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Foto: Julie Snow/Michael Ochs Archives/Getty Images

Zum 50. von „American Pie“: Don McLean und das Ende der Unschuld

Eines der Alben, die man vor seinem Tod gehört haben sollte: Don McLeans mystisches Meisterwerk American Pie wird 50. Und hat auch nach einem halben Jahrhundert noch etwas zu sagen.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr American Pie hören:

Zeitlosigkeit. Etwas, das alle Kunst anstrebt, aber nur sehr selten erreicht wird. American Pie ist genau das: ein zeitloses Album, ein Kunstwerk, heute ebenso relevant wie bei seiner Veröffentlichung vor 50 Jahren am 24. Oktober 1971. Es ist das Album, dessen Titeltrack eines der größten Lieder ist, die je geschrieben wurden. Eine über achtminütige Ballade, in der Don McLean es schafft, die elementaren Gegensätze des Lebens ebenso zu erklären wie den Rock‘n‘Roll und den fast schon biblischen Verlust der Unschuld.

72 Absagen für das Debüt

Donald McLean III, wie er eigentlich heißt, weil sowohl sein Großvater als auch sein Vater diesen Namen tragen, kommt recht unerwartet zum Erfolg. Im Vorjahr erscheint sein Debüt Tapestry, heute längst ein zurecht hochgeschätztes Werk, damals nur moderat erfolgreich und erst im 73. Anlauf (!) bei einem Label untergekommen. Seine Strahlkraft schimmert schon damals durch: Der Titeltrack sorgt praktisch im Alleingang für die Gründung von Greenpeace, der Song And I Love You So wurde danach unter anderem von Elvis interpretiert. Es gibt wahrlich schlechtere Epigonen.

McLean, ein verschlossener, in sich gekehrter Liedermacher, der nur sehr ungern über seine Musik und schon gar nicht über deren Inhalte spricht, schwebt für den Nachfolger etwas anderes vor. Beeindruckt und inspiriert von Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band schreibt er ein Album als Gesamtwerk, ein stimmiges, einem roten Faden folgendes Stück Musik. Die Melancholie, die sich ebenfalls als roter Faden durch die Songs zieht, hat gute Gründe: Seine erste Ehe geht gerade zu Bruch, die Blumenkinderstimmung der Sechziger kippt in die Nervosität, den Hedonismus und die Selbstzerstörung der Siebziger. Alles keine Anlässe für glückliche Songs.

Kultureller Grundstein

Gleich mit dem Opener gelingt Don McLean praktisch aus dem Stand ein Stück Musikgeschichte. American Pie ist ein kultureller Grundstein, eines der ganz großen amerikanischen Lieder. Spärlich instrumentiert und durchzogen von Wehmut, erzählt McLean impressionistisch vom geplatzten Hippie-Traum, vom Ende der Unschuld, von Tod und Krieg, aber auch von Nostalgie. The day the music died wird zu einem legendären Satz. McLean bezieht ihn auf Buddy Hollys Flugzeugabsturz 1959. Doch die Musik, die könnte eben noch viel mehr sein. So einer Nummer kann sich nicht mal eine Madonna entziehen, die den Song 2000 covert. Der Schöpfer dürfte so seine Schwierigkeiten damit haben: Für ihn ist die gegenwärtige Popmusik keine Musik, sondern nichts als Klänge. „Man möchte sich aufhängen“, so äußerte er sich vor einigen Jahren in einem Interview über moderne Popmusik.

Desillusionierend und ambig, so wollte es Don McLean. „Ich brauchte all diese komplexen, komplizierten Statements“, so sagte er einmal. „Der Text bezog sich auf den Zustand der Gesellschaft, und der war nun mal komplex und kompliziert.“ Viel wurde in diese acht Minuten und 42 Sekunden hineininterpretiert. Und das ist okay, weil es eher Poesie ist als ein Pop-Song, eine Bestandsaufnahme einer Welt, die falsch abgebogen ist. Der American Pie, also der ikonische Apfelkuchen, der in jedem Cartoon zum Abkühlen auf der Fensterbank ruht, wird zum Symbol für die USA und den geplatzten Traum vom Land of the free.

Ode an Vincent van Gogh

Und das ist nur der eine Song. In seinem reduzierten Arrangement und seiner betörenden Melancholie fast noch bewegender ist aber natürlich Vincent, der zweite stellare Moment des Albums. Die Ballade ist Vincent van Gogh gewidmet und einer der schönsten Songs, die jemals geschrieben wurden. So schön, dass man es fast nicht wagt, ihn zu oft zu hören. Aus Angst, seinen wehmütigen Zauber zu zerstören. Eine Lobrede auf den Maler, eine Verteidigung gegenüber den Menschen, die ihn für verrückt hielten: Seelenvoller wird Musik nicht. Rapper Tupac Shakur liebte das Lied so sehr, dass man es ihm im Krankenhaus kurz vor seinem Tod vorspielte. Da kann man schon mal schlucken.

Überhaupt ist American Pie ein Klassiker, über den sehr wenig bekannt, der aber (oder gerade deswegen) ein unverzichtbarer Bestandteil der Musikwelt ist. Ein Werk, das die ersten 50 Jahre mühelos überstanden hat und blendend gealtert ist. Und weil sein Schöpfer kaum etwas preisgegeben hat über die Gedanken, Gefühle und Geschichten, die ihn zu diesen Songs inspiriert haben, hat es bis heute nichts von seinem entrückten Zauber verloren.

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