Genau dieses Album haben wir Ende August gebraucht: Der entspannte Indie-Slacker-Pop von Royel Otis holt den Hochsommer zurück. Kein Wunder: Die Hymnen auf Liebe, Freundschaft und Knutschflecken wurden an den Stränden Australiens geboren.
Man kann schon neidisch sein auf die Australier. Trotz einer erstaunlichen Vielzahl an tödlichen Tieren haben sie im Grunde ein echt gutes Leben. Jede Menge Sonne, endlose Strände, lockeres Leben, BBQ im Sonnenuntergang. Genauso sorglos klingt die Musik des Duos Royel Otis. Die beiden Dudes haben sich an einem Strand in Sydney kennengelernt und schnell gemerkt, dass sie musikalisch klicken. Ihr Indie-Pop ist mal folkig und mal funkig, mal euphorisch und mal dezent bittersüß, immer aber lässig und weitgehend optimistisch. Hickey („Knutschfleck“) setzt diese Erfolgsgeschichte jetzt fort. Über den Titel sagt die Band: „Ein Knutschfleck bleibt nicht haften. Er bleibt eine Weile, und man erinnert sich daran, aber diese Erinnerung verblasst.“ Passend, dass das Album über das Ende zweier Beziehungen geschrieben wurde.
Dezent mehr Melancholie
Rückblick: Als Anfang 2024 ihr Debüt Pratts & Pain erscheint, hat das Business sie längst im Auge: Eine Coverversion von Murder On The Dancefloor ließ die Australier schon zuvor viral gehen, ihre Variante des Cranberries-Klassikers Linger tut ihr Übriges, um den Hype zu schüren. Nur eineinhalb Jahre nach dem Erfolg des Debüts legen die beiden nach. Wenn schon, denn schon. Hickey macht aber nicht den Fehler, die erfolgserprobte Formel des Vorgängers zu wiederholen. Ihren unbeschwerten, sonnengeküssten Indie-Pop erhalten sich Royel Maddell und Otis Pavlovic natürlich, anders können und wollen sie wahrscheinlich gar nicht. Die eine oder andere Nummer lässt aber etwas mehr Tiefe zu, mehr Gedankenverlorenheit und auch den einen oder anderen nachdenklichen Unterton.
Royel Otis im Circle Store:
Es kommt eben auch bei jeder Strandparty am Bondi Beach mal der Moment, in dem man melancholisch und nostalgisch auf die Wellen blickt. Und über sein Leben nachdenkt. Genau das machen Royel Otis mit dieser Platte: Sie werfen einen Blick in den Rückspiegel, schauen mal, was so mit ihnen passiert ist seit man vor vier Jahren seine ersten Songs veröffentlicht hat. Dabei kommen erstaunlich oft zerbrochene Beziehungen an die Oberfläche. Da wird schon mal mit einer Verflossenen abgerechnet, was Royel Otis im Vorfeld der Veröffentlichung durchaus Kritik einbrachte. Nicht zu Unrecht, aber dann sollte man in aller Ehrlichkeit auch Taylor Swift für das teilweise nicht mal versteckte Sezieren gescheiterter Beziehungen kritisieren.
Lieder wie für eine Netflix-Serie
Ansonsten perfektionieren die beiden ihre glühende Mischung aus grandiosen Pop-Hooks, kosmischen Harmonien und innigem Gesang. hickey ist eine klangliche Erkundung des jungen Erwachsenseins, ein spätsommerliches Album, dessen schwindelhafte Gitarrenriffs und schimmernde Synthesizer den Sonnenuntergang am Strand einfangen. Da sind Songs wie car, say something oder das programmatische good times, die in ihrem typischen Sound von Freud und Leid der Adoleszenz künden. Wirklich strahlen können die Australier aber in einem Song wie more to lose, der in Sachen Dynamik und Dringlichkeit perfekt für eine Netflix-Serie über junge Menschen geeignet wäre und mit Tempo, Dramatik und Ausstrahlung begeistert.
Royel Otis sind mit unbeschwerten Sommerhits groß geworden. Die gibt es auf hickey weiterhin, aber eben ergänzt um den einen oder anderen ernsthaften Exkurs. Das zeigt einerseits Mut und den Willen zur Evolution, andererseits hält es die Dinge ungemein spannend. Das Duo zeigt hier eindrucksvoll, dass diese Geschichte gerade erst beginnt. Und wir uns in Zukunft bestimmt noch auf die eine oder andere Überraschung freuen können.