Featured Image
C. J. Ramone ballert die Achtel 1996 bei Lollapalooza - Foto: Jim Steinfeldt/Michael Ochs Archives/Getty Images

Zeitsprung: Am 8.10.1965 kommt Ramones-Bassist C. J. Ramone auf die Welt.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 8.10.1965.


Ein Anruf macht Christopher Ward zu C. J. Ramone. Leider sitzt er da gerade im Gefängnis. Als Bassist der Ramones tourt er um die Welt und lehnt später das Angebot einer so gar nicht unbekannten Metal-Band mit „M“ ab. Heute nimmt er Soloalben auf und feiert am 8. Oktober seinen Geburtstag. Happy Birthday, C. J.!


Hier kannst du dir Songs von C. J. Ramone anhören: 



Als er den Telefonhörer wieder ablegt, sollte Christopher Joseph Ward eigentlich Luftsprünge machen. Johnny Ramone hat ihm gerade am Telefon gesagt, dass er als Bassist in seine Lieblingsband einsteigen darf. Ward freut sich natürlich, aber es gibt da ein Problem: Er sitzt gerade im Militärgefängnis!


Erfüllung eines Traums

Das neue Bandmitglied hat die Ramones vorher schonmal getroffen: Als Christopher Ward 1989 im Magazin The Village Voice eine Anzeige sieht, in der die Band jemanden für den Bass sucht, zückt er den Telefonhörer und bewirbt sich. Der damals 23-Jährige liebt die Energie der Urväter des Punks, die ihn tatsächlich zum Vorspiel einladen. Ward glaubt eigentlich nicht, den Job zu kriegen. Später einmal zu erzählen, mit den Ramones gespielt zu haben, erscheint ihm großartig genug. So kommt er voller Tatendrang eine halbe Stunde früher als bestellt zur Audition an und spielt als Erster vor. Er wünscht sich den Song I Wanna Be Sedated, und zusammen legen sie los.




Es läuft gut: Den Ramones gefällt sein Stil, doch es gibt noch etwa 40 weitere Bassisten, die den Posten haben wollen. Also verabschieden sie sich voneinander, und Ward geht glücklich nach Hause: Sein Traum, einmal mit den alten Helden einen Song gezockt zu haben, hat sich bereits erfüllt. Am nächsten Tag ruft Tourmanager Monte Melnick bei ihm an. Sicher nur, um ihm mitzuteilen, dass er beim Vorspiel etwas im Proberaum vergessen hat, vermutet Christopher. Ein Irrtum! Melnick bittet ihn zu einem weiteren Vorspiel. Ward hängt den Bass dieses Mal etwas tiefer (wie sein Vorgänger Dee Dee es tat), lernt, schneller zu spielen (denn die Ramones spielen live immer viel schneller als auf Platte) und gewöhnt sich Dee Dees Basstechnik an. Der Band gefällt es, aber sie will sich nochmal beraten.


Der alte Job meldet sich zurück 

Auch der Bassist hat noch ein paar Dinge zu erledigen: Sich als Soldat unerlaubt von der Truppe zu entfernen, gilt nicht als Lappalie. Genau das hat Ward aber getan. Seinen Job bei den US Marines will er schon länger an den Nagel hängen, doch die Armee lässt ihn auf seine ehrenhafte Entlassung warten. Dann halt unehrenhaft: Statt sich nach Japan versetzen zu lassen, verlängert Ward eigenmächtig seinen Heimaturlaub — vielleicht nicht seine beste Idee, denn ein Kriegsgericht verdonnert ihn daraufhin zu Strafarrest. 





Zunächst weiß sein Arbeitgeber nicht, wo er sich befindet. Doch als die Ramones es wohl ernster mit ihm meinen, meldet sich der Deserteur zurück und geht geradewegs ins Militärgefängnis. Dort bekommt Johnny Ramone ihn schließlich an die Strippe: Die Band hat sich für ihn entschieden!  Als dieser hört, dass Ward erst in vier Wochen raus kommt, antwortet er cool: „Okay, dann sitz das ab, und wenn du rauskommst, hast du den Job!“ Einen neuen Namen bekommt er auch: Aus Christopher Joseph wird C. J. Er ist jetzt ein Ramone… C. J. Ramone!


Erste große Liebe: Musik

Spulen wir kurz zurück: Christopher Joseph Ward wird am 8. Oktober 1965 im New Yorker Stadtteil Queens geboren, mit zehn Jahren zieht er nach Long Island. Als Teenager steht er auf die Beatles, Creedence Clearwater Revival und Neil Young, auf Metal wie Black Sabbath und Judas Priest. Auch The Clash, Sex Pistols, Fugazi und PiL rotieren auf seinem Plattenteller.




Er lernt ein Mädchen kennen, das ihm die erste Platte der Ramones vorspielt und ihn dabei küsst. Die junge Frau geht, doch die Liebe zu den Ramones bleibt. Der junge Punk will selbst Musik machen: Er lernt zuerst das Trommeln, allerdings gefällt das seiner Nachbarschaft nicht. Eines Tages steht das Schlagzeug nicht mehr an seinem Platz — seine Eltern haben es wohl verschwinden lassen, es war auch ihnen zu laut. Egal, Christopher sattelt um auf Bass und spielt später in der Heavy-Metal-Band Pete’s Axe Attack. Um seiner Heimatstadt zu entkommen, geht er zur Armee. Dann kommt das Angebot der Ramones.


40 Songs in fünf Wochen: Hey Ho! Let’s Go!

Mit der Entlassung aus dem Knast beginnt ein neuer Lebensabschnitt: In fünf Wochen lernt C. J. über 40 Songs und probt ausgiebig mit den Ramones. Seinen ersten Auftritt mit der Band spielt er am 4. September 1989 in der Fernsehshow „Jerry Lewis Telethon“.




Zum ersten Mal live auf einer „richtigen“ Clubbühne stehen sie gemeinsam am 30. September 1989 im britischen Leicester. Die dortigen Fans bewerfen C. J. mit Flaschen und spucken ihn an. Sie wollen Dee Dee zurück. Doch der Neue nimmt die Feuerprobe gelassen: Bis letztens noch Soldat und im Knast, da schockt ihn das sicher nicht.


Frischzellenkur für die Ramones

J. geht als jüngster Ramone in die Bandgeschichte ein: 14 Jahre jünger als sein Vorgänger Dee Dee und 17 Jahre jünger als Johnny Ramone, mit dem er sich den Geburtstag, nicht aber das Jahr teilt. Der Neue mutiert bald zum „echten“ Ramone: Er übernimmt live Dee Dee’s Gesangsparts und singt im Studio dessen neue Songs, denn der Ex-Bassist steuert auch nach seinem Ausstieg weiter Lieder bei. Später schaffen es auch Eigenkompositionen von C. J. auf Schallplatten der Ramones — Strength To Endure kann man auf Mondo Bizarre hören, für Adios Amigos, ihr letztes Studioalbum, schreibt er zwei Songs.




Auch optisch sieht er nun aus wie die anderen Mitglieder der Familie/Band: Mit langen Haaren. Die musste er sich anfangs erstmal wachsen lassen, denn aus dem Militärknast kam er kahl geschoren. Jetzt wissen wir auch, warum C. J. auf den ersten Bandfotos (und auch beim oben erwähnten Fernsehauftritt) ein Kopftuch trägt.


Für immer ein Ramone

Es läuft gut für C. J., er bleibt bis zur Auflösung 1996 in der Band. Die Gruppe, die sich als Familie ausgibt (schließlich tragen alle Bandmitglieder den gleichen Nachnamen), funktioniert laut C. J. wie eine „geölte Maschine“ und er lernt viel: Von Joey das kreative Schaffen, von Johnny, wie das Business funktioniert. Mit seiner entwaffnenden Art zeigt ihm Schlagzeuger Marky, wie man das Tourleben angenehm und erträglich macht. Tommy Ramone, den Visionär, der die Ramones erfunden und geführt hat, schätzt C. J. so sehr, dass er ihm posthum einen Song widmet: Tommy’s Gone.




All dieses Wissen nutzt C. J. auch nach dem Ende der Ramones: Mit der Band Bad Chopper geht es weiter, außerdem mit Los Gusanos, die er schon während der Ramones-Zeit gegründet hat. Bei den Ramainz spielt er zusammen mit Marky, Dee Dee und dessen Frau Barbara Zampini, bis Dee Dee 2002 stirbt. Seitdem veröffentlicht C. J., inzwischen wieder kurzhaarig, Soloalben und tourt unter seinem eigenen Namen: C. J. Ramone. Einmal ein Ramone, immer ein Ramone!


Johnny Ramone ruft nochmal an

2003 erlebt C. J. ein Déjà-Vu: Das Telefon klingelt, Johnny Ramone ist dran. Auch dieses Mal hat der Klampfer ein Jobangebot: „Hey, erzähl‘ es niemandem, aber Jason Newsted steigt bei Metallica aus. Sie wissen, was du kannst, und sie wollen dich.“ Diesmal sitzt C. J. nicht im Knast, sondern zu Hause bei Kindern und Frau. 




Christopher Ward hat zwei Töchter und einen Sohn, bei dem Autismus diagnostiziert wurde. Sein Arzt empfiehlt geregelte Alltagsroutinen und nennt eine stabile Familie extrem wichtig für seinen Sprössling. Ob sich das mit mit Tourplan der größten Metal-Band der Welt vereinbaren ließe? Wohl eher nicht. Der Familienvater sagt ab und zieht die Metallica-Karte zum Wohl seines Sohnes nicht. Respekt!


Familienleben und ab auf die Insel

Hat er es je bereut? Nein. Sein Sohn, der inzwischen als Koch in einem Restaurant arbeitet, lässt sich seinen Autismus kaum anmerken, sagt C. J. später im Interview mit der Osnabrücker Zeitung.„Ich bin ein großer Metallica-Fan und hätte gerne mit ihnen gespielt. Aber ich war schon bei den Ramones, das ist schwer zu schlagen. Ich glaube nicht, dass Metallica mir genauso viel bedeutet hätte. Wäre das Geld toll? Absolut! Ich würde mir wünschen, nie über Geld nachdenken zu müssen. Aber zu wissen, dass mein Sohn ein gutes Leben und eine gute Zukunft hat und all das tun kann, was andere können, bedeutet viel mehr.“


Für das nahende Rentenalter hat der Sympath schon etwas vor: Fischen, vielleicht auf Kuba – ergibt Sinn für jemanden, der auf der Insel Long Island aufwuchs. Wir wünschen, dass der Plan aufgeht und hoffen, trotzdem weiter von ihm zu hören. Gute Alben aufnehmen kann man schließlich auch auf Inseln. Happy Birthday, Christopher Joseph Ramone!