Für Rockmusik braucht man ordentlich Eier in der Hose? Setzen, sechs: Mexikos Schwesterntrio The Warning beweist auf Keep Me Fed mit Wucht, Attitüde und Lässigkeit, wieso sie derzeit die spannendste Band im Rock’n’Roll sind.
Jeden Moment muss es passieren. Jetzt… oder doch jetzt? Oder… jetzt? So oder so: Er steht unmittelbar bevor. Der ganz große Knall. Der Durchmarsch. Der Raketenstart in die Stratosphäre des Rock. Da sind sich zur Abwechslung mal alle einig. Die Rede ist, natürlich, von The Warning, dem heißesten Eisen in Sachen Rock seit The Darkness. Mindestens. Mit einem großen, grandiosen glorreichen Unterschied: Hier haben wir es eben nicht mit dem nächsten Mitglied im exklusiven Sausage-Club der Rockmusik zu tun. Sondern mit drei Frauen. Aus Mexiko. Gab es so was schon mal in der internationalen Rockarena? Nö.
Triumphzug, Explosion, Sensation
Keep Me Fed, das vierte Album der Schwestern aus Monterrey, ist ein Triumphzug. Ein Freudenfeuer, eine Explosion, eine Sensation. Und natürlich kein Zufall. Es musste ja so kommen: Seit 2013 machen die Villarreal-Schwestern gemeinsam Musik, Bassistin Alejandra, die jüngste der drei, ist damals sieben Jahre alt. Kurz gerechnet und dann festgestellt: Okay, die sind ja immer noch verdammt jung. Und haben schon mehr auf dem Tacho als die meisten anderen Bands.
Das hört man der neuen Platte an. All die Erfahrungen und unfassbaren Situationen der letzten Jahre stecken in den Songs, die hohen Höhen und die tiefen Tiefen. Die Shows mit den Foo Fighters, mit Muse oder mit Guns N’ Roses. Ihre Slots bei den größten Festivals der Welt, ihre immer größer werdenden Headliner-Tourneen. Allein ihre Berlin-Show vor einigen Wochen musste zweimal hochverlegt werden, alle 19 Shows der Europatournee waren ausverkauft. Alle. Diese Band war lange im Kommen. Und jetzt ist sie da.
Eine moderne Ikone
Entsprechend genau wird Keep Me Fed durchleuchtet werden. Es gibt natürlich die, die diese Band straucheln, fallen, scheitern sehen wollen. Aber The Warning tun ihnen diesen Gefallen nicht. Stattdessen spielen sie so bockstark, lässig, übermächtig und feurig auf, als hinge ihr Leben davon ab. Keep Me Fed ist ein großes Rockalbum, eine moderne Ikone, ein Zeugnis ihres Willens, ihres Talents und ihres Gespürs für ein Genre, dessen Glanztaten lange vor ihrer Geburt passierten.
„Während des gesamten Prozesses hat uns die Arbeit verzehrt“, so sagt Schlagzeugerin Paulina Villarreal. „Indem es alles, was wir taten, beeinflusste, hat uns das Album sowohl kreativ als auch persönlich ernährt. Wir laden andere Menschen ein, daran teilzuhaben und es ebenfalls zu konsumieren.“ Das werden sie. Die Songs sitzen passgenau, sind knackig, monumental, in Que Mas Quieres auch mal auf Spanisch, was man in der Rockmusik gefühlt seit Héroes del Silencio nicht mehr gehört hat. Da sind die ersten drei Kracher aber schon durch: Allein mit dem eröffnende Hattrick aus Six Feet Deep, S!CK und Apologize / Hunger wird das Power-Trio alle auf ihre Seite ziehen. Härte und Gefühl, Groove und Hooks, Tempo und Verschnaufpausen. Alles sitzt da, wo es hin soll. Und klingt dennoch wie direkt aus dem Bauch heraus.
Lebenslänglich
Keep Me Fed hat alles, was ein moderner Klassiker braucht: die Songs, die Attitüde, die Coolness. Das alles entfesselt von einem unzertrennlichen Schwesterngespann, das mittlerweile sehr genau weiß, was es will. Und das auch bekommt. Viele der Songs sind mit Dan Lancaster, dem Tontechniker von Bring Me The Horizon entstanden. Und mehr muss man wahrscheinlich gar nicht wissen: The Warning liefert Ohrwürmer, die man auch durch Kaugummikauen nicht wegbekommt. Und in den nächsten Wochen und Monaten unzählige neue Fans anlocken werden. Das hier ist keine vorübergehende Sache. Das hier ist lebenslänglich. Und irgendwann kriegen sie auch dich.