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The Cure - Wild Mood Swings: Mit Schnaps gegen das Stimmungstief

Wild Mood Swings – wilde Stimmungsschwankungen – sind nur in Ausnahmefällen geeignet, für Applaus, Ruhm und Bewunderung zu sorgen. Stattdessen sind sie verantwortlich dafür, dass Patenschaften für Elefantenwaisenkinder abgeschlossen werden und um drei Uhr nachts die Ex-Freundin angerufen wird. In der Regel werden sie Frauen angehängt und konsequenterweise als unprofessionelles Verhalten diskreditiert. Für Künstler jedoch – diesen total crazy und empfindsamen Leuten – können mentale Gleichgewichtsstörungen auch ein wunderbares Stilmittel bedeuten, sofern man die Kontrolle nicht gänzlich verliert. Stimmungsschwankungen hatte Robert Smith ganz bestimmt, während das Album Wild Mood Swings geschrieben und aufgenommen wurde. Er fand sich 1995 plötzlich alleine mit Keyboarder und Gitarrist Perry Bamonte in seiner Band, nachdem Porl Thompson und Boris Williams The Cure verlassen und Bassist Simon Gallup sich aus gesundheitlichen Gründen eine Pause erbeten hatte. Robert Smith raufte sich das Vogelnest auf seinem Haupt, bis aus den Zotteln beinahe Dreadlocks wurden.


Black clouds and rain and pain in your head

And all you want to do is stay in bed

But if you do that you'll be missing the world

You have to get up get out and get gone!

heißt es im Song Gone! Die Stimmung ist schwarz wie Roberts Kajal.

Schließlich hatte sich Gallup zum Glück genug erholt, um wieder einzusteigen und er überredete auch gleich noch den ehemaligen Keyboarder Roger O’Donnell, zurück zu kommen. Jason Cooper übernahm zum ersten Mal das Schlagzeug. Die Fünf schrieben schließlich ein Album, das regelmäßig auf den vordersten Plätzen der unbeliebtesten Cure-Alben landet.

  Dabei erreichte es nach Erscheinen im Mai 1996 Platz 9 der UK Album Charts und Platz 12 der US Billboard Charts. In Schweden peakte es auf Platz 2, und verstehen die Schweden nicht wahnsinnig viel von guter Musik? Die ersten drei Songs des Albums – Wild, Club America und This Is A Lie – sind auch großartig und stehen anderen Cure-Meisterwerken in keiner Weise nach. Wild mit seinem zweieinhalbminütigen Instrumentalintro ist ein monumentales Klagelied – ein Opener als Downer –, Club America erinnert an Songs von David Bowie oder Iggy Pop und handelt vom Nachtleben im Land der Möglichkeiten:

“I'm looking to have some fun

Some kind of trigger-happy intercourse

“club america salutes you" says the girl on the door

“we accept all major lies”.


The Cure - Fotos Deluxe - CMS Source


This Is A Lie schließlich besticht durch seinen schwermütigen Walzersound, getragen von Streichern und einem Abgesang auf die monogame Zweierbeziehung. Was braucht ein Cure-Song denn mehr? Dann kommt ein Song, den auch die eingefleischtesten Fans hassen: es ist ausgerechnet die erste Single des Albums, The 13th. Hier fangen die Probleme an. Smiths sonst so verlässlich intime, jauchzende Stimme kippt und klingt schrill wie in einem Kindercomic. Dazu dieser Salsasound mit Mariachi-Trompeten, ne ne, das ist einfach ein bisschen too much. Und Mint Car war vielen Fans zu poppig, dabei waren The Cure auch eine Popband. Eine Sache bleibt auf Wild Mood Swings verlässlich:  Robert Smith sucht wie immer nach Liebe. Glaubt er, sie gefunden zu haben, wird er übermütig und kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Um dann mit einem langgezogenen Wehklagen zu kollabieren, wenn es wieder nicht die ganz große Liebe war. Kein Wunder, dass diese Achterbahnfahrt zu Stimmungsschwankungen führt. Die Lust der Band, nach vier Jahren wieder ein Album zu veröffentlichen, muss groß gewesen sein. Und Bands wie The Cure sei auch mal ein nicht so rundes Album verziehen. Dafür ist Wild Mood Swings sicher das eklektischste aller Cure-Werke, mit einem ganzen Einkaufskorb voller Ideen. Und ja, manche davon waren eben Schnapsideen. Aber es soll ja Leute geben, die Schnaps mögen.