Auch Rockstars sind oft unzufrieden. Das hört man auf dem neuen Album der Alternative-Rock-Band Badflower. Vor allem aber hat ihr Frontmann Josh Katz es uns im Interview genau erklärt: Vom Dilemma, dass sich nichts mehr so anfühlt wie früher, und wie man daraus wiederum Inspiration zieht.
Ein Mann mit einem Hammer im Mund, den er fast zu essen scheint. Ziemlich einprägsames Cover haben sich Badflower da für ihr drittes Album No Place Like Home ausgesucht. Das transportiert auch schon das Gefühl, dass es auf dem Album keine sanfte Fahrstuhlmusik geben wird. Aber was hat dieser Hammer mit dem Titel und mit der Musik auf dem Album zu tun? Frontmann Josh Katz erklärt es: „Ich habe während Covid einen Bauernhof gekauft und es gibt immer viel daran zu reparieren. Daher verbringe ich viel Zeit zuhause, mit einem Hammer in der Hand. Aber ich verbringe auch viel Zeit damit, frustriert mit meinem Leben zu sein, und ein Hammer kann genutzt werden, um Wut zu entladen. Also ist der Hammer das Werkzeug für Konstruktion und Destruktion. Er repräsentiert perfekt, wie ich mich fühle.“
Alles zu haben ist deprimierend
Denn, das wird beim Hören des Albums und im Gespräch mit Josh Katz klar: Friede, Freude, Eierkuchen ist hier nicht das Motto. Badflower sind unzufrieden. Dementsprechend klingen die Songs auf No Place Like Home wütend, laut, zynisch, in manchen Momenten auch mal melancholisch. Der Titeltrack eröffnet das Album, indem er unheilvoll auf uns zustampft und uns versichert, dass es kein Zuhause gibt. Detroit klingt erstmal nett und tanzbar, aber hat einen bittersüßen Beigeschmack. Denn Katz trauert textlich der Vergangenheit hinterher: „I wanna feel the way I did when we started / It's so depressing having everything I wanted“.
Dieses Gefühl, vom Leben unbefriedigt zu sein, zieht sich durch das Album. Auf die Frage hin, ob man immer noch aufgeregt sei, ein Album zu veröffentlichen, gibt Katz zu: „Es hat sich komplett verändert. Darum geht es auch in vielen Songs auf dem Album, dass sich nichts mehr so aufregend anfühlt, wie es mal tat. Ich versuche immer wieder, dieses Gefühl zu erzwingen, weil das mein Traumjob ist, den ich immer wollte. Dennoch kann ich nicht mehr diese Motivation des inneren Kindes finden, ein Rockstar zu sein. Ich weiß nicht, ob das alles an mir liegt oder ob das teilweise extern ist. Weil die Welt der Rockstars sehr anders aussieht als damals, als ich aufwuchs, und sie mich nicht mehr so anspricht.“
Wie Katz das erklärt, wirkt nicht arrogant oder undankbar – eher ehrlich. Er sei ein Realist, kein Pessimist, sagt er. Katz ist sich bewusst, dass er eigentlich ein gutes Leben führt. Aber er will nicht, dass irgendwer auf die Illusion hereinfällt, Rockstars seien immer glücklich. „Ich sehe viele Musiker:innen, die immer noch dabei sind. Und wenn man sie fragt, wie es sich anfühlt, lügen sie dich an und sagen: ‚Es ist toll! Wir wollen immer weitermachen und immer mehr schaffen.‘ Ich sage, das ist eine Lüge. Ich glaube, alle haben Angst, zuzugeben, dass es sich nicht mehr gut anfühlt, weil das prätentiös und arrogant klingt. Aber für die meisten Leute ist das wahr.“
No Place Like Home von Badflower auf Vinyl:
Wie findet man neue Inspiration?
Badflower versuchen aber, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie nutzen es eher als Ansporn, etwas Besonderes zu kreieren: „Es gab bei allen Künstler:innen mal die Zeit in ihrem Leben, in der sie dachten, sie könnten mit ihren Songs die Welt verändern“, erklärt Josh Katz. „Jetzt fühlt es sich an, als könne man nur noch Songs schreiben, die catchy genug sind, um im Radio oder einer Spotify-Playlist zu landen, sodass die Karriere am Leben bleibt. Aber niemand geht mehr das Risiko ein, dass es Leuten nicht gefallen könnte, um etwas Besonderes zu schaffen, das ewig bleibt.“ Katz‘ größte Angst: Eine dieser Bands zu werden, die nur Musik veröffentlicht, um etwas zu veröffentlichen, die aber nie wieder ihr erstes Album erreichen wird. Seine größte Motivation sei daher aktuell, nicht diese Band zu sein.
Daher probieren Badflower auf No Place Like Home manche neuen Sachen aus. Der Song London etwa klingt smoother und grooviger als man es von der Band kennt. Katz erklärt, er habe schon immer wesentlich mehr Einflüsse gehabt als nur Rockmusik: „Manchmal sagen Leute zu mir: ‚Das klingt anders als alles, was ihr vorher gemacht habt.‘ Dann bedeutet das meistens, dass ich einen Stil nutze, den ich schon immer machen wollte, aber der nie Sinn ergeben hat.“
Trotzdem sind auch in solchen neu klingenden Songs wie London noch die typischen Emo-Gitarren zu finden. Badflower seien vor allem eine Rockband geworden, weil sie das gut konnten, meint Katz. Aber bald wollten sie sich von dem leicht bluesigen Stil der frühen Jahre entfernen, um nicht das zu werden, was er als „iPod-Werbung-Musik“ bezeichnet.
Auch abseits von Musik gibt es viele Kunstformen, die Badflower inspirieren. Musik könne er zwar gut, aber Katz meint, mit mehr Talent dafür wäre er gerne Standup-Comedian geworden. „Das ist die beste Art, die Wahrheit zu sagen, weil es am meisten Belohnung hat und Menschen glücklich macht.“ Er ergänzt, Songs seien wie Kurzgeschichten mit musikalischer Untermalung: „Ich liebe Filme und Geschichten zu erzählen. Ich wollte, als ich sehr jung war, Musik für Filme schreiben. Aber ich merkte bald: Songs zu schreiben ist wie, Mini-Filme zu schreiben.“
Rock’n’Roll will never die?
Das Thema des Älterwerdens taucht immer wieder in Badflowers Musik auf. Sich jung zu fühlen, gehe irgendwann verloren, sagt Katz: „Man hat in seinen frühen Zwanzigern viele Eigenschaften, die perfekte Voraussetzungen fürs Rockstarleben sind. Ein arrogantes Selbstvertrauen. Aber irgendwann wächst man da heraus und denkt sich: ‚Ich war ein kleiner Scheißer.‘ Diese Karriere ohne diese Eigenschaften zu führen, sobald das alles schwindet, ist verwirrend und schwierig. Ich bin jetzt auch clean, also denke ich manchmal: ‚Vielleicht sollte ich lernen, Drogen und Alkohol zu mögen.‘ Aber ich hab’s probiert, auch das macht im Alter keinen Spaß mehr.“ Besser so.
Alle Probleme in den Griff zu kriegen, ist zum einen nicht so einfach. Zum anderen habe Katz oft den Beigedanken: Glückliche Musik zu machen würde sich nicht wie Badflowers Berufung an. Das ist vielleicht ein ungesundes Mindset, dem Katz sich aber bewusst ist. Er merkt an, das Leben sei eine Reise, bei der Meinungen und Gefühle sich immer ändern können. Wer weiß, wie Badflower in ein paar Jahren klingen werden? Egal wie glücklich oder unglücklich: Höchstwahrscheinlich wird der Stil immer noch direkt sein. So direkt, wie die Songs auf No Place Like Home klingen. So in-your-face, wie das Albumcover aussieht. So ehrlich, wie Katz im Interview ist. Und er analysiert sich selbst auch so: „Ich mag Nomen sehr. Die sind weniger abstrakt als Verben. Ich mag, wenn etwas direkt ist.“