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Die musikalische DNA von Snow Patrol

Was so eine richtige Rockband ist, fängt ganz unten an. Snow Patrol können genau sagen, wann sie ihren eigenen Tiefpunkt erreichten: Kurz vor Veröffentlichung ihres dritten Albums Final Straw spielte die Band im kleinen Städtchen High Wycomb in einem Pub, der es sogar in die britische Fernsehsendung The Hardest Pubs in Britain schaffte. „Wir kommen da an und werden in den VIP-Bereich geführt – der ironischerweise genauso aussah wie der Rest. Jemand hatte ‚VIP-Bereich‘ auf die Rückseite einer Chips-Box geschrieben“, lachte Drummer Jonny Quinn in einem Interview über das folgende Desaster. „Die veranstalteten da auch Pole Dancing und ich erinnere mich noch daran, wie sie die Stangen abmontierten, damit wir Platz hatten. Der Ansager stellte uns vor mit den Worten: ‚Kommt schon, zeigt ein bisschen Begeisterung für diese Jungs – sie sind extra aus Nordirland und Schottland hergekommen!‘“


Hör hier in die musikalische DNA von Snow Patrol rein:

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Nur wenig später landeten Snow Patrol mit Run ihren ersten Hit und feierten 2006 ihren internationalen Durchbruch dank Grey’s Anatomy. Im Finale der zweiten Staffel des bahnbrechenden Krankenhaus-Dramas lief der Song Chasing Cars, der ihnen zwei Grammy-Nominierungen (als Bester Song 2006 und Bester Rock-Song 2007) einbrachte und der 2009 von der Phonographic Performance Limited als meistgespielter Song Großbritanniens des vergangenen Jahrzehnts verkündet wurde, bevor er im selben Monat beim Fernsehsender Channel 4 in einer Zuschauerabstimmung als bester Song der Nullerjahre gewählt wurde.

Nicht nur mit ihrer Hauptband, auch in anderen Bereichen können Gary Lightbody, Jonny Quinn, Nathan Connolly, Paul Wilson und Johnny McDaid punkten. Keine Frage: Snow Patrol haben zwar klein angefangen, sind aber groß rausgekommen. Ihr Erfolgsrezept? „Eine Mischung aus Melodien und Ehrlichkeit“, nennt es Frontmann Lightbody. Ehrlichkeit lässt sich nicht lernen, alles andere schon. Werfen wir also einen Blick auf die musikalische DNA der Band, um herauszufinden, welche Musik sie durch gute wie durch schlechte Zeiten begleitet und inspiriert hat.


1. Cream - Strange Brew

„Merkt euch den Namen. Und merkt euch, wo ihr ihn zuerst gelesen habt“, jubilierte das Weihnachtsbulletin an der schottischen Universität von Dundee im Dezember 1994. Welche Band gemeint war? Shrug! Nie gehört? Kein Wunder: Schon bald sollte sich das Trio, das an diesem Abend neben zehn eigenen Stücken auch Cover-Versionen von den Lemonheads, Radiohead, David Bowie, Grant Lee Buffalo und dem Blues-Helden Leadbelly spielte, umbenennen. Erst in Polar Bear, dann in Snow Patrol.

Dass nicht nur Pop-Idole wie Bowie oder Indie-Bands wie Radiohead und die Lemonheads, sondern auch Blues auf dem Programm standen, verwundert nicht weiter. Snow Patrol-Drummer Jonny Quinn ist ein erklärter Fan von Ginger Baker, dem legendären Schlagzeuger von Cream. Sogar in einer Band namens Disraeli Gears spielte Quinn zeitweise – benannt war die Kombo nach einem Cream-Album. Als veritable Supergroup sollten Eric Clapton, Jack Bruce und Baker einen monumentalen Sound etablieren, der Snow Patrol zweifelsohne geprägt hat.


2. Belle and Sebastian - The Fox in the Snow

Doch waren es auch die ruhigen Töne, denen die Band immer schon etwas abgewinnen konnte. Belle and Sebastian gehören zu den aufstrebenden Bands der Musikszene in Glasgow, als Snow Patrol bei ihrem Label Jeepster unterschrieben. Ein Jahr, bevor Snow Patrol mit ihrer EP Starfighter Pilot unter neuem Namen debütierten, landeten Belle and Sebastian mit dem zurückhaltenden Sound von Songs wie Fox in the Snow in Indie-Kreisen einen kleinen Hit. Sie wurden bekannt genug, um auch den aufstrebenden Kollegen von Snow Patrol ungewollt auf die Sprünge zu helfen: Angeblich gaben die sich gerne als Belle and Sebastian-Mitglieder aus, um sich den Eintritt in Clubs zu sparen…

Das Kollektiv um Stevie Jackson hat es ihnen offenkundig nicht übel genommen: Noch heute sind beide Bands gut befreundet und 2014 revanchierte sich Quinn sogar, indem er die Band beim Snow Patrol-Verlag Polar Patrol einen Vertrag unterschreiben ließ. Zudem halfen die Mitglieder einander immer wieder aus, wenn buchstäblich Not am Mann war – Richard Colburn beispielsweise saß auch schon bei den Kumpels auf dem Schemel. Das ist eben das Schöne an Snow Patrol: Sie sind sich selbst und ihren Wurzeln in der Independent-Szene treu geblieben.


3. Bright Eyes - You Will. You? Will. You? Will. You? Will.

Das zeigt sich ebenfalls in der Wahl der zahlreichen Coverversionen, welche die nordirisch-schottische Band im Laufe ihrer Karriere eingespielt haben. Vom schüchternen Twee-Sound Belle and Sebastians ist es nicht sehr weit zum Sadcore der Band Low, deren Song Just Like Christmas sie 2006 für die Weihnachts-Compilation Kevin & Bean’s Super Christmas des US-amerikanischen Radiosenders KROQ-FM neu einspielten. Belle and Sebastian und Low nehmen für ihre Musik gerne Folk-Elemente auf, die auch Snow Patrol keinesfalls fremd sind.

Einer der einflussreichsten Folk-Interpreten ist Conor Oberst, besser bekannt als Bright Eyes. Den Song You Will. You? Will. You? Will. You? Will. covern Snow Patrol auch noch gerne auf ihren Shows. „Ich liebe Bright Eyes, weil er einer der ehrlichsten, eloquentesten, intelligentesten Sänger ist, die ich je gehört habe“, erzählte Lightbody 2004 dem britischen Guardian. „Als ich das erste Mal das Album Lifted [Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground] hörte, wollte ich heulen und die Gitarre hinschmeißen. Nach ein paar mehr Durchläufen allerdings war es eher inspirierend denn einschüchternd.“ Puh, gerade noch mal gut gegangen!


4. John Lennon - Isolation

Ja, obwohl Snow Patrol gerne als Stadion-Rock-Band abgetan werden: Im Zentrum ihrer Musik steht immer gutes und manchmal auch abenteuerliches Songwriting. Gelernt haben sie das nicht allein von ihren Kollegen und Zeitgenossen, sondern ebenso den ganz Großen. Neben Low und den Bright Eyes hat die Band auch John Lennon gecovert, genauer gesagt seinen Song Isolation vom Album Plastic Ono Band.

Die Veröffentlichung geschah natürlich ganz im Sinne des Imagine-Sängers: Zuerst war Isolation in der Snow Patrol-Version auf dem Charity-Sampler Make Some Noise und zwei Jahre später auf dem Lennon-Tribute-Album Instant Karma: The Amnesty International Campaign to Save Darfur zu hören. Kein Wunder, ist das sozialpolitische Engagement der Band bestens dokumentiert.


5. Beyoncé - Crazy In Love (feat. Jay-Z)

Wer Snow Patrol sagt, meint in der Regel einen epischen und emotionalen Rocksound. Wer allerdings von Snow Patrol redet, darf von ihrem langjährigen Produzenten Jacknife Lee nicht schweigen und auch nicht vergessen, dass einige Mitglieder der Band sich auch kräftig im Pop- und sogar Dance-Geschäft umtreiben. Wusstet ihr, dass Lightbody Just Say Yes zuerst für Nicole Scherzinger schrieb, bevor ihre Gruppe Pussycat Dolls den Song nochmals aufnahm? Snow Patrol selbst veröffentlichten ihn erst 2009 auf ihrer Anthologie Up to Now.

Als DJ-Veteran legt Lightbody tatsächlich auch gerne House oder Hip Hop auf, manchmal gemischt mit Rock. Das allein erklärt nicht nur die subtilen elektronischen Einschläge auf ihren Platten, insbesondere den vom Dance-Produzenten Lee produzierten. Sondern auch, warum sie mit About You Now und Crazy in Love sogar Stücke von den Sugababes und Beyoncé nachgespielt haben! Auch ihr Crazy In Love-Cover war auf Up to Now zu hören. Natürlich aber im Rock-Gewand – typisch Snow Patrol!


6. Nirvana - Territorial Pissings

Trotz ihrer sehr breiten Vorlieben sind Snow Patrol dem Rock immer treu geblieben. Ihre einzigartigen Laut-Leise-Dynamiken, die Songs wie Chasing Cars den notwendigen Drive verleihen, lassen schließlich nicht ohne Grund an die großen Hits der Grunge-Ära denken. Tatsächlich gehört Nirvana zu einem der Haupteinflüsse der Band. Besonders Songwriter Lightbody ist von der Band um Kurt Cobain nach wie vor begeistert.

„Als ich Nevermind hörte, explodierte mir der verfickte Kopf“, fluchte er vor Freude. „Zuerst hörte ich die erste Seite, es war eine Kassette, und mein Kumpel ging zum Essen aus und hörte sie sich während der Mittagspause an. Nach der Schule saßen wir gemeinsam im Bus und er gab mir einen Kopfhörer und Territorial Pissings lief und es war wie eine Explosion.“ Der Teilzeit-Metalhead Lightbody, der vorher vorm Spiegel zu AC/DC posiert hatte, war von da an Feuer und Flamme für Nirvana. Nevermind stellt er immer noch auf einen Thron. „Diese Platte hat alles umgehauen, deswegen sitze ich hier, wegen ihr wollte ich überhaupt in einer Band sein.“ Starke Worte!


7. Super Furry Animals - Something 4 the Weekend

Die rohe Energie von Nirvana kam wie ein warmer Regenschauer über die nordirische Einöde, in welcher Lightbody aufwuchs. Doch sie allein war nicht alles, was ihn als Songwriter prägte. „Wenn Nirvana mich dazu gebracht haben, die Gitarre aufzunehmen, dann waren es die Super Furry Animals, die mich darüber nachdenken ließen, was ich damit zum Ausdruck bringen konnte“, sagte er in einem Interview. „Ich denke, dass sie die Beatles unserer Generation sind.“ Auch das: starke Worte.

Dabei ist die walisische Psychedelic-Band nie weit über die Grenzen Großbritanniens hinaus bekannt geworden. Das Quintett aus Cardiff hat aber tausende von Bands mit ihrem Einfallsreichtum und ihren wagemutigen Songwriting-Experimenten beeinflusst. Für Lightbody und seine Kollegen gehören Alben wie Fuzzy Logic, Radiator oder Guerilla zu dem Besten, was die britische Musikszene je hervorgebracht hat. „Ich prügel mich mit jedem auf der Straße, der da Einspruch erhebt!“, so Lightbody. Fordert ihn besser nicht heraus!


8. U2 - Mysterious Ways

Andere Bands waren weniger innovativ, übten aber einen noch größeren Einfluss auf die Musikgeschichte aus als die Super Furry Animals. U2 sind vielleicht der ideale Kompromiss: Ihr Sound wagte einiges, ihr Songwriting war dennoch gradlinig und belohnt wurden sie mit ewigem Ruhm. Zu ihren Fans zählen natürlich auch Snow Patrol, deren eigene Alben häufig an denen der Idole gemessen wurden. 2005 gingen sie sogar mit der irischen Band gemeinsam auf Tour, als diese mit ihrer LP How to Dismantle an Atomic Bomb die Stadien dieser Welt abklapperten.

Insbesondere U2s atemberaubende Live-Shows, die nun wirklich keine Kosten oder Mühen scheuen, haben es der nordirisch-schottischen Gruppe angetan. Dass Snow Patrol zu Protokoll gaben, gerne eine Tourdokumentation nach dem Vorbild von Rattle and Hum zu drehen, überrascht da ebenso wenig wie ihre Coverversion von Mysterious Ways von U2s Überalbum Achtung Baby. Weniger bekannt ist der Snow Patrol-Remix, den Johnny McDaid 2010 für den U2-Song Unknown Caller anfertigte. So oder so: Die Band konnte ihren Helden mehr als nah kommen.


9. Oasis - Wonderwall

Dasselbe gilt auch für eine andere Band, mit der sich Snow Patrol ständig vergleichen lassen mussten: Oasis. Was Wonderwall für die eine Generation britischer Teenager war, das sollte Anfang des dritten Jahrtausends Chasing Cars werden. Nicht selten wurde Snow Patrol deshalb der Stempel Britpop aufgedrückt, den Oasis Seite an Seite mit Bands wie Blur geprägt hatten. Gestört hat es Lightbody, McDaid, Quinn sowie ihre Mitstreiter Nathan Connolly und Paul Wilson anscheinend nie.

2009 durften sie sogar einspringen, als Oasis ihren Gig beim V Festival im englischen Chelmsford wegen einer Erkrankung Liam Gallaghers absagen mussten. „Die großen Oasis sollten jetzt hier stehen“, rief Lightbody den enttäuschten Fans zu und bat sie, den Ersatz doch bitte nicht auszubuhen. Typisch britisch! Als Trostpflaster spielten Snow Patrol in ihrer Zugabe gleich zwei Oasis-Klassiker, Wonderwall und Champagne Supernova. Wer hätte da noch zu buhen gewagt? Mitsingen war angesagt!


10. Foy Vance - Guiding Light (feat. Ed Sheeran)

Kritischer wird für eingefleischte Snow Patrol-Fans schon die Tatsache sein, dass McDaid Ed Sheeran zu seinen engsten Vertrauten zählt. Rockstars und Pop-Größen, das passt doch meistens nicht zusammen! Nun, die beiden schert es offensichtlich nicht. Im Gegenteil: Sie kommen bestens miteinander klar und das allein ist alles, was zählt.

So gut sind die Songwriting-Partner befreundet, dass sie sogar dasselbe Tattoo haben. Dazu gibt es eine rührende Geschichte: Der ursprünglich von Foy Vance verfasste Song Guiding Light, aus dem der auf Irisch übertragene Spruch „Nuair is gá dom filleadh abhaile, is tú mo réalt eolais“ („Wenn ich nach Hause muss, bist du mein führendes Licht“) stammt, wurde von McDaid und Sheeran für John McDaid senior neu eingespielt. Der Legende nach hat die McDaid-Familie das Stück dem kranken Vater auf dem Sterbebett vorgespielt. Nicht nur die Musik von Snow Patrol schafft Verbindungen.


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