Featured Image

Als Lady Gaga und Tony Bennett unter einer Decke steckten

Es ist eine der ungewöhnlichsten Duettplatten der Musikgeschichte: Vor zehn Jahren veröffentlichen Lady Gaga und Tony Bennett ein gemeinsames Album Cheek To Cheek. Die schrille Pop-Queen und der Jazz-Crooner – die Geschichte einer überraschend überragenden Partie.



Die besten Momente der Popgeschichte sind immer noch die überraschenden. Dazu zählt natürlich auch das gemeinsame Album von Lady Gaga und Tony Bennett. Nein, mehr noch: Im Grunde ist diese Duettplatte sogar so ziemlich die Anführerin, was überraschenden Momente angeht. Zum zehnten Geburtstag ihrer wunderbaren Kollaboration Cheek To Cheek durchleuchten wir, wie es passieren konnte, dass sich eine extravagante, extreme Popfigur wie Lady Gaga mit einem betagten Jazz-Crooner wie Tony Bennett im Studio wiederfindet.


Es beginnt in New York City

Wie jede gute Jazzgeschichte beginnt auch diese hier in New York City. Es ist das Jahr 2011 und gerade hat Lady Gaga bei der Benefizgala der Robin Hood Foundation Nat King Coles Orange Colored Sky gesungen. Dann passiert das Unerwartete: Nach der Show möchte sie Tony Bennett sehen. DER Tony Bennett, der Jazz-Crooner, die Legende mit 20 Grammys im Schrank, 50 Millionen verkauften Platten und einem Stern auf dem Hollywood Walk Of Fame.


Im Rolling Stonr erinnerte sich Lady Gaga so an diese surreale Begegnung: „Ich sagte: ‚Oh, mein Gott, Tony Bennett ist hier.‘ Und ich war so nervös. Ich ordnete meine Haare und meine Mutter ihr Make-Up. Wir gingen backstage, um ihn zu treffen, und er sagte nur: ‚Möchtest du ein Jazzalbum mit mir machen?‘ Ich sagte: ‚Ja, natürlich möchte ich das.‘ Und wir wurden schnell Freunde und sind es seitdem.“

„Sie ist so gut wie Ella Fitzgerald“

Wenn es sich wirklich so zugetragen hat, ist das natürlich ein starkes Stück. Zwei Sätze, mehr ist 2011 offensichtlich nicht nötig, um Geschichte zu schreiben. Doch es soll noch drei ganze Jahre dauern, bis daraus wirklich Cheek To Cheek wird, ein gefeiertes Album populärer Jazz-Standards, das einen Grammy abräumt und sich mehr als eine Million Mal verkauft.

Das hat Gründe: Lady Gaga muss sich einer Hüftoperation unterziehen und befindet sich immer noch mitten im Rummel um Born This Way. Ein erster Vorgeschmack kommt aber schon 2011: Bennett und Gaga nehmen The Lady Is A Tramp für eine Bennett-Platte auf, was die Dinge so richtig ins Rollen bringt. „Sie ist so gut wie Ella Fitzgerald“, sagt er damals. Im September 2012 beginnen die Arbeiten, ab Sommer 2013 wird aufgenommen – nachdem die beiden gemeinsam bei Obamas zweiter Amtseinführung aufgetreten waren. „Hier bin ich mit meinem hübschen Date“, twitterte Lady Gaga damals. „Ich kann unser gemeinsames Album kaum erwarten. Er ist mein Schatz!“

Rebellisch und befreiend

Schauplatz dieses historischen Treffens der Generationen sind die historischen Kaufman Astoria Studios in New York City. Hier wurde Hair gefilmt, Goodfellas und die Sesamstraße. Im Sommer 2013 entstehen hier Aufnahmen populärer Jazz-Standards, mit denen Gaga und Bennett beide dasselbe Ziel verfolgen: Sie wollen einer jüngeren Generation diese zeitlosen Stücke näherbringen –

„alle großartigen Standards, hochwertige Songs; George Gershwin, Cole Porter, Jerome Kern, Irving Berlin, solche Songs“, wie Tony Bennett sagte.


Für Lady Gaga ist Cheek To Cheek aber noch aus anderer Sicht wichtig: Dem Daily Telegraph gestand sie, dass sie bei ihren früheren Veröffentlichungen wie The Fame (2008), The Fame Monster (2009) und Born This Way (2011) das Gefühl hatte, ihr volles stimmliches Potenzial nicht ausschöpfen zu können. Für sie sei diese Kollaboration „rebellisch“ und „befreiend“. Auch irgendwie witzig: Die Pop-Rebellin findet elegante Jazz-Standards rebellisch. Gaga war lettzlich sogar so begeistert von dieser Erfahrung, dass sie sich eine Tätowierung von einer Skizze, die Bennett von Miles Davis’ Trompete angefertigt hatte, auf ihren rechten inneren Bizeps stechen ließ – „damit ich mich immer an diese gemeinsame Zeit erinnern kann.“

„Ich singe Jazz, seit ich ein Kind bin“

Auch wenn Tony Bennett von Anfang an von Lady Gagas Jazzstimme überzeugt ist: Viele andere sind es nicht. Schon vor Release des Albums wird geunkt und gezweifelt. Die schrille Pop-Queen will jetzt also Jazz machen? Doch Bennett und Gaga ziehen durch und verblüffen die Welt am 19. September 2014 mit einem grandiosen Album. Lush Life zeigt Lady Gaga, wie sie ihre innere Amy Winehouse heraufbeschwört, auch in Bang Bang (My Baby Shot Me Down) kann sie solo glänzen, während sich Bennett Duke Ellingtons Sophisticated Lady zu eigen macht. Am schönsten sind aber natürlich die Duette – besonders Anything Goes oder Nature Boy.


Im Grunde wäre es aber beiden egal gewesen, wie das Album ankommt. Für sie ist es eine nährende, beflügelnde Erfahrung, die Lady Gaga selbst so beschreibt: „Cheek To Cheek entstand aus einer sehr organischen Freundschaft und Beziehung, die Tony und ich im Laufe der Jahre aufgebaut haben. Es war ein gemeinsames Projekt. Tony war es wichtig, dass es eine Jazzplatte ist. Ich singe Jazz, seit ich ein Kind war, und wollte die authentische Seite dieses Genres zeigen. Wir haben ein Album mit Jazz-Klassikern gemacht, aber es hat einen modernen Twist.“


Mission erfolgreich. So erfolgreich sogar, dass die beiden 2021 mit Love For Sale sogar einen Nachfolger bringen.

Mehr unerwartete Duos der Musikwelt: