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Paul und Mike 1974. Foto: Michael Putland/Getty Images

"McGear": Das unbekannte Album der McCartney-Brüder

Peter Michael McCartney war schnell klar, dass er seinen Nachnamen zumindest für die Bühne ablegen wollte. Der um zwei Jahre jüngere Bruder von Paul arbeitete als Friseur, als The Beatles 1962 mit Love Me Do ihren ersten Hit landeten – aber hatte auch kreative Ambitionen.

von Markus Brandstetter

Peter spielte im Trio The Scaffold, mit dem er einen Mix aus Musik und Komik auf die Bühne brachte. Hätte er seinen bürgerlichen Nachnamen verwendet: Die Leute hätten ihn verdächtigt, aus der Berühmtheit seines großen, übermächtigen Bruders Kapital schlagen zu wollen. Also wurde aus Peter Michael McCartney Mike McGear – und der war in den nächsten Jahrzehnten nicht weniger aktiv als Paul.

The Scaffold veröffentlichten zahlreiche Singles und Alben, unter anderem über die Plattenfirma Parlophone. Ihr Song Lily the Pink schaffte es 1968 sogar auf Platz eins der britischen Charts – und verblieb dort vier Wochen.

Dass Mike eine ganz andere musikalische Richtung als eine Pop-Karriere verfolgen würde, erschien ihm aufgrund seines familiären Backgrounds nur logisch. Deswegen schlug er auch ein Angebot von Beatles-Manager Brian Epstein aus. „Brian Epstein hat mich gefragt, ob ich ein Pop-Sänger werden möchte und hat mir angeboten, mich zu managen“, erzählte er 2017 in einem Interview mit dem Magazin Wirral Life. „Ich habe dankend abgelehnt. Es wäre verrückt gewesen, zu versuchen, sich mit der besten Band der Welt messen zu wollen, dorthin will man nicht. […] Ich wollte Comedy/Satire machen.“


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 Aus Paul McCartney wird Paul McGear

Im Laufe der Zeit gab es mehrere Zusammenarbeiten zwischen den Brüdern. 1972 hatte Paul Mike (der nach dem Ende von The Scaffold beim Projekt Grimms spielte) bereits auf dessen ersten Solo-Album Woman unterstützt und schrieb mit ihm den Song Bored As Butterscotch – war in den Credits aber nur als „Friend“ aufgelistet. Dass die Zusammenarbeit von Paul und Mike gut klappt, hatten sie aber schon 1968 auf dem Album McGough And McGear bewiesen. Neben McCartney als Gastmusiker dabei: Jimi Hendrix, Mitch Mitchell und Pauls damalige Freundin Jane Asher.

Hier könnt ihr McGear hören:

1974 arbeiteten die beiden schließlich für Mikes zweites – und bislang letztes – Solo-Album zusammen. Nicht nur, dass Paul die Platte produzierte: Als Begleitband fungierte über die gesamte Strecke seine Band Wings. Weil Familie verpflichtet, nannten sich Paul und Linda McCartney auf diesem Album folgerichtig… Paul und Linda McGear.

Wings hatten im Jahr zuvor ihren Meilenstein Band On The Run veröffentlicht. Ein Jahr nach der Veröffentlichung von McGear (das manche manche als „verlorenes Wings-Album“ bezeichnen), legte die Band mit Venus And Mars nach. Eigentlich war nur geplant, eine Single aufzunehmen. Das Stück Leave It entstand in den Abbey Road Studios. Daraus wurde schließlich doch ein ganzer Longplayer  – für den die Musiker in die Strawberry Studios im britischen Stockton gingen.

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Großer Pop liegt in der Familie

McGear ist ein bemerkenswertes Album – musikalisch wie musikhistorisch. Klanglich ist es ein vielschichtiges, eingängiges und geschäftiges Pop-Album mit jeder Menge interessanten Harmonien und Hooks. Mike zeigte damit eine ganz andere Seite, abseits des Komödiantismus, mit der er sich einen Namen abseits der Fahrwasser seines großen Bruders gemacht hatte.

Die meisten Stücke hatten die beiden McCartney-Brüder zusammen geschrieben. Die Songs What Do We Really Know? und Leave stammen aus Pauls alleiniger Feder, einen weiteren, The Casket, schrieb McCartney mit Mikes The-Scaffold-Kollege Roger McGough. Der Opener Sea Breezes hingegen stammt aus der Feder von Brian Ferry und ist im Original auf dem selbstbetitelten Album von Roxy Music aus dem Jahr 1972 zu hören.

https://www.udiscover-music.de/popkultur/ist-das-leben-nicht-schon-ist-es-denn-paul-mccartney-schreibt-ein-musical

Zurück zum Familiennamen

In den 1980ern zog sich McGear schließlich aus dem Musikgeschäft zurück – und kündigte an, wieder zu seinem Familiennamen McCartney zurückzukehren. Er widmete sich anschließend der Fotografie, was keine Überraschung war, hatte er doch schon seit Jahrzehnten fotografiert, unter anderem auch die Beatles, von denen er einen Bildband veröffentlichte. Er fotografierte auch das Albumcover von Pauls 2005 erschienenen Longplayer Chaos And Creation In The Backyard.

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