
Wütend, facettenreich, visionär: Am 10. April 1990 veröffentlichten Public Enemy ihr drittes Album Fear Of A Black Planet – das wohl größte Meisterwerk ihrer Karriere. Doch die Platte ist mehr als nur ein Opus magnum des Hip-Hop; sie ist ein kulturelles Statement der weltweiten Schwarzen Community.
Der Ablauf ist oft ähnlich: Das erste Album einer Band ist ungestüm, das zweite kennt keine Limits – und das dritte wird zum fokussierten, kreativen Höhepunkt. Das gilt auch für Public Enemy, die 1988 ihre zweite Platte It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back herausbringen und sich darauf keine Grenzen setzen, was Sound-Experimente betrifft. Rockgitarren, Rückkopplungen, Straßengeräusche: Die Gruppe greift damals nach allem, was sie in die Finger bekommen kann und zaubert daraus ein mehr als nur erfolgreiches Album. Für ihre dritte LP Fear Of A Black Planet wählen Public Enemy einen ähnlichen Weg. Diesmal klingen sie noch komplexer – aber auch organisierter.
Fear Of A Black Planet: Public Enemys Opus magnum
Schon für It Takes A Nation Of Millions arbeiteten Public Enemy mit der Bomb Squad zusammen, einem virtuosen Produktions-Team, zu dessen Spezialitäten das reichliche Verwenden von Samples zählt. Bei Fear Of A Black Planet kommt es erneut zur Kooperation mit der kreativen Truppe. Dafür geht die Bomb Squad an ihre Grenzen: „Was die Samples für Public Enemy betrifft“, erklärt Produzent Keith Shocklee, „mussten wir uns durch tausende von Platten wühlen, um vielleicht fünf gute Samples zu finden.“ Der Sound beim dritten Album der Hip-Hopper klingt noch viel kompakter als bei der vorherigen Veröffentlichung. Doch was genau bedeutet das?
„Wir haben auf Fear Of A Black Planet ungefähr 150, vielleicht sogar 200 verschiedene Samples verwendet“, erinnert sich Rapper Chuck D. Die Produzenten arbeiten mit Timecodes, um sie richtig zu platzieren – Sampling auf einem ganz neuen Level. Rechtlich ist das Ganze damals noch eine Grauzone, denn zu Beginn der Neunziger gibt es noch keine festen Regeln für das Verwenden von Samples. Genau das nutzen Public Enemy und toben sich nach Herzenslust aus. „Wenn man die Sounds voneinander trennen würde, wären sie nichts Besonderes“, erklärt Chuck D. „Man würde sie nicht wiedererkennen. Als Collage sind sie ein echtes Brett.“
Black Power auf der großen Bühne
Inhaltlich beschäftigen sich Public Enemy auf Fear Of A Black Planet mit Rassismus, interkulturellen Beziehungen und der Stärkung der Schwarzen Community – genau wie auf dem Vorgängeralbum, aber noch konsequenter. Mehr noch als auf It Takes A Nation Of Millions rufen sie ihre Schwarzen Mitmenschen nicht nur zur Wachsamkeit, sondern zum aktiven Widerstand auf. Die Radikalität, mit der sie das tun, stößt damals nicht überall auf Zustimmung – ist aber Ausdruck einer Wut und Verzweiflung, die viele Schwarze Menschen in den USA jener Zeit (und bis heute) nachvollziehen können.
Einige der inhaltlichen Bezüge auf dem Album sind stark von den Schriften der afroamerikanischen Psychiaterin Frances Cress Welsing beeinflusst – einer bis heute umstrittenen Denkerin. Sie vertrat etwa die Ansicht, dass weiße Hautfarbe auf einen genetischen Defekt zurückzuführen sei und weiße Menschen womöglich einst aus Afrika vertrieben wurden. Rassismus, so ihre Theorie, sei ein globales Machtinstrument zur Sicherung weißer genetischer Existenz. Auch vertrat sie fragwürdige Thesen über AIDS, Drogen und Homosexualität – viele davon wurden zu Recht scharf kritisiert und gelten als pseudowissenschaftlich.
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Ein Erfolg für die Geschichtsbücher
Wissenschaftlich belegt ist hingegen, dass Public Enemy mit Fear Of A Black Planet einen riesigen Hit landen und der Schwarzen Community ein Jahrhundertwerk schenken. Platz 10 in den US-Charts, Platz 4 in Großbritannien, immerhin Platz 30 in Deutschland: Die Platte geht mehr als 1,3 Millionen Mal über die Ladentheke und gehört unumstößlich zu den großen Klassikern des Hip-Hop, der seit der Jahrtausendwende den musikalischen Planeten regiert. Der ist übrigens bis heute nicht Schwarz. Noch immer zählt der strukturelle Rassismus zu einem der größten Probleme in den USA – also wird das dritte Album von Public Enemy wohl noch eine ganze Weile akut bleiben.