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The White Album - Zwischen Transzendenz und Trennung

Im Meditations-Urlaub in Indien ist das Leben einfach ein anderes. Das Songwriting flowt nur so im Räucherstäbchen-Retreat in Rishikesh und der Guru bringt einen so richtig zum Nachdenken: vielleicht über die eigene eskalierende amour fou mit Heroin und Alkohol, vielleicht über das Verhältnis zum Rest der Käferfamilie, vielleicht sogar darüber, wie es so weitergehen könnte im Leben. Im März und April 1968 also sitzen die Beatles, den Allerwertesten auf den Meditationshocker gebettet und sich auf ihr drittes Auge konzentrierend, in einem Kurs für Transzendentale Meditation beim großen Maharishi Mahesh Yogi, zu dem später auch die Beach Boys pilgern sollten.


Hör die hier The White Album als Playlist an während du weiter liest:


Und während die Beatles eigentlich an gar nichts denken und ihre Gedanken wie Wolken vorbeiziehen lassen sollen, fallen ihnen gerade hier die besten Songtexte und Melodien ein. Man kann sich das gut vorstellen, wie John Lennon und Paul McCartney Papier und Stift vorbei am gütigen Guru-Auge in die Meditationssessions hineinschmuggeln. In die Stille hinein wird dann einmal umständlich gehustet, um das Papierrascheln zu übertönen. So oder ähnlich könnte es gewesen sein, als die Beatles in Indien meditieren und ihr vielleicht genialstes und gleichzeitig kontroversestes Album schreiben.



Aufgenommen wurde The Beatles, das auch The White Album genannt wird – in Ermangelung anderer Features wie Bilder, Booklets etc. – später wieder zu Hause in England.

Und was man sich so vornimmt, in der erleuchteten Meditationssitzung, muss leider nicht unbedingt auch zu Hause vorhalten. Stattdessen gibt es Ärger zwischen den Beatles. Die Frakturen zwischen den vier Künstlern sind schon zwei Jahre vor dem offiziellen Ende nicht mehr zu übersehen. Nein, es war nicht alles Yoko Onos Schuld, doch sicherlich ist sie nicht unbeteiligt am tiefen Krater zwischen Lennon und McCartney. Viele der 30 Songs des Albums werden jeweils in Abwesenheit einer der beiden aufgenommen.
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Die Arbeit des anderen wird als "granny music shit” (Ob-La-Di, Ob-La-Da) diskreditiert, die neue Muse wird demonstrativ mit ins Studio gebracht, es wird verletzend und destruktiv. Lennon sagte über den Aufnahmeprozess: "Every track is an individual track; there isn't any Beatle music on it. [It's] John and the band, Paul and the band, George and the band.” Ringo Starr fühlt sich zwischenzeitlich so abbestellt, dass er die Band für zwei Wochen verlässt. Um so erstaunlicher ist das Ergebnis: Die Entfernung voneinander ist zu hören, aber sie klingt total gut; eine Zwickmühle für Fans. Das weiße Album ist ohne Zweifel das fragmentarischste der Beatles, es besteht aus bits and pieces so ziemlich aller interessanter Musikstile, von Rock and Roll, Blues und Folk über Country, Reggae, Ska oder Flamenco. Zudem versuchen sich die Vier an avantgardistischem Sampling mit dem Field Recorder. Man kann das Album als eine Reise durch die Stile, durch die Geschmäcker, durch die eigene Historie als größte Popband, als Spiel zwischen Profanem und Profundem und als Beginn der großen Abschiedstour verstehen: Wir ziehen noch einmal alle Register, für euch und für uns. Aber wie lange das noch gut geht, fragt ihr lieber nicht.

Junior-Beatle George Harrison darf auf The Beatles zudem zeigen, was für ein großer Komponist und Songwriter er ist und singt mit While My Guitar Gently Wheeps einen der rührendsten Beatles-Songs: I look at you all see the love there that's sleeping / While my guitar gently weeps / I look at the floor and I see it needs sweeping / Still my guitar gently weeps.

Harrisons Gitarre ahnte wohl auch schon, was kommen würde, und war dementsprechend traurig.  Dass ihr Inhaber zwei Jahre später nämlich plötzlich viel Zeit haben würde zum Boden wischen.


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