Paul McCartney veröffentlicht am 18. Dezember 2020 sein neues Solo-Album McCartney III. Wir haben reingehört.
von Markus Brandstetter
Hier könnt ihr McCartney III hören:
Jetzt hat er es zum dritten Mal getan. Fünf Dekaden ist es her, dass McCartney im Alleingang ein Album namens McCartney einspielte. Sein Leben war damals im Umbruch, die Beatles aufgelöst. Zehn Jahre später erschien McCartney II – in seinem schottischen Landhaus (und in einem schottischen Studio) aufgenommen und bis auf Gastvocals von Linda McCartney ebenfalls im Alleingang gefertigt. Und jetzt, schon wieder eine Umbruchphase. Alle stecken fest, Covid-19 hält die Welt im Würgegriff. Konzerte gibt’s keine, alle bleiben zuhause. Auch Paul McCartney. Zum Glück hat der in seinem Haus ein Aufnahmestudio und ausreichend Instrumente. Immer wieder zieht es den 78-Jährigen dorthin – er nimmt alte Ideen auf, die er ergänzt, umschreibt, neu denkt.
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McCartney tobt sich aus
Man hört: Einer der größten Songschreiber aller Zeiten tobt sich hier aus. Hat Spaß am Experimentieren, an der Vielfalt. Den Anfang macht das Stück Long Tailed Winterbird, zum Großteil getragen von einer perkussiven, bluesigen Akustikgitarre. Viel Text gibt’s nicht, aber jede Menge Drive, später auch einen stampfenden Beat.
Und dann, beim zweiten Stück, greift der Gigant locker in die Pop-Wundertüte. Find My Way ist eine treibende Rocknummer – mit gut gelaunten, leicht surfigen Solo-Gitarren, zweistimmigen Vocals, Bläser-Sounds. Hier geht’s ums Mut machen, um Durchhalteparolen. Um die Angst, die viele von uns vor dem haben, was gerade ist und was noch kommt. Ein kleiner Schulterklopfer. „Let me help you out, let me be your guide“, singt Paul, zum Tanz einladend – und weiter: „I know my way around.“
Pop, Rock, Soul, Gospel
McCartney hat auf Lust auf verschiedene Stile: Pop, Rock, Soul, Gospel, durchaus auch auf Beatles-Querverweise. Pretty Boys ist eine sehr schöne, eingängige Akustikgitarrenballade, eine weitere solche ist mit Kiss Of Venus enthalten. Women And Wives ein mollgetragenes Klavierstück, Lavatory Lil wieder ein geradliniger Rocker. So richtig schön wird’s bei Seize The Day, irgendwie so ein klassisches McCartney-Lied, allerdings im Gewand eines Weihnachtslieds, mit schönem Refrain und geschäftigen Gitarren. Fröhlich, optimistisch und harmonisch, ein klassischer McCartney-Akkordritt. Die Botschaft des Stücks: Es ist okay, ein netter Mensch zu sein.
Den Schlusspunkt bietet einmal mehr die Akustikgitarre und das Motiv des Wintervogels. Winter Bird – When Winter Comes ist eine Akustikballade über das Landleben und die kalte Jahreszeit, über das Drinnenbleiben (müssen). „When summer’s gone we’ll fly away / And fly away / And find the sun / When winter comes“, versprichter darin. Wir nehmen ihn beim Wort.
Geschenk an die Fans
McCartney legt mit McCartney III ein kurzweiliges, optimistisches und bemerkenswertes Album vor. Man hört ihm den Spaß an, den er in der Quarantäne – er selbst nennt es „Rockdown“ – im Studio gehabt hat. McCartney III war für ihn ein kurzweiliger Zeitvertreib, ein Projekt aus Spaß an der Freude. Er ist auch mit 78 Jahren bemerkenswert gut bei Stimme, wechselt zwischen Brust- und Kopfstimme – gibt den Rocker, den Balladensänger, den One-Man-Gospelchor. Er legt seinen Fans damit ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk auf den Tisch.
Pandemie hin oder her: Wir können froh sein, in einer Zeit zu leben, in der Paul McCartney Lust hat, immer wieder Platten zu veröffentlichen. Und das in einem Jahr, in dem Bob Dylan mit Rough And Rowdy Ways auch wieder mal ein exzellentes Album veröffentlicht hat. Bleibt zu hoffen, dass das mit dem Social Distancing bald wieder Geschichte ist – und wir Paul bald wieder live auf einer Bühne erleben dürfen, vielleicht wird ja der eine oder andere Song von McCartney III dabei sein. Wie gesagt: Wenn er Lust hat – aber die scheint Paul McCartney 2020 definitiv zu haben.