Ein paar Jugendliche fahren in einem Cabrio durch die Nacht. Im Mondeslicht lassen sie die Haare im Wind wehen und ihr wehmütig verklärter Blick streift durch die Landschaft, die ruhig und dunkel an ihnen vorbeizieht. Sie reden nicht miteinander, jeder ist für sich, nur kleine Blicke verraten, dass sie sich dennoch ganz nah beieinander fühlen. Sie erreichen ihr Ziel – ein von bunten Lampions erleuchtetes Haus, das hell und freundlich vor ihnen liegt. Man sieht ihre Freund:innen: redend, lachend und lautstark das Leben genießend. Ein in warmes Licht getauchter Fremdkörper in dieser bläulich schimmernden Nacht. Ein kurzes Nicken der Auto-Insass:innen genügt und der Fahrer legt den Rückwärtsgang ein, weg von dem bunten Treiben, zurück ins kühle Dunkel der Nacht, in die wohlige Stille.
Die Rede ist von einem TV-Spot eines großen Automobilkonzerns aus dem Jahre 1999. Der Soundtrack dazu: Pink Moon von Nick Drake. Dieser Spot ist es, der den Musiker 25 Jahre nach seinem Tod posthum zu enormen Erfolg verhilft – und mit dem Film, der natürlich primär ein Auto bewerben soll, trotzdem jene Sphäre veranschaulicht, aus der Nick Drake diese wohlige Melancholie zog und in seine Songs legte: die dunkle, weite Stille.
Zu scheu für den Durchbruch
Es ist schon ironisch: Drake, dessen Erfolglosigkeit immer in unzureichender Promotion begründet war, bekommt diese Aufmerksamkeit durch einen Werbespot – nach seinem Tod.
Nick Drake, das ist dieser zerbrechliche junge Mann, der 1969 mit 21 Jahren sein Debütalbum Five Leaves Left veröffentlicht und dem grellen Musikbusiness nur seine introvertierte Schüchternheit entgegensetzen kann. Zwar werden seinen komplexen jazzig-folkigen Kompositionen mit der warmen, sanften Stimme, welche die Zuhörer:innen tief in ihren Bann zieht, eine erfolgreiche Karriere vorausgesagt – gleichzeitig aber ist Drake wortkarg, gibt ungern Interviews, verzweifelt an Publikum, welches auf seinen Konzerten redet. Die Verkaufszahlen dämpfen die Theorie, die Umfeld und Musikkritiker:innen verbreiten und lassen Nick Drake frustriert zurück. Dabei hatte er ein Meisterwerk abgeliefert, inklusive einem Ausblick auf die Zukunft, welcher sich später als nur allzu wahr herausstellen sollte: In Fruit Tree singt er über den Ruhm, der erst nach dem eigenen Tode eintritt – eine Prophezeiung.
Dennoch: Nach einiger Zeit im Studio veröffentlicht er Bryter Layter und es scheint als wolle er es nun aber doch noch wissen. Das Album kommt wesentlich bombastischer daher, Orchestrierung und Rhythmusfraktion geben der Platte einen wesentlich leichteren, optimistischeren Grundton. Mit Poor Boy zeigt sich Nick Drake sogar selbst-ironisch und das ganze Album klingt jazziger, offener – aber mit Anspruch, mit geschicktem Songwriting. Doch auch hier unterliegt er der Aufmerksamkeitsökonomie: Es gibt ein paar Radioauftritte, aber sonst keine Öffentlichkeitsarbeit. Der kommerzielle Erfolg bleibt aus.
Der geniale Kopf zieht sich in sich selbst zurück
Nick Drake kapituliert scheinbar vor der Unfähigkeit, die eigene Popularität durch andere Mittel als die Musik selbst zu vergrößern. Er fällt in Depressionen, zieht sich in sein Elternhaus auf dem Land zurück, Freund:innen sehen ihn durchs Fenster, wie er stumpf auf die Wände starrt. Nur noch einmal kehrt er aus der Stille zurück: In zwei Mitternachts-Sessions nimmt er Pink Moon auf, nur er und seine Gitarre, manchmal begleitet er sich selbst am Klavier. Heraus kommen elf Songs, die von seinen Fans bis heute als das Meisterwerk schlechthin gehandelt werden.
Der Sound: verdichtet, dunkel, minimalistisch umhüllt von einer Traurigkeit, die direkt ins Herz trifft. Dabei auch der Titelsong, Pink Moon, der ihm 25 Jahre später durch den TV-Spot die Tür zur späten Würdigung öffnen wird. Nach dem Album zieht sich Nick Drake zurück, wendet sich von der Welt ab, verschliesst sich jedem Zugang. Am 25. November 1974 wird er im Haus seiner Eltern tot aufgefunden. Die Diagnose: eine Überdosis Anti-Depressiva. Ob es ein Unfall war oder doch Suizid werden wir wohl nie erfahren.
Nick Drake hat uns aber mit seinen Alben und gerade mit Pink Moon Aufnahmen hinterlassen, die trotz ihrer eigenen düsteren Stimmung das Dunkle und die Stille erhellen, mit wunderschönen Klängen und seiner beruhigenden Stimme. Wenn man Pink Moon hört, merkt man, wie sich ein wohliges Gefühl ausbreitet – melancholisch zwar, aber dennoch bestimmt von einer tiefen Zuversicht.
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Besonders vor dem 1999 erschienenen Werbespot, aber auch heute noch, gilt Nick Drake als ein Geheimtipp unter Musikliebhaber:innen, als Visitenkarte des guten Geschmacks in CD-Regal, Plattenkiste oder Playlist. Seine Songs zu hören ist ein Genuss und man sollte es sich regelmäßig gemütlich machen, seine Platten auflegen und sich freuen dass sie den Weg zu uns gefunden haben – irgendwie.