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Der historische Verriss: "Master Of Puppets" von Metallica

Auch Experten können manchmal mächtig daneben liegen. In dieser Reihe stellen wir vernichtende Plattenkritiken von großen Alben der Musikgeschichte vor, fatale Fehlurteile, die aus heutiger Sicht mindestens merkwürdig wirken. Dieses Mal geht es um das vielleicht beste Heavy-Metal-Album, das jemals aufgenommen wurde. Und wenn es das nicht ist, dann ist es definitiv in der engeren Auswahl. Die Rede ist von Metallicas Master Of Puppets, dem dritten Langspieler der Metal-Ikonen. Schon damals im Jahr 1986 waren sich auch außerhalb der Metal-Szene alle einig, dass Master Of Puppets ein Meisterwerk ist. Alle? Nicht ganz. Im Spin Magazine, einem der damals wichtigsten amerikanischen Musikmagazine, war ein Kritiker mit dem Pseudonym „Jduge I-Rankin“ eher enttäuscht. Wir haben seine Rezension unter die Lupe genommen.

Hier wird schon deutlich, woher der Wind weht: Metallica stehen jetzt bei einem großen Label unter Vertrag und schon geht die Welt unter! Der Kritiker formuliert das zwar nur sehr zurückhaltend, aber zynisch genug um klar zu machen, dass er nun eigentlich mit dem Verschwinden von Metallica in der Bedeutungslosigkeit rechnet. Man könnte jetzt sagen: Hätte er mal gewusst, was diese Band noch leisten wird. Aber das wäre falsch, denn Master Of Puppets war nichts weniger als die frühzeitige Vollendung. Das hätte der gute Mann einfach erkennen müssen. Schon auf Ride The Lightning haben Metallica viel mehr geleistet als nur radikalen Hau-Drauf-Speedmetal. In ihrer Vision von Metal war auf jeden Fall auch Platz für Balladen – wenn man das in diesem Fall überhaupt so nennen will. Und Wegwerf-Songs? Das ist so lächerlich, dass wir nicht weiter drauf eingehen müssen. Aber weiter im Text:

Über acht Minuten, Sakrileg! Recht hat er ja: Üblich war das damals für Metal-Bands nicht. Post-Prog oder Progressive Metal waren als Genres noch nicht definiert und etabliert – aber genau das machten Metallica hier schon, allerspätestens mit dem folgenden Album …And Justice For All (1988). Offenbar war es damals für viele noch undenkbar, dass die klaffende Lücke zwischen den alten Rock-Dinosaurieren und ihren ausladenden Konzeptalben und den nur ein, zwei Minuten dauernden Energieerruptionen von Punk geschlossen werden könnte. Metallica zeigten, dass man auch beides haben kann, in voller Länge und Härte. Übrigens entlarvt sich der Rezensent hier total: Nur zwei Songs knallen und der Rest ist ermüdend? Entweder hat er nur mit halbem Ohr hingehört oder interessierte sich sowieso nicht für diese Platte. Es wird ihm im Nachhinein hoffentlich ordentlich peinlich gewesen sein.

Na also, doch noch ein kleines Kompliment. Und man muss die Produktion von Master Of Puppets wirklich loben. Im Vergleich zu manch anderem Metallica-Klassiker stimmt hier alles, das Album klingt auch heute noch unglaublich ausdifferenziert und extrem sorgfältig gemischt. Dann fasst unser schief gewickelter Kritiker noch mal die zwei großen Fehler zusammen, die Master Of Puppets seiner Meinung nach hat: Sellout, weil die Band ja jetzt beim Major war und ihm der Sound offenbar zu weichgespült klingt. Nun ja. Man kann es wohl einfach nicht jedem recht machen. Man muss Mr. Judge I-Rankin auch in Schutz nehmen: Der Stellenwert von Metallica im Metal war noch nicht abzusehen. Und einfach mal eine Gegenposition zum Konsens zu beziehen, ist immer eine gute Idee. Ohne die richtigen Argumente geht das dann aber trotzdem in die Hose, wie wir gesehen haben. Auch wenn Metallica mit Master Of Puppets nicht einen ganz so revolutionären Schritt nach vorne getan haben wie mit dem Vorgänger Ride The Lightning, sondern die Herangehensweise jener Platte weiter ausgebaut haben, sind wir uns in einer Sache doch alle einig: Master Of Puppets kommt dem perfekten Metal-Album ziemlich nahe.


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