„The Head On The Door“: Das Album, mit dem The Cure den Sprung in den Mainstream schafften
platten23.08.19
Es war bereits das sechste Studioalbum für The Cure – und womöglich das wichtigste: Mit der Veröffentlichung von The Head On The Door (1985) schaffte die Band um Sänger Robert Smith den Durchbruch. So zugänglich, so selbstbewusst hatten sie sich noch nie davor präsentiert, und so folgten denn auch postwendend die ersten Goldauszeichnungen (in den Staaten und in Großbritannien). Zuvor eher in Insiderkreisen angesagt, waren The Cure ein knappes Jahrzehnt nach der Gründung schlagartig weltbekannt – echte Mainstream-Stars.
von Martin Chilton
Nur war dieser Sprung in die oberste Liga durchaus ein Kraftakt. Robert Smith hatte viel Zeit und Energie in diesen Schritt investiert. Hatten sie sich schon zu Beginn der Achtziger mit der düsteren „Gloom-Trilogie“, bestehend aus den Alben Seventeen Seconds, Faith und Pornography, in Insiderkreisen einen Namen gemacht, lief es nach der dazugehörigen Pornography-Tournee im Sommer 1982 alles andere als rund für die Briten: Erschöpfung und bandinterne Streitereien bremsten sie immer wieder aus. Also musste Smith in sich gehen, eine Zwischenbilanz ziehen.
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„ Das war so ein befreiendes Gefühl.“
Er machte erst einmal das, womit wohl nur die wenigsten Fans gerechnet hätten: Er veröffentlichte zunächst, in den Jahren 1983-1984, unter ihrem angestammten Bandnamen eine ganze Serie von sehr viel seichteren, fast schon unverschämt zugänglichen (Pop-)Singles – The Walk, The Lovecats und The Caterpillar. Alle drei knackten immerhin die britischen Top-20.
„Das war so ein befreiendes Gefühl“, kommentierte Smith diese stilistische Kehrtwende im Jahr 2000 in einem Interview mit dem US-Rolling Stone. „Für Lovecats hatte ich vorgeschlagen, dass wir so eine Art Disney-Interpretation von Jazz machen – basierend auf dem Zeichentrickfilm Aristocats. Ab da verkaufte sich plötzlich alles, was wir machten.“
Trotzdem war in jenen Tagen höchst unklar, wie die Zukunft von The Cure denn nun aussehen sollte. Erst 1982 hatte Smith die Position von John McGeoch als Lead-Gitarrist von Siouxsie And The Banshees übernommen – eine Aufgabe, die er immerhin bis zu deren Album Hyaena (1984) übernehmen sollte. Dazu waren die letzten Singles von The Cure mit einem eher spontan zusammengestellten Line-up entstanden: Ex-Schlagzeuger Lol Tolhurst spielte nun Keyboards, Phil Thornalley, ihr Producer aus Pornography-Tagen, übernahm den Bass; am Schlagzeug saß Andy Anderson. Und dann war da ja noch das oft übersehene fünfte Album der Band, The Top, auch von 1984, nur war das genau genommen eher ein Soloalbum von Smith – schließlich hatte der Frontmann bis aufs Schlagzeug sämtliche Instrumente im Alleingang eingespielt.
„Es fühlte sich einfach grandios an, mit einer Band zu spielen, die aus so guten Leuten bestand“
Irgendwann jedoch fehlten ihm seine Bandkollegen doch – und so baute er The Cure nach dem Release von The Top abermals um. Tolhurst sollte bleiben, dazu kamen nun Schlagzeuger Boris Williams und der Multiinstrumentalist Porl Thompson. Und sehr zur Freude jener Fans, die schon etwas länger ihre Entwicklung mitverfolgten, wurde auch Bassist Simon Gallup wieder hinzugeholt; Gallup hatte der Band nach der Pornography-Tour zwischenzeitlich den Rücken gekehrt.
Hört hier The Head On The Door:
Bereits als diese neue The Cure-Konstellation erste Songideen für das nächste Album zusammentrug, spürte Smith, dass die Energie im Studio plötzlich eine ganz andere war. Er erkannte das immense Potenzial sofort: „Porl [Thompson] war schon immer ein fantastischer Gitarrist, und Boris [Williams] ist ein echter Ausnahmeschlagzeuger“, sagte er dem Rolling Stone. „Es fühlte sich einfach grandios an, mit einer Band zu spielen, die aus so guten Leuten bestand.“
Wie motiviert alle Beteiligten waren, und wie besonders die Energie während der Sessions in ihrem Londoner Studio war, stellten sie wenig später unter Beweis, als The Cure zusammen mit dem Producer David M. Allen das Album The Head On The Door unter Dach und Fach brachten. Angespornt von dieser Energie und der Chemie des neuesten Line-ups, schrieb Robert Smith etliche neue Songs, die kombiniert die facettenreichste und eindrucksvollste LP ihrer Karriere ergeben.
https://www.udiscover-music.de/platten/the-cure-veroffentlichen-mit-40-live-zwei-konzertfilme-zum-bandjubilaumWährend sie mit Stücken wie The Baby Screams, dem atmosphärischen, mit fernöstlichen Einflüssen durchzogenen Kyoto Song oder auch dem an Faith erinnernden Track Sinking an jene Art von feinsinniger Melancholie anknüpften, die man von ihren ersten Aufnahmen kannte, schlugen sie auf dem Album auch ganz andere Töne an: Da waren verspielte, poppige Songs zu hören (Close To Me, Six Different Ways), und es gab dramatisch-leinwandgroße Rockergüsse (Push, A Night Like This), die wie gemacht waren für eine Band, die ab sofort immer größere Hallen füllen sollte.
Der größte Hit des Albums entstand mit einem Instrument, das sich Smith erst kurz davor gekauft hatte – eine Akustikgitarre mit Stahlsaiten. Schlagzeuger Williams liefert mit seinem Break das Fundament für In Between Days, jenen melancholischen Popsong, der schon vor der Albumveröffentlichung bis auf Platz 15 in den UK-Charts klettern sollte und auch im Radio rauf und runter lief.
„Es klingt noch immer wahnsinnig frisch“
Am 26. August 1985 bei Fiction Records veröffentlicht, wurde The Head On The Door durch die Bank positiv aufgenommen und von den Kritikern einstimmig als mutigstes und bestes Statement der Band gefeiert. Die Rezension im NME darf als bezeichnend gelten, wo zu lesen war, dass es auf der LP „ganz verschiedene Melodieansätze“ zu hören gibt, während die Lobeshymne des Record Mirror auf den „reiferen musikalischen Ansatz“ der Band verwies.
Auch der kommerzielle Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: In Großbritannien landete The Head On The Door auf Platz 7 der Albumcharts, in Deutschland war’s eine Top-15-Platzierung, und auch in den Staaten schafften sie es zum ersten Mal in die Top-75. Und während auch das mit lässigen Bläsern gespickte Close To Me in den Top-30 der britischen Singlecharts auftauchte, ging der dazugehörige Videoclip, realisiert von Regisseur Tim Pope, bei MTV auf höchste Rotation. Für Robert Smith und seine Band war damit der Sprung in den Mainstream geschafft – und der Grundstein gelegt für weitere Karriere-Highlights wie Kiss Me Kiss Me Kiss Me und Disintegration, jene Spätachtziger-Meilensteine von The Cure, mit denen sie daraufhin zu einer der wichtigsten Alternative-Rockbands der Welt avancieren sollten.
Robert Smith 1986. Andy Freeberg/Getty Images„[Bereits] während der Demoaufnahmen für The Head On The Door war mir klar, dass das die ultimative Bandbesetzung war“, kommentierte Smith anderthalb Jahrzehnte später. „Es war ein echt angenehmes Umfeld, und die Band fühlte sich eher wie eine Familie an. Das Album klingt noch immer wahnsinnig frisch.“