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Foto: Chris Walter/WireImage/GettyImages

Zeitsprung: Am 19.2.1980 stirbt der große Bon Scott von AC/DC.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 19.2.1980.

von Christof Leim
Lange Haare, Tattoos, freier Oberkörper: Als Sänger von AC/DC gibt Bon Scott den wilden Mann des Rock’n’Roll. Kein Bullshit, aber immer Vollgas. Er singt über Sex, Schnaps und das laute Leben, bei aller Bodenhaftung erstaunlich poetisch. Doch leider lebt Bon Scott genauso – und stirbt am 19. Februar 1980 mit nur 33 Jahren nach einer durchzechten Nacht in London.

Hört hier Highway To Hell:

AC/DC stehen 1980 kurz vor dem Durchbruch, nachdem das sechste Album Highway To Hell im Vorjahr sogar die Top 20 der US-Charts geknackt hat. Die dazugehörige Tour endet am 27. Januar 1980 in Southampton; es sollte der letzte Gig von Ronald Belford „Bon“ Scott sein. Am 9. Februar steht er noch einmal in einer spanischen TV-Show für drei Playback-Songs auf der Bühne, am 13. Februar nimmt er zum letzten Mal Musik auf, als er für die französischen Band Trust eine Version von Ride On einsingt. AC/DC residieren damals in London und arbeiten bereits am nächsten Album. So trifft sich Bon am 15. Februar mit den gitarrespielenden Young-Brüdern Malcolm und Angus, um an neuen Songs zu arbeiten. Die später Have A Drink On Me und Let Me Put My Love Into You getauften Nummern stehen auf dem Programm, Bon singt jedoch nicht, sondern spielt Schlagzeug. Feierei mit Folgen In dieser Zeit feiert Bon Scott viel und zeigt sich vor allem schottischem Whiskey zugetan. Manche Biografen, etwa Jesse Fink, von dem wir noch hören werden, berichten von Plänen Scotts, das in den Griff zu bekommen. Angeblich denkt der Sänger sogar über einen Ausstieg nach, weil er fürchtet, dass ihn sein Lebenswandel umbringt. Doch im Februar 1980 ist Bon Scott weiterhin volle Kraft voraus unterwegs als Frontmann einer heißen Rock’n’Roll-Band, die vor dem wichtigsten Album ihrer Karriere steht. Doch das alles endet am 19. Februar 1980. Vor diesem Haus in London parkt der Renault, in dem Bon Scott die Nacht vom 18. auf den 19. Februar 1980 verbringt… - Pic: Gypsycat/WikiCommons Laut der offiziellen Version feiert Bon Scott am Vorabend im Londoner Club Music Machine, begleitet wird er von einem Freund namens Alistair Kinnear. Der nimmt, obwohl selber blau, den Sänger spät in der Nacht in seinem Renault 5 mit zu seinem Apartement im Stadtteil East Dulwich, Adresse 67 Overhill Road. Doch der Musiker ist da bereits weggetreten. Weil Kinnear ihn nicht bewegen kann, lässt er Bon Scott im Auto liegen, zugedeckt auf dem zurückgeklappten Beifahrersitz, und begibt sich selbst ins Bett. 
Die offizielle Version Als Kinnear viel später, am frühen Abend oder Abend, nach seinem Begleiter schaut, rührt der sich nicht mehr. Im Krankenhaus kann nur noch festgestellt werden: Bon Scott ist tot. Eine Obduktion wenige Tage später ergibt eine „akute Alkoholvergiftung“, die Tragödie wird als „death by misadventure“, „Tod durch Unglück“ klassifiziert. Dahinter steckt in der Nomenklatur der britischen Gerichtsmedizin ein Ableben, das „in erster Linie auf einen Unfall zurückzuführen (ist), der aufgrund eines freiwillig eingegangenen Risikos eingetreten ist“. Explizit wird vielerorts berichtet, Bon sei im Schlaf an seinem Erbrochenen erstickt. So oder so: Einer der besten Frontmänner im Rock’n’Roll lebt nicht mehr. Um die Hintergründe und Details dieses Ereignisses spinnen sich im Laufe der Jahre unzählige Theorien und Verschwörungsszenarien: So wird etwa davon gesprochen, Bon sei in der kalten Londoner Februarnacht erfroren, doch offizielle Wetterzahlen widersprechen dem. Andere wiederum halten Alistair Kinnear für ein Phantom, eine Person, die nie existierte, doch der britisch-australische Autor Jesse Fink findet die Spur des Mannes. Kinnear gilt seit einem Segeltrip in Spanien 2006 als vermisst und wird schließlich für tot erklärt. Über das Leben und Sterben von Bon Scott entstehen unzählige Bücher, und im Wesentlichen wird die oben geschilderte Version der Ereignisse akzeptiert und so auch von den Bandmitgliedern in späteren Interviews wiedergegeben. Neue… Erkenntnisse? Jesse Fink jedoch fechtet das massiv an in seinem Buch Bon: The Last Highway von 2017. Danach stimmt etwa die Chronologie nicht: So will UFO-Gitarrist Paul Chapman schon am Morgen des 19. Februar 1980 von Bons Kumpel Joe Fury erfahren haben, dass der Sänger gestorben sei, während Kinnear nach eigenen Aussagen die Leiche erst am Abend gefunden hat. Des Weiteren sollen zwei weitere Personen in dem Apartement in East Dulwich anwesend gewesen sein. Die hätten zum Beispiel dabei helfen können, argumentiert der Autor, den bewusstlosen Sänger ins Haus zu tragen. Ein neues Buch über das Leben und Sterben von Bon Scott wirft Fragen auf… Fink geht in dem Buch sehr tief ins Detail, wägt unzählige Zeugenberichte gegeneinander ab, analysiert die Umstände und Glaubwürdigkeit, und zapft alle Quellen an, die er kriegen kann. Diese Akribie beeindruckt, manche Folgerungen bleiben aber Mutmaßungen. Bon: The Last Highway liest sich in den Kapiteln über Bons Tod wie eine Kriminaldokumentation; viele Einzelheiten der offiziellen Geschichte eines tragischen Missgeschicks scheinen nach Darlegung des Autors nicht zu passen. Vor allem lässt er eine Bombe platzen: Fink kommt zum Schluss, Bon Scott habe nicht nur Whiskey, sondern Heroin konsumiert und sei einer Überdosis erlegen, was seine Begleitung möglicherweise zu vertuschen versucht habe. Ob das wirklich stimmt, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, einen offiziellen Kommentar gibt es aus dem AC/DC-Lager selbstverständlich nicht. Wer schrieb You Shook Me All Night Long? Damals im Februar 1980 geht natürlich ein Schock durch die Rockwelt, die Band denkt anfangs darüber nach, die Instrumente hinzuschmeißen. Es ist Malcolm Young, der Bons Mutter Isa informiert. Ihr Sohn wird eingeäschert und im australischen Fremantle beigesetzt. Seine Kollegen rappeln sich indes wieder auf und machen sich – mit Unterstützung der Scott-Familie – auf die Suche nach einem neuen Sänger. Den finden sie einem Mann namens Brian Johnson aus Newcastle, der seine Musikkarriere bereits mehr oder minder aufgegeben hatte. Fünf Monate nach Bons Tod erscheint am 25. Juli 1980 Back In Black, eines der erfolgreichsten Alben aller Zeiten, dessen Geschichte ihr hier findet. via GIPHY Heute noch diskutieren AC/DC-Freaks darüber, ob es Demoaufnahmen von Back In Black mit Bon gibt (was die Band bestreitet) und ob dessen Texte auf der Platte Verwendung fanden. Bon Scotts Freundinnen Silver Smith und „Holly X“ (ein Pseudonym) behaupten laut Finks Buch, zumindest einzelne Zeilen von You Shook Me All Night Long stammten aus dem Fundus des verstorbenen Sängers. Es bleibt mysteriös…