Featured Image
Foto: Jim Dyson/Redferns/Getty Images

Die neuen Bikini Kill: Lambrini Girls erobern die Musikwelt

Bitte Zählermarke einfügen

Sie singen gegen alles an, was faul ist im Königreich Großbritannien: Lambrini Girls sind jetzt schon die Punk-Sensation des Jahres und die legitimen Nachfolgerinnen der radikalen Bikini Kill. Ihr Debüt Who Let The Dogs Out ist ein wütender Flächenbrand, der nichts und niemanden verschont.

Toxische Männlichkeit, übergriffige Verhaltensweisen am Arbeitsplatz, Catcalling, Rassismus, Polizeiwillkür, Alltagssexismus… die Liste an Themen für die Lambrini Girls ist lang. Vielleicht ist das ja auch der Grund, weshalb die Songs des explosiven Duos aus Brighton überwiegend unter der Drei-Minuten-Marke liegen. Es gibt einfach zu viel, was schief läuft in dieser kranken Gesellschaft, als dass man jedes Problem mit einem zehnminütigen Opus bedenken könnte.

Iggy Pops neue Lieblingsband

Also reißen Phoebe Lunny und Lilly Macieira auf ihrem sensationellen Debütalbum Who Let The Dogs Out (ja, der Titel hat wirklich was mit dem grausigen Song von den Baha Men zu tun) einfach elf Songs in knapp 30 Minuten runter und würgen alles hervor, was ihnen sonst im Halse stecken bleiben würde.

Ihr Sound springt derart kratzig und bissig aus den Boxen, dass man durchaus mal zurückzucken kann. Aber ihrer Energie, der kann man sich nicht entziehen. In den letzten Jahren konnten sie den Buzz um ihre Band mehr und mehr steigern, wurden von Iggy Pop seine „neue Lieblingsband“ genannt und konnten sich die Festivals, auf denen sie spielen sollten, zuletzt aussuchen. Ausgerechnet zwei der wichtigsten weltweit – SXSW und ihr Brighton-Heimspiel The Great Escape – sagten sie wieder ab, weil deren Macher:innen offen die israelische Regierung unterstützen.

„Es ist extrem wichtig, dass es noch politische Bands im Mainstream gibt“

So sind diese beiden Girls drauf. Offen, laut, ehrlich, true to the bone und lieber erfolglos, als ihre Ideale und Prinzipien zu verraten. Es kostet sie tausende von Pfund, aber sie hetzen weiterhin gegen Kapitalismus, Rassismus und Sexismus. „Es ist extrem wichtig, dass es noch politische Bands im Mainstream gibt“, betonen sie. „Wenn es diesen nicht mehr gibt, dann gibt es auch keine Möglichkeit mehr, aufzuklären und Politik zugänglich zu machen. Unser Ziel ist es, Veränderungen von innen heraus zu bewirken und gleichzeitig strategisch zu stören, wenn es möglich ist.“

Und um zu stören, muss man nun mal laut sein. Laut, aber vielleicht auch ein bisschen drüber. Das sind die beiden Lambrini Girls auf jeden Fall. Mit Who Let The Dogs Out pinkeln sie die letzte Glut des Brat Summer aus und rufen für 2025 die Cuntology aus – eine neue Ära, die mit ihrer Single Cuntology 101 begründet wurde. Der Song enthielt 32 Verwendungen des Wortes „Cunt“ und einen „C-U-N-T“-Cheerleading-Chant.

Eine neue cunty Ära

Cunty als Ausdruck wird von den beiden erfolgreich von den Männern zurückerobert, die es despektierlich, degradierend, sexistisch und beleidigend einsetzen. Für das Duo steht cunty dafür, zu lernen, loszulassen, Grenzen zu spüren, andere zu respektieren, aber eben vielleicht auch ein bisschen Sperma auf dem Hemd haben, hinter zu Mülltonnen vögeln und im Haus eines Freundes zu kacken. Wie brat also, nur auf die feine englische Punk-Art.

Das führt auf Who Let The Dogs Out zu einem wüsten Befreiungsschlag, der an die seligen Tage von Bikini Kill erinnert. In der Tat fällt es schwer, eine weitere Band zu nennen, die seither an dieses Niveau rangekommen ist. Zugleich sind die Lambrini Girls ein feministisches Gegengewicht zur Proll-Poesie der Sleaford Mods. Nur dass ein Frauenduo halt gleich mal unendlich viel mehr Dinge hat, über die es sich aufregen muss. Leider.

Wäre dieses Debütalbum vor einem Jahrzehnt erschienen, hätten viele der Texte Dutzende von Tattoo-Vorlagen und Shirt-Prints hervorgebracht: Cold resting bitch face, Don’t tell me to calm down oder Getting used to say no. Aber vor einem Jahrzehnt wäre es eben noch frech gemeint gewesen und irgendwie auch girlie. Diese Zeiten sind vorbei. Und die Lambrini Girls haben sie in Brand gesteckt. Mit dem gesamten Rest des Patriarchats.

Mehr Riot Girls im Circle Mag: