus, hat es in sich. Amy, die Eigensinnige, die einen Song über ihre 15 Minuten schreibt, die sie in einer Entzugsklinik verbrachte. In einem Interview erzählte sie von dieser Erfahrung: “Ich ging hinein, für etwa 15 Minuten. Ich sagte ‘hello’ und erklärte, dass ich zu viel trinke, weil ich mich verliebt und eine Beziehung gegen die Wand gefahren hatte. Dann bin ich wieder raus marschiert.”


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Dass Winehouse immer wieder richtig abstürzte und nicht nur trank, weil sie unglücklich verliebt war, hing auch mit einem weniger auf Winehouses körperliches und seelisches Wohl bedachten Management zusammen und mit einem Stigma, das noch immer von Alkoholismus und Entzugseinrichtungen ausgeht.

Studio statt Reha

Amys Produzent Mark Ronson sagte selbst einmal: “Amy war wirklich am Boden und ihr Vater sprach mit ihr und versuchte, sie zu einem Entzug zu überreden. Hinterher kam Amy zu mir und sagte ‘He tried to make me go to rehab and I was like, Pff, no no no’. Da klingelte es bei mir. Ich hätte sie natürlich viel eher danach fragen sollen, wie es ihr ging. Stattdessen sagte ich nur zu ihr. ‘Wir müssen zurück ins Studio.’” Das Management, nicht ihren Produzenten Ronson wechselte Winehouse dann übrigens konsequenterweise.

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Auch andere Songs auf dem Album handeln von Süchten, Sucht nach Liebe ebenso wie nach Substanzen. Wenn Winehouse der Liebeskummer überrollt wie in Wake Up Alone hilft nur noch der Hausputz, um sich beschäftigt zu halten:

It’s okay in the day I’m staying busy Tied up enough so I don’t have to wonder where is he Got so sick of crying So just lately When I catch myself I do a 180 I stay up clean the house At least I’m not drinking Run around just so I don’t have to think about thinking

Im medialen Diskurs wurde auf Winehouse häufig herabgesehen. Ein durch die Welt stolperndes und torkelndes viel zu dünnes Mädchen, das sich am Arm irgendeines Mannes – sei es der Vater oder On-and-off-and-on-again-Liebe Blake Fielder-Civil – festhalten muss, so wurde Winehouse gerne porträtiert.

Ein trauriger Kreislauf

Männer bringen seit Jahrhunderten Alkoholismus, Genie und Heroismus elegant unter einen Hut. Dichter, Schauspieler, Denker, Erfinder: Eine überragende Anzahl von ihnen war Alkoholiker. Winehouses Weigerung, sich einweisen zu lassen, schien deshalb nur folgerichtig sein und ist eine Spielart des selbstbestimmten Lebens und Leidens. Sie wollte sich über ihre Songs, über ihre so einmalige Stimme ausdrücken, nicht als trauriges Häuflein im weißen Nachthemd enden, wie sie sich auf dem Single-Cover von Rehab inszeniert. Nicht, dass es so hätte enden müssen, doch für sie war eine Genesung offenbar keine Option.

Die traurigen Konsequenzen trug sie selbst in aller Härte. Dabei sollte man sich nichts vormachen. Auch ein*e nüchterne*r Künstler*in ist zur Kreation wundervoller Kunstwerke fähig. Für Winehouse ging das eine nicht ohne das andere: Blake Fielder-Civil nicht ohne Herzbrüche und Herzbrüche nicht ohne Alkohol und andere Drogen. Die brauchte sie dann wieder, wenn die Zeichen auf Back To Black standen, eine Referenz an ihren Immer-wieder-Freund Blake. Ein trauriger Kreislauf.

Amy Winehouse ist als übergroße Musikerin in die Geschichte eingegangen, die auch einen übergroßen Preis für ihr Genie bezahlte. Schnell aufgeheizt, schnell verbrannt. Back To Black ist ihr Vermächtnis. Ein Album, das uns schaudern lassen sollte. Liebe ist gefährlich, Liebe kann pure Zerstörungswut sein, Liebe kann ein langsamer Zersetzungsprozess, ein langsames Sich-auflösen bedeuten. Back To Black zeigt uns wenig von den schönen Seiten der Liebe und des Liebens. Möge es den einen als Warnung dienen, den anderen als traurig-süßer Soundtrack für den eigenen Herzschmerz. Möge es niemals wieder in einer Umkleidekabine gespielt werden.

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