
Katja Seiffert aka Blush Always liefert einen Sound, der an die großen Gitarrenmomente der 90er erinnert. Sie schreibt ihre Songs aber – selbst bei einem Lied für Jeff Buckley – vor allem für sich. In einem Gespräch verriet uns die Musikerin mehr über ihre Inspirationen.
Blush Always. Der Name ist eine Erinnerung an die Bühnenangst, die Katja Seiffert ihr Leben lang plagte. Immer rot anzulaufen, wenn man sich auf eine Bühne stellt – irgendwie auch verständlich, schließlich macht man sich auf dem Präsentierteller ziemlich verletzlich. Die Leipziger Musikerin beschloss aber vor ein paar Jahren, sich dennoch künstlerisch ausdrücken zu müssen, und startete ihr Indie-Rock-Projekt Blush Always. Damit steht sie mittlerweile auch auf zahlreichen Bühnen – ohne dass man ihr ihre Angst anmerken würde.
Der „Strudel der Musikindustrie“
Endlich anzufangen, die eigenen Blockaden zu überwinden, war also sehr befreiend für Seiffert. Allerdings habe sie dadurch auch kurz ihr Ziel aus den Augen verloren, erzählt sie. „Mich hat das so viel Überwindung gekostet, mich zu trauen, meine Songs zu zeigen und mich auf eine Bühne zu stellen. Und dann war es noch umso mehr eine Herausforderung, eine Band zu fragen, ob die meine Songs mit mir spielen. Als ich mich das aber getraut habe, wurde ich so schnell in diesen Strudel der Musikindustrie eingesaugt und wollte auf einmal viel mehr erreichen. Da habe ich zwischendurch ein bisschen vergessen, dass das eigentlich für mich schon das größte Geschenk ist: mich das überhaupt getraut zu haben und eine Band zu haben und Konzerte zu spielen. Mit dem zweiten Album wollte ich mich daran zurückerinnern, wie das eigentlich war, als das mein größter Wunsch war, in einer Band zu sein.“
Hier spielt sie insbesondere auf den Song Girl In A Band an, in dem Seiffert über genau diesen Wunsch singt. Durch das gesamte Album An Ode To ? zieht sich dieses Thema: Wofür und für wen lebt man sein Leben? Beispielsweise, um Musik zu machen, einfach für den Spaß daran, das war eine wichtige Erkenntnis für die Indie-Musikerin. Davor habe sie das Musikbusiness eher aus einer Leistungsperspektive betrachtet. Auch durch das Livespielen lernte Blush Always, damit nicht schambehaftet umzugehen: „Die Jungs aus meiner Band kommen aus dem Hardcore und sind aus dieser Zeit gewohnt, vor wenigen Leuten Konzerte zu spielen. Das ändert nichts an der Performance und daran, dass sie Spaß an der Musik haben. Ich habe das Gefühl, in der Indie- und Popszene ist das anders. Da ist es direkt so eine Scham, wenn nur 20 Leute zum Konzert kommen. Es hat mir sehr geholfen, deren Sichtweise zu sehen, dass man sich nicht dafür schämen muss, wenn man nicht innerhalb eines Jahres groß und erfolgreich ist. Und dass man die Musik nicht nur für die breite Masse macht, sondern für die eine Person, die das berührt.“
Aus den 90ern in die Gegenwart
Eine bescheidene Aussage, schließlich hat Blush Always in kurzer Zeit schon ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen. Das Projekt sticht heraus, da es einen Throwback zu einem Sound liefert, den man hierzulande nicht mehr so oft findet: Die Musik von Blush Always ist beeinflusst von Alt-Rock, Shoegaze und dem Grunge der 90er, Bands wie Pavement oder Weezer. Die Inspiration für ihren Gitarrensound zog sie beispielsweise von den Smashing Pumpkins, erzählt Seiffert. Ein reiner Nostalgie-Akt ist das aber nicht: Was Blush Always auch inspiriert, sind aktuelle FLINTA*-Acts, die Gitarrenmusik machen. Snail Mail oder Soccer Mommy etwa, hierzulande kann man auch Brockhoff nennen – diese ist natürlich auch auf dem aktuellen Blush-Always-Album gefeaturet.
Ein typischer Blush-Always-Song paart oft diese stark verzerrten Shoegaze-Gitarren mit einer fröhlichen, verspielten Ohrwurm-Melodie. Ein wunderbares Beispiel ist etwa Just Keep Swimming. Dieser Kontrast erhöht das emotionale Potenzial der Musik, wie auch Seiffert findet: „Wenn ich ein emotionales Thema oder auch eine poppige Melodie habe, brauche ich irgendetwas, das das ausgleicht. Gerade tiefer gestimmte, verzerrte Gitarren, die berühren mich irgendwie auf eine Art, die nicht so typisch kitschig ist, wie das jetzt vielleicht in einem Popsong wäre.“
Ein weiterer Künstler, den Seiffert verehrt, ist Jeff Buckley. So sehr sogar, dass sie ihm ihren Song About Drowning widmete. Wer die Geschichte nicht kennt: Jeff Buckley starb schon mit 30 Jahren, als er in einem Fluss ertrank. „2020/2021 habe ich Jeff Buckley entdeckt und hatte diese Phase: ‚Oh mein Gott, ich habe einen Artist entdeckt, der mich so berührt und der ist tot‘“, erinnert sie sich. „Ich war so eingenommen davon, dass ich dann einen Song darüber geschrieben habe. Das kam zeitgleich mit einer Ehrfurcht vorm Ertrinken. Ich hatte gelesen, dass das ein stiller Tod ist. Das finde ich so gruselig. Und dann habe ich mich ins Ertrinken reingesteigert, wie das wohl ist. Der Song ist über ihn und über diese Zeit, als ich mich mit so absurden Ängsten herumgeschlagen habe.“
Alltagsliteratur in Songform
Andere lyrische Inspirationen zieht Blush Always gerne aus der Literatur. So stammt der Titel des Debütalbums You Deserve Romance etwa aus einem Buch von Sally Rooney. Immer noch spielt das Lesen eine große Rolle beim Texten: „Es inspirieren mich dann bestimmte Formulierungen auf Englisch, die für mich nicht natürlich sind, weil ich kein Native Speaker bin. Manchmal sind es einfach einzelne Wörter oder Begriffe. Auch wenn ich Texte schreibe, recherchiere ich immer ganz viele Wörter oder Synonyme. Ich lese sehr viel und auch viel so – ich nenne es mal – Alltagsliteratur. Keine super komplexe Literatur, sondern eher das, was so den Zeitgeist abbildet, wie es meine Songs auch tun.“
Die Themen der Songs sind oft Reflexionen und Beobachtungen der menschlichen Psyche – und das kommt nicht von ungefähr: „Ich arbeite als Psychotherapeutin. Daher bin ich die ganze Zeit damit beschäftigt, warum Leute sich so verhalten, wie sie es tun, und was es braucht, damit sie sich verändern. Zwangsläufig muss es sich in meinen Texten dann auch widerspiegeln, weil das mein Lebensinhalt ist.“ Nicht nur das Verhalten anderer wird analysiert, auch Selbstreflexion ist Blush Always wichtig, wie das Beispiel über die Angst vorm Ertrinken verdeutlicht.
Ehrliches Songwriting fällt ihr schlicht leichter, als sich zu verstellen: „Ich habe es nie anders gemacht, glaube ich. Und ich kann nicht lügen, weil ich dann rot werde. Für mich war klar, vor allem wenn ich nervös bin – auf der Bühne oder wenn mich jemand was fragt – dann ist das Einfachste, die Wahrheit zu sagen. Sonst verkompliziere ich es, wenn ich das Gefühl habe, ich muss eine bestimmte Story oder Rolle verkörpern. Dann ist es ja noch mal mehr Leistung als wenn ich einfach als Ich da sitze und sage, was natürlich aus mir herauskommt. Und beim Songwriting ist es genauso. Das ist wie so ein Energiesparmodus.“
Schließlich zielt Seiffert mit Blush Always auch genau das an: authentisch sein. Sie nimmt ihr Publikum als eher ruhig und aufmerksam, tendenziell etwas älter wahr. „Ich glaube, ich bin eingeschüchtert von der Gen Z, weil sie diese typische Millennial-Schüchternheit nicht haben“, gesteht sie. Blush Always scheine eher als „Musikliebhaberprojekt“ gesehen zu werden. Wie sie am Anfang schon andeutete, ist es leicht, von den Zielen des großen Erfolgs in der Musikindustrie aufgefressen zu werden. Am Ende nicht mehr das darzustellen, wofür man eigentlich Kunst machen wollte, dazu soll es nicht kommen. Schließlich geht es um Selbstausdruck und schlicht auch Spaß: „Ich erkenne mittlerweile, weil ich selbst Musik mache, was authentisch ist und was konstruiert wird. Ich bin eher inspiriert von Leuten, die sich wirklich treu bleiben und die einfach authentisch wirken.“