Für diese Gitarre riskierte B.B. King sein Leben: Die legendäre Geschichte von „Lucille“
popkultur14.04.20
„I'm very crazy about Lucille / Lucille took me from the plantation / Or you might say brought me fame“, sang B.B. King im Stück My Lucille, einer Ode an seine Gitarre.
von Markus Brandstetter
Egal ob auf diesem oder auf anderen Stücke wie The Thrill Is Gone, Don’t Answer The Door, Ghetto Woman oder Paying The Cost To Be The Boss. Hört man B.B. King, hört man auch Lucille. Sie war es, auf der die 2004 verstorbene Blueslegende die Terzen lang zog und die Blue Notes zum Heulen brachte. Auf Lucille erzählte King seine Geschichten, mit ihr prägte er ganze Generationen an Musiker*innen.
Wer oder was ist Lucille?
Denkt man an B.B. King, denkt man meist an eine Gibson ES-355 in dunklen Farbtönen und ohne F-Löcher. Man denkt an Gold-Hardware, an Kings Schriftzug auf dem Griffbrett. So hat man Lucille in Erinnerung – dabei ist das Merkwürdige an Lucille, dass sie im Gegensatz zu anderen legendären Gitarren der Musikgeschichte (Willie Nelsons „Trigger“, Brian Mays „Red Special, Eddie Van Halens „Frankenstrat“) gar keine spezifische Gitarre ist – sondern VIELE. Jede Gitarre, die King ab einem schicksalshaften Tag spielte, war Lucille.
Die Geschichte von Lucille
1949 spielte der junge B.B. King ein Konzert in einer Bar in Twist in US-amerikanischen Bundesstaat Arkansas. Es war tiefster Winter – und das Heizsystem der Bar alles andere als sicher. Beheizt wurde das Gebäude mit einer Art Tonne, in der sich unter anderem Kerosin befand, das einfach angezündet wurde. Es kam, wie es kommen musste: Die fragwürdige Heizanlage kippte um, die Bar ging in Flammen auf. Alle Personen retteten sich nach draußen – auch King, der dann aber realisierte, dass sich seine Gitarre noch im brennenden Gebäude befand. Er rannte noch einmal in das Gebäude und rettete sein Instrument aus den Flammen.
Wie er am nächsten Tag erfuhr, resultierte der Brand aus einem handfesten Streit zwischen zwei Männern. Der Grund der Auseinandersetzung: Die Bardame des Hauses, eine Frau namens Lucille. Um dieses Ereignis nie zu vergessen, benannte der Musiker seine Gitarre nach jener Bardame. Kings originale Lucille war übrigens gar keine ES-335, sondern eine Gibson L-30 Archtop, die King für 30 Dollar erworben hatte.
Welche Gitarre B.B. King künftig auch immer spielte: Sie war Lucille. Meist waren das Gibson-Gitarren – und ein Blick in das B.B.-King-Fotoarchiv zeigt, dass es zumeist auch ES-355-ähnliche Gitarren waren, mal mit F-Loch, mal ohne. Ab 1979 baute Gibson für King dann mit der Lucille seine eigene Signature-Gitarre. Im Laufe der Jahre gab es auch mehrere limitierte Sondereditionen.
Gestohlener Prototyp mit Happy End
Zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2005 baute Gibson dem Musiker ein Sondermodell, das King fortan als sein Hauptinstrumenten auf Livekonzerten nutzte – bis es ihm gestohlen wurde. Wie der US-amerikanische Rolling Stone berichtete, tauchte das Instrument in einem Pfandhaus in Las Vegas wieder auf. Einem Gitarrenhändler, Eric Dahl, fiel das Modell auf. „Das Ding war in Schweiß getränkt und die Seiten sahen schlimm aus“, erinnerte sich Dahl gegenüber „Gibson.com“. „Dann drehte ich sie um, schaute mir die Kopfplatte an und da stand in weiß gestempelt ‚Prototype 1’. Ich dachte, dass dies bedeutete, dass es sich dabei um ein von B.B. King autorisiertes 80th-Birthday-Modell handeln würde“.
Dahl kontaktierte Gibson – und es stellte sich heraus, dass es sich nicht um EIN Geburtstagsmodell, sondern DAS Geburtstagsmodell handelte. B.B. King traf sich mit Dahl, bekam sein spezielles Modell zurück – und gab ihm im Gegenzug eine von seinen anderen Lucilles.
Lucille, die Lebensretterin
Auch wenn sie ihn in jener Nacht in Arkansas auch sein Leben hätte kosten können: Für King stand fest, dass Lucille sein Leben gerettet hatte. Wie sang er in seiner Ode an sie so schön: „You know, I've met a lot of you months ago / A lot of you wanna know why I call the guitar, Lucille / Lucille has practically saved my life two, three times / No kidding, really has“.