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Foto: RONCEN Patrick/KIPA/Sygma via Getty Images

35 Jahre „Nothing Compares 2 U“: Die düstere Geschichte hinter der ultimativen MTV-Ballade

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Ihr Cover des Prince-Songs Nothing Compares 2 U macht Sinéad O'Connor vor 35 Jahren weltberühmt. Doch sie hasst den Erfolg – und hat Jahrzehnte später eine verstörende Begegnung mit dem Komponisten.

Ende der Achtziger ist Sinéad O’Connor eine aufregende und aufstrebende Künstlerin, die mit ihrem Debüt The Lion And The Cobra für ordentlich Aufsehen sorgen kann. Genau das Richtige also für die Trophäensammlung von Prince, damals längst ein Weltstar. Viele Künstlerinnen gehören zu seinen Schützlingen, eine wie die Irin O’Connor mit ihrem ungewöhnlichen Stil irgendwo zwischen Kate Bush und Siouxsie And The Banshees und ihrer unfassbaren Stimme würde gut in seine Sammlung passen.

Bei Prince floppt der Song

Also sagt er erst mal nichts, als Sinéad O’Connor, damals Anfang 20, seinen Song Nothing Compares 2 U neu aufnimmt. Den schreibt Prince im Sommer 1984 binnen weniger Stunden, weiß aber nicht so recht, was er damit anfangen soll. Er ist der Meinung, dass der Song nicht zu seinem damaligen öffentlichen Image passt. Er beschließt, ihn bei The Family zu verwenden, einer Band, die er mit seiner damaligen Freundin Susannah Melvoin und dem Sänger Paul Peterson gegründet hat. Der Song wird 1985 auf dem einzigen Album von The Family veröffentlicht, das prompt ein Flop wird und das Ende der Band bedeutet. Das aber zu Unrecht, wenn man sich das Original mal anhört:

Fast schon zurückhaltend agiert er hier mit seiner Jazz-Funk-Familie, macht sich aber wahrscheinlich schon bald keine Gedanken mehr über diesen Song, weil er inzwischen mit Purple Rain in die Stratosphäre geschossen wird. Einige Jahre wird es ruhig um dieses Lied. Doch es hat seine Geschichte offensichtlich noch nicht zu Ende erzählt.

1989 fällt der Song Sinéad O’Connor in die Hände. Die Irin arbeitet gerade an ihrem zweiten Studioalbum, von dem sie noch nicht weiß, dass es ihr ungewollten Weltruhm und große Probleme bringen wird. Es ist ihr Manager und damaliger Partner Fachtna O’Ceallaigh, der über den Song stolpert und ihr empfiehlt, ein Cover aufzunehmen. Weil ihre Beziehung damals schon in Schieflage ist, scheint Princes liebeskranker Text über eine zerbrochene Beziehung zu ihrer eigenen Gemütsverfassung zu passen.

Der Gesang steht in einem Take

Anderen Berichten zufolge wird sie von Steve Fargnoli, der Prince in der Purple Rain-Ära betreut hatte, auf den Song aufmerksam gemacht. Könnte auch passen, weil er etwa zur Zeit der Aufnahme O’Connors Managerrolle übernimmt und somit mitverantwortlich für ihre verstörende Begegnung viele Jahre später ist.

Das ist 1989 noch Zukunftsmusik. Jetzt wird erst mal Musikgeschichte geschrieben. Die Künstlerin nimmt den Song mit einem neuen Arrangement von ihr und ihrem Produzenten Nellee Hooper in der Tonart F-Dur auf und macht eine schmerzende Ballade daraus, die wie wenige andere Songs stellvertretend für die Neunziger steht. Vielleicht ist Nothing Compares 2 U auch deswegen so intensiv, weil Sinéad O’Connor den Gesang in nur einem Take aufnimmt. Ohne Komprimierung, ohne Effekte.

Echte Tränen

Und wenn der Song schon perfekt ist, unübertroffen in elegischer Dramatik und Herzschmerz, dann tut das ikonische Video sein Übriges, um ihn auf die Überholspur zu bringen. Überwiegend ein Close-Up auf ihr Gesicht, dazu einige Szenen aus Paris, fertig ist einer der großen Klassiker der MTV-Ära. In ihren Augen blitzen Schmerz und vergangene Liebe, Schönheit und Angst, Vergangenheit und Zukunft auf. Sogar ihre Tränen sind echt, weil sie beim Dreh an ihre 1985 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Mutter denkt. Da kommen die wenigsten Songs ran.

„Ich bin stolz darauf, ein Unruhestifter zu sein“

Sieht der Rest der Welt auch so: Die Ballade wird zum Welthit, räumt bei den MTV Video Music Awards ab. Als erste Künstlerin kann O’Connor den Preis für das beste Video mit nach Hause nehmen. In Irland, in Australien, Österreich, Kanada, Dänemark, Deutschland, Mexiko, den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen, Schweden, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten geht der Song zudem auf die Eins.

Mit dem Erfolg kommen auch die Probleme: Diese Art von Aufmerksamkeit wollte Sinéad O’Connor nie, sie leidet mehr unter dem Erfolg als sie ihn genießen kann. In der Folgezeit sorgt sie eher mit ihren Aktionen für Wirbel: Sie sagt einen Auftritt bei Saturday Night Live ab, weigert sich, vor einem ihrer Konzerte in den USA die amerikanische Nationalhymne laufen zu lassen, lehnt sowohl einen Grammy als auch einen Brit Award ab. „Ich tue nichts, um Ärger zu verursachen. Es ist nur so, dass das, was ich tue, natürlich Ärger verursacht. Ich bin stolz darauf, ein Unruhestifter zu sein“, so sagt sie 1991 dem NME.

Kissenschlacht mit Prince

Viele Jahre später wird sie von Prince in dessen Haus in Hollywood eingeladen. Erst ist er freundlich, doch schon bald kippt es, wie sie sich in ihren Memoiren erinnert. Sie beschreibt, wie er ihr erst etwas zu trinken anbietet, dann aber wütend wird. „Ich habe das schon einmal erlebt. Ich bin damit aufgewachsen. Ich beginne in Gedanken, nach Fluchtwegen zu suchen“, so schreibt sie in ihrer Autobiografie, in der sie auch den Missbrauch in ihrer Kindheit thematisiert.

Prince besteht darauf, dass sie eine Suppe isst, beschwert sich darüber, dass sie in Interviews flucht – und fordert sie schließlich zu einer Kissenschlacht (!) heraus. „Ich denke: Es kommt nicht jeden Tag vor, dass man mit Prince eine Kissenschlacht macht ... lass uns versuchen, nach dem beschissenen Start einen lustigen Abend daraus zu machen“, schreibt sie. „Erst beim ersten Schlag merke ich, dass er etwas in das Kissen gestopft hat, das wehtun soll. Er spielt überhaupt nicht. Ich mache mich aus dem Staub. Ich rufe meine Freundin Ciara an, damit sie mich abholt.“

Anscheinend ist damals ein Gerichtsverfahren zwischen ihrem Manager Steve Fargnoli und Prince der Auslöser dafür. „Ich bin Opfer eines Angriffs geworden, der Steve terrorisieren soll. Aber das ist mir egal. Ich wollte diesen Teufel nie wieder sehen“, so O’Connor. Spätestens nach diesem Erlebnis wünschte sie sich wahrscheinlich, diesen wunderschönen Song niemals aufgenommen zu haben.

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