Er hatte viele, er hätte alle haben können. Doch er wollte eigentlich immer nur die eine: Die besondere Geschichte von Neil Youngs legendärer und legendär lauter Gitarre Old Black.
von Björn Springorum
Es gibt die, die ganze Zimmer in ihren mondänen Beverly-Hills-Villen voller unbezahlbarer Gitarren hängen haben. Nicht weil sie sie alle spielen. Sondern weil sie es können. Und es gibt Neil Young. Der ewige Grantler, der extra nur deswegen US-amerikanischer Bundesbürger geworden ist, um gegen Trump zu stimmen, hätte zwar auch das nötige Kleingeld, um einen auf Jimmy Page zu machen; sieht er aber gar nicht ein: Seine erste und einzige große Liebe ist immer noch an seiner Seite. Seit über 50 Jahren sind sie unzertrennlich, Neil Young und seine innig geliebte Old Black.
Um diese Beziehung zu verstehen, um sich einmal ganz vorsichtig ranzutasten an die Ergründung dieser Gitarre, hilft zunächst mal ein Blick auf die Fakten. Seine Old Black ist eine 1953er Gibson Les Paul Goldtop, die in ihren knapp sechs Dekaden auf dieser Welt immer wieder modifiziert, erweitert und teilweise auch rückgebaut wurde. Wann genau sie in Youngs Besitz wandert, ist nicht überliefert. Als gesichert gilt, dass er sie gegen eine andere Gitarre mit Jim Messina tauscht, der damals bei Buffalo Springfield den Bass zupft. Anfang 1968 war das, sagen manche. Glaubt man dieser Zeitrechnung, dann geht dieser Deal damals gerade noch so gut: Ein paar Monate später lösen sich Buffalo Springfield wenig ruhmreich auf. Ebenso wenig ruhmreich gestaltet sich Youngs Solodebüt, das im Januar 1969 unter seinem eigenen Namen erscheint.
Die Gitarre und der Grunge
Besser wird es da schon – und hier kehren wir zu seiner Old Black zurück – im Mai desselben Jahres. Young schart ein paar junge Typen einer Band namens The Rockets um sich. Sie nennen sich Crazy Horse und werden von ihm seit mittlerweile über 50 Jahren als Band verwendet. Everybody Knows This Is Nowhere, ihr erstes gemeinsames Album, ist nicht nur deswegen besonders, weil Young einige der stärksten Songs darauf mit hohem Fieber geschrieben hat. Sondern weil wir sie hier das erste Mal in ihrer vollen Pracht zu hören bekommen: Seine knarzende, singende, dreckig angezerrte, bewusst verlotterte Old Black hinterlässt erstmals mächtig Eindruck. Und erfindet in ihrer rückkoppelnden Lärmkulisse mal so nebenbei die Insignien des Grunge.
Leicht zu haben ist diese schwarz übermalte Frau in Gold allerdings nicht: Sie pflegt genervt zu brummen, wenn man sie nicht richtig hält. Der Legende nach gibt Young den Tonabnehmer der Gitarre zur Reparatur in einen Gitarrenladen in Los Angeles, doch als er ihn abholen will, ist der Shop wie vom Erdboden verschluckt. Der Tonabnehmer von Gretsch, den er stattdessen verwendet, taugt ihm nicht und verursacht handfeste Beziehungsprobleme. Es wird erst wieder gut, als Youngs vertrauter Tontechniker Larry Cragg irgendwo einen alten Firebird-Tonabnehmer auftreibt und einbaut. Die alte Liebe ist neu entflammt, die Old Black kann endlich wieder jaulen. Der Firebird-Tonabnehmer, der ist übrigens bis heute im Einsatz. Good old Larry!
Die alte Lady röhrt
Wenn Young so richtig Lärm machen will (und das will er oft), spielt er sie auf dem Tonabnehmer am Steg. Es pfeift, es zischt, es dröhnt, es rumort, dass man die alte Lady nicht nur hört, sondern auch fühlt. Liegt auch daran, dass die Old Black ihr Signal direkt in die Ausgangsbuchse schickt. Was dann kommt, ist der ungefilterte Sound seiner Gitarre. Feedback pur! Aus diesem Grund spielt er sie ausschließlich voll aufgedreht. Wenn es nach ihm geht, dann klingt sein Baby in Like A Hurricane am besten. Der Song von 1977 entsteht schon 1975, zu der Zeit also, in der er auch sein bis letzte Woche unveröffentlichtes Album Homegrown aufnimmt. Eigentlich will er Crazy Horse die Nummer nur mal eben vorspielen, ehe sie sich an die Aufnahmen machen, doch ausgerechnet diese eine schroffe, improvisierte Aufnahme schafft es dann auf das Album. Fehlerfrei ist sein Spiel nicht, doch das ist einem wie Young immer schon egal gewesen. Die Magie des Augenblicks steht für ihn weit über musikalischer Perfektion.
Neil Young ist eine treue Seele. Ebenso wie er sein Equipment in den letzten Jahrzehnten kaum verändert hat, könnte er sich nicht vorstellen, jemals eine andere Gitarre zu spielen. Das hinterlässt natürlich auch bei Old Black Spuren. Vor rund 20 Jahren sind die Bünde der ersten acht Lagen so abgespielt, dass das Griffbrett praktisch fretless, also ohne Bünde, ist. Wieder wendet sich Young vertrauensvoll an Larry Cragg, doch diesmal klappt es nicht: Young flippt aus, wirft Cragg vor, seine Gitarre ruiniert, seine Beziehung zerstört zu haben. Der Techniker fackelt nicht lang und schafft es irgendwie, die neuen Bünde zu abzuschleifen, bis sie praktisch nicht mehr vorhanden sind. „Geht doch, Mann!“, soll Young trocken gesagt haben. Es stimmt eben schon: Wenn man eines vermeiden sollte, dann, zwischen Neil Young und seine Old Black zu geraten.