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Der historische Verriss: „Dynasty“ (1979) von Kiss

Auch Experten liegen manchmal mächtig daneben. In dieser Reihe stellen wir vernichtende Plattenkritiken von großen Alben der Musikgeschichte vor, fatale Fehlurteile, die aus heutiger Sicht mindestens merkwürdig wirken. Oder handelt es sich doch um berechtigte Kritik, die der allgemeinen Meinung widerspricht? Zeit für eine erneute Analyse.


Dreht hier Dynasty auf:


Dieses Mal geht es um ein berühmt-berüchtigtes Album von Kiss, mit dem sich die Band ihren Ruf als Verfechter des authentischen Hard Rocks versaute, scharenweise Fans verlor und dennoch einen riesigen Erfolg landet – immerhin befindet sich mit I Was Made For Lovin’ You der bekannteste Kiss-Hit überhaupt auf Dynasty aus dem Jahr 1979. Das große Problem der Platte war, dass Kiss nun mit Disco und Pop liebäugelten, in der Rockwelt ein Sakrileg.

Alle Rockkritiker waren sich damals recht einig und erteilten dem Album, entgegen aller Verkaufszahlen und Chartplatzierungen, eine schallende Ohrfeige. So auch David Fricke vom amerikanischen Rolling Stone, der wenig Gutes zur Platte zu sagen hatte. Wir prüfen seine Argumente und fragen uns: Kann man mit zeitlichem Abstand, genau 40 Jahre später, dieses Album auch anders hören und vielleicht sogar seine Ehre retten?

Was erlauben Kiss! Wollen doch tatsächlich auf ihrem mittlerweile siebten Studioalbum (die ein Jahr zuvor erschienen vier Soloalben der einzelnen Mitglieder nicht mitgerechnet) mal was Neues ausprobieren, unerhört. Spaß beiseite: Natürlich liest sich die Rechnung auf dem Papier eher gefährlich: Altgediente Rockband will mit Hilfe eines Pop-Produzenten und ein paar Disco-Nummern im Mainstream durchstarten. Kein Wunder, dass beinharte Fans da bereits im Vorhinein abgewunken haben. Man kann diese Entwicklung aber auch positiv sehen: Eine Band, die den klassischen Hard Rock von vorne bis hinten durchgespielt hat, faktisch ihre eigene Diskographie gar nicht mehr toppen kann, versucht neue Wege zu gehen und mit Disco den Sound der Stunde zu adaptieren. Klingt doch legitim, oder? Unser ausgewählter Kritiker kommt mit der Umsetzung allerdings gar nicht zurecht:

Was David Fricke hier kurz und knapp beschreibt, mag ein verständliches Urteil für das Jahr 1979 sein, das dennoch recht engstirnig wirkt. Warum freut man sich nicht, dass die Band eben nicht mehr wie 1973 klingt, sondern mit der Zeit geht? Dass dieser Schritt von Kiss ein mutiger war, hört man heute sofort: Auf Dynasty gibt es eigentlich keine Ausfälle, nur die von Fricke ebenfalls monierte Coverversion des Stones-Songs 2.000 Man kommt ein wenig blutleer und kopflos daher. Ansonsten gelingt Kiss die perfekte Symbiose aus Disco-Rhythmen, Pop und Rock – auch wenn das damals ganz anders gesehen wurde:

Vehementer Einspruch, Mr. Fricke! Im Jahr 2019 ist ein monumentaler Hit wie I Was Made For Lovin’ You natürlich entsprechend durchgenudelt und abgenutzt, aber die Perlen sind hier zahlreich: Sure Know Something ist ein herrlich funkiger Radio-Hit, Dirty Living’ ein Disco-Rock-Brett, das es mit dem großen Song der Platte gut aufnehmen kann, und klassische Riff-Rock-Nummern wie Magic Touch gibt es auch. Sicher: Die unbekümmerte, krawallige Jugendlichkeit der 70er ist vorbei – Kiss wollten vermutlich eine erwachsenere Platte machen, und ja: „mal was anderes.“ Wir finden, dass ihnen das hervorragend gelungen ist. Dynasty ist ganz klar der verkannte Klassiker im Kiss-Katalog.

Am 31. Mai 2019 landen zwei ganz besondere, streng limitierte Vinyl-Sonderauflagen von Kiss – eine davon ist sogar nur bei uns im Store erhältlich! Hier könnt ihr Double Platinum und Best of Solo Albums vorbestellen. Ebenso die ausufernde Retrospektive Kissworld, die die Band zum nahenden Karriereende veröffentlicht hat.



Titelfoto: Robin Platzer/IMAGES/Getty Images

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