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Ochs Archives/Getty Images

Mixer, Weingläser und Gummibänder: Pink Floyds verlorenes Album

Nach dem bahnbrechenden und unerwarteten Erfolg von The Dark Side Of The Moon sind Pink Floyd unsicher, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen. Sie schlagen einen radikalen Weg ein – und versuchen sich an einem Album ohne ein einziges Musikinstrument. Dies ist die Geschichte von Household Objects, dem verlorenen Pink-Floyd-Album.

von Björn Springorum

Der Erfolg von The Dark Side Of The Moon erschüttert Pink Floyd 1973 bis ins Mark. Aus den progressiven Psych-Rock-Käuzen werden über Nacht Rockstars, bis heute wanderte das Album mehr als 50 Millionen Mal über die Ladentheke. Kohle, Ruhm, Ansehen und Aufmerksamkeit, all das prasselt auf eine Band ein, die eigentlich gern ihre Ruhe hatte und über ihren experimentellen Kompositionen brütete.

Aus Unklarheit über ihre nächsten Schritte, sicher auch als Reaktion auf den weltweiten Erfolg ihres bei Weitem zugänglichsten Albums, schlagen Pink Floyd einen radikalen Weg ein – und exhumieren eine Idee, die sie schon seit den späten Sechzigern mit sich herumtragen: Ein Album, auf dem kein einziges Instrument zu hören ist. Die Absenz der Instrumente, so würde Roger Waters später offen zugeben, war für ihn ein Spiegel der Absenz Syd Barretts, der am 6. April 1968 aus der Band geschmissen wurde.

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Im Laufe der Jahre werkelt die Band immer wieder an diesem Projekt, das wir heute unter dem Namen Household Objects kennen. Immer mehr Haushaltsgeräte werden auf Tauglichkeit überprüft. Das ist nichts Neues für eine experimentierfreudige und neugierige Band, die einen über den Rand eines Weinglases streichenden Finger ebenso in Musik verwandelt wie das Frühstück, das sich ihr damaliger Roadie Alan Styles zubereitete (Alan‘s Psychedelic Breakfast).

Neu, gewagt, irrsinnig

Das hier ist dennoch anders. Neu. Gewagt. Und irrsinnig? Vielleicht, doch die Band steckt fest, weiß nicht, wie sie nach The Dark Side Of The Moon weitermachen sollte. Also löst sie sich von allen Konventionen und trägt in den Abbey Road Studios alles zusammen, was man so im Haushalt fand und Töne erzeugen kann. Bierflaschen, raschelnde Zeitungen, Gummibänder, Teekessel, Glühbirnen, Handmixer, Besen, Holzsägen und was man eben noch so alles in einem englischen Haus der frühen Siebziger findet. John Cage lässt grüßen.

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Tagelang werkeln Roger Waters, David Gilmour, Nick Mason und Richard Wright, bis ein Gummiband so klingt wie ein Bass und eine Sprühdose so zischt wie eine Hi-Hat. Was als ambitioniertes und durchaus abwechslungsreiches Projekt beginnt, wird bald zur reinen Nervensache. Selbst Produzent Alan Parsons, begeistert von der Idee, kann die Band nicht dazu bringen, weiterzumachen – trotz Waters Aussage, es gäbe für ihn keinen Unterschied zwischen Musik und einem Soundeffekt. „Ob du mit einer Gitarre oder einem Wasserhahn Klänge erzeugst, ist irrelevant“, sagte er.

Irgendwann muss er seine Meinung geändert haben. Sie stöpseln die Gitarren wieder ein – und schreiben einfach Wish You Were Here. Auch nicht die schlechteste Alternative. Household Objects bleibt bis heute das faszinierendste der vielen unveröffentlichten Pink-Floyd-Projekte. Und auch wenn es nie veröffentlicht wurde, so fand die selbsterklärende Nummer Wine Glasses Eingang in Shine On You Crazy Diamond. Und der „Song“ The Hard Way, der hat es sogar ins Internet geschafft.