Hip-Hop-Legende Dr. Dre feiert seinen 57. Geburtstag. Wir gratulieren mit einem Blick auf sein Schaffen.
von Markus Brandstetter
… And when your album sales wasn't doing too good Who's the Doctor they told you to go see? (aus: Forgot About Dre, 2001)
Das Wort Hip-Hop-Mogul wird dieser Tage gerne inflationär gebraucht — sobald ein einigermaßen bekannter US-Rapper irgendein wie auch immer laufendes Business neben seiner eigenen Musik hat, wird dieses Wort in den Medien gerne bemüht, ohne dass es auch zwingend zutrifft. Bei Andre Romellé Young, unserem Geburtstagskind, ist dieses Wort jedoch völlig angemessen. Wir könnten auch die Begriffe Innovator oder Legende nutzen, nichts davon wäre zu hoch gegriffen. Dr. Dre hat mehrfach und immer wieder Hip-Hop-Geschichte geschrieben. Als Bandmitglied, als Solokünstler, Rapper, Beatmacher, Produzent, Entdecker und Förderer. Nicht zu vergessen: als Geschäftsmann und Partner von Jimmy Iovine (Stichwort: Beats-Kopfhörer).
Von N.W.A. zum Solokünstler
Dr. Dre wird am 19. Februar 1965 im kalifornischen Stadtteil Compton geboren. Lust auf Schule hat er schon früh keine mehr, die Lust auf Musik wächst hingegen stetig. Ein wichtiger Ort für ihn ist der Club The Eve After Dark in L.A., wo er seine Anfänge als DJ feiert. Dre nennt sich damals Dr. J, benennt sich aber schon bald in Dr Dre um. Dort lernte Dre auch einen gewissen Antone Carraby kennen, der sich später wiederum DJ Yella nannte — und gemeinsam mit Dre bei den genreprägenden N.W.A spielte. Diese kamen aber erst später — zunächst trat Dr. Dre mit der Gruppe World Class Wreckin’ Cru auf. Mit Gangsta-Image war damals noch nichts — dafür mit Glitzerlook und Make-up. So ganz wohl fühlte sich Dre aber weder mit der Musik noch mit dem Image der Band. 1985 stieg er aus. Ein Jahr später gründete er, gemeinsam mit Ice Cube, Eazy-E, Dj Yella und MC Ren N.W.A.
N.W.A existierten bis 1991, ehe man sich im Streit trennte. Im selben Jahr folgte die Gründung von Death Row Records. Die erste Veröffentlichung: Ein Track namens Deep Cover, der nicht nur ein Diss gegen Dres Ex-Bandkollegen Eazy-E war sondern auf dem auch erstmals einen jungen Mann namens Calvin Broadus alias Snoop Dogg zu hören war — eine von Dr. Dres wichtigsten Entdeckungen. 1992 ließ Dr. Dre dann erstmals unter seinem eigenen Namen einen Klassiker vom Stapel: „The Chronic“ erschien — eines der wichtigsten Rapalben der Geschichte. Eines, das den G-Funk definierte, einen Sound, der alles veränderte, der mehr mellow, melodischer war als reiner Gangsta. 1999 legte er mit dem Album 2001 nach — mit etlichen großartigen Hits wie Still D.R.E. oder Forgot About Dre.
Die Sache mit Detox
So richtig viele Solo-Alben hat Dr. Dre nicht gemacht. Nach 2001 kam ewig nichts — und immer wieder hieß es, der Musiker arbeite wie besessen an Detox. Dafür soll er mit den jeweils heißesten Namen der Szene zusammengearbeitet haben, fieberhaft daran gefeilt haben, zu beweisen, dass sein Sound, seine Beats, seine Raps immer noch aktuell sind. Und immer wieder wurde Detox verschoben, auch wenn es stets irgendwelche Augenzeugenberichte aus dem Studio gab. Detox war sowas wie Guns N’ Roses Chinese Democracy, mit dem Unterschied, dass das GNR-Album irgendwann tatsächlich erschien. Irgendwann gab’s dann doch ein neues Dre-Album, nämlich den Soundtrack zum N.W.A-Biopic Compton.
Abgesehen von seiner eigenen Solokarriere hat Dr. Dre auch etlichen anderen Künstlern zum Durchbruch verholfen. Allen voran Eminem. Für ihn bekam Dre anfangs einiges an kopfschüttelnden Reaktionen: ein weißer Rapper als Protege von Dr. Dre? Dieser ließ sich aber nicht beirren. Der Erfolg sollte ihm recht geben: die beiden feierten Riesenerfolge und wurden zum Dreamteam des US-Hiphop. Auch Snoop (Doggy) Dogg hat Dre eine Menge zu verdanken — nachdem er etliche Features auf The Chronic hatte, produzierte Dre auch Snoops Album Doggystyle. Auch am Erfolg von Kendrick Lamar war Dr. Dre maßgeblich beteiligt.
Dr. Dre der Businessmogul
Zuletzt wäre da natürlich noch die Partnerschaft zwischen Dr. Dre und Jimmy Iovine, die die beiden sehr, sehr reich machte. In Partnerschaft mit Monster Cables gründeten die beiden die Kopfhörerfirma Beats, die 2014 für drei Milliarden Dollar an Apple verkauft wurde. Das ist nicht die einzige Verbindung von Dre und Iovine — Iovine sorgte auch dafür, dass Dres Label Aftermath bei Interscope heimisch werden konnte. Wunderbar nachzusehen ist das alles in der Netflix-Doku The Defiant Ones. Dre hielt 25 Prozent an der Firma, durch den Verkauf wurde er um 750 Millionen Dollar reiche. Dre wurde damit laut eigenen Angaben zum ersten Milliardär des Rap.
Ein bisschen was dürfte auch 2022 in die Portokasse geflossen sein: Da trat er in der Halbzeitshow des Super Bowls auf — gemeinsam mit Snoop Dogg, Eminem, Mary J. Blige und Kendrick Lamar. Ein denkwürdiges Spektakel mit Dre als Conferencier. 2022 ist Dre längst der Elder Statesman of Hip-Hop, eine Produzentenlegende, dessen Hits auch Dekaden nach Erscheinen immer noch frisch klingen — und einer, mit dem man auch in Zukunft rechnen darf. Als Geschäftsmann, Produzent, Förderer — und wenn wir Glück haben auch wieder als Solokünstler.
Wir gratulieren dem Doktor!