Das Ende ist nah – Der legendäre Auftritt der Doors auf der Isle of Wight als Konzertfilm
popkultur07.02.18
August 1970 auf der englischen Isle of Wight: Zwischen einer halben Million und 700.000 Musikliebhabern haben sich auf dem Gelände der East Afton Farm versammelt, wie viele genau weiß niemand. Innerhalb der Festivalabsperrungen herrscht aufgeheiztes Chaos, außerhalb drängen sich die Schaulustigen auf den Dämmen, da man auch von dort die Bühnen aus sehen kann. Der ein oder andere Zaun wird samt bewachendem Securitypersonal niedergedrückt.
Hör dir hier die musikalischen Höhenflüge der Doors als Playlist an während du weiter liest:
Die Stimmung ist ausgelassen, es ist der Summer of Love und bei Europas Woodstock gibt sich die Crème de la Crème der Musikwelt Klinke und Cinch in die Hand: Supertramp, Joni Mitchell und Miles Davis waren schon dran, als in der Nacht von Samstag auf Sonntag um zwei Uhr morgens The Doors die Bühne betreten.
So enthusiastisch die Fans sind: Um die Band steht es nicht zum besten. Der Auftritt in England erfolgt inmitten eines Gerichtsverfahrens, dem sich Jim Morrison in seinem Heimatstaat Florida stellen muss. Gegenstand des Verfahrens ist die unterstellte „unsittliche Entblößung“ Morrisons auf einem Konzert in Miami vor 10.000 Menschen.
Das Verfahren zerrt an den Nerven der Band und ist Anlass für Auseinandersetzungen. Es geht dabei nicht um einen Kavaliersdelikt, den Morrison mit Geld aus der Welt räumen könnte. Das Gericht sollte noch im Oktober desselben Jahres der von der Staatsanwaltschaft geforderten Höchststrafe folgen und den gerade einmal 26-Jährigen zu sechzig Tagen harter Arbeit im Miami-Dade-County-Gefängnis, noch einmal sechs Monate harter Arbeit an selber Stelle sowie einer Geldstrafe von 500 Dollar verurteilen. Die Zukunft von Morrison und den Doors ist im Sommer 1970 ungewiss und über allem schwebt bedrohlich das Damoklesschwert der Verurteilung. Was dennoch niemand ahnte: Der Auftritt auf dem Festival sollte einer der allerletzten der Band überhaupt werden.
Von dieser besonderen Nacht erscheint nun ein Mitschnitt des Konzerts auf DVD, Blu-ray, DVD+CD und Digital Video. Es ist nicht nur eines der letzten Doors-Konzerte, sondern auch der letzte unveröffentlichte Mitschnitt. Endlich ist für alle zu sehen, was Augenzeugen als gespenstisch und tief bewegend beschrieben haben: Ein Auftritt, in dem das nahende Ende von Morrison und den Doors für alle Zuschauer zu spüren war. Wobei das gesamte Werk der Band im Grunde ein Abschieds-Soundtrack ist, mal mit weniger, mal mit mehr Todessehnsucht.
Passend zur morbiden Stimmung dient ein roter Scheinwerfer als einzige Lichtquelle, die Band hatte vergessen, dass sie ihre eigene Beleuchtung hätte mitbringen müssen. Und Morrison – durch das Miami-Verfahren und zwei Flaschen Southern Comfort, die er sich mit Roger Daltrey von The Who zuvor geteilt hatte – gut benebelt, sang um sein Leben.
“Unser Set war gedämpft, aber sehr intensiv”, erzählte Organist Ray Manzarek später. “Wir spielten mit kontrolliertem Zorn und Jim war gesanglich gut in Form. Er (…) bewegte sich aber kaum. Dionysus war in Ketten gelegt”.
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Das 47 Jahre alte Material wurde nun komplett neu geschnitten und abgemischt. Modernste Technik kam zum Einsatz, um behutsam Farbkorrekturen vorzunehmen und die Grobkörnigkeit zu reduzieren – natürlich alles mit Einverständnis der Doors. Zu verantworten hat die Arbeit der langjährige Doors-Techniker und Co-Produzent Bruce Botnick, der mit diesem Mitschnitt erneut beweist, dass er ein Teil der Doors-Familie ist und bleibt.
Der Konzertmitschnitt erscheint am 23. Februar und das Vergnügen dauert ganze 84 Minuten lang. Kulthits wie Roadhouse Blues, Break On Through (To The Other Side) und Light My Fire sind genau so zu sehen wie der Bonusfilm This Is The End. Darin führt der Oscar-Regisseur Murray Lerner, der für die Konzeption des Konzertfilms zuständig war, Interviews mit den verbleibenden Doors Robby Krieger und John Densmore sowie dem alten Doors-Manager Bill Siddons.
Live at the Isle Of Wight ist was für jüngere und ältere Doors-Fans, für Hippies, für Vampire, für Acid-Rocker und für Freunde des ästhetischen Konzertfilms.