Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.3.1986.
von Timon Menge und Christof Leim
Denkt man an das Wort „exaltiert“, schießt einem unweigerlich Falco in den Sinn. Das liegt einerseits an seiner Persönlichkeit, andererseits an seinem größten Hit: Im März 1986 gelingt ihm der Sprung auf Platz eins der US-Charts — mit einem deutschsprachigen Song. Das hat ihm bis heute niemand nachgemacht.
Hier könnt ihr euch Falco 3 anhören:
Los geht es schon viel früher: Am 19. Februar 1957 kommt Johann „Hans“ Hölzel in Wien zur Welt. Eigentlich hätte er einer von drei Drillingen sein sollen, doch seine Geschwister verliert Johanns Mutter Maria im dritten Schwangerschaftsmonat. Schon im kleinsten Kindesalter zeigt sich Johanns Begeisterung für die Musik, mit vier bekommt er einen kleinen Flügel geschenkt. In den Jahren danach übt er fleißig, findet heraus, dass er ein absolutes Gehör besitzt, und hört Platten von Elvis Presley und den Beatles.
Mit 17 entdeckt er die E-Gitarre, sattelt anschließend aber auf den E-Bass um, sein Lieblingsinstrument. Er beginnt ein Studium am Wiener Musikkonservatorium, bricht es allerdings schnell wieder ab. Stattdessen verschlägt es ihn nach Berlin, wo er sich als Jazz-Bassist durch die Musikszene spielt. Auf seinen Spitznamen kommt er am 1. Januar 1978: Im Fernsehen verfolgt er das Neujahrsspringen der Vierschanzentournee, an dem auch ein DDR-Skispringer namens Falko Weißpflog teilnimmt. Der Name gefällt Johann. Er beschließt, sich nach dem Wintersportler zu benennen, ändert die Schreibweise aber gleich in „Falco“, damit er das Pseudonym international nutzen kann. Ein großer Gedanke — doch er ist nicht umsonst.
Mit deutschsprachigem Rap in die US-Charts
Sein Single-Debüt bringt Falco am 12. Dezember 1981 auf den Markt. Der Kommissar gilt als erster kommerziell erfolgreicher Rap-Song eines Weißen und erreicht weltweit hervorragende Chart-Platzierungen. Auch in den USA gelingt bereits ein kleiner Hit, und Falco schafft es auf Platz 72 der Single-Charts. Bis dato war es nur den deutschen Elektro-Pionieren Kraftwerk gelungen, mit einem deutschsprachigen Stück in die Hitparade jenseits des großen Teichs einzusteigen. Doch Falco möchte nicht Zweiter sein.
Sein zweites Album Junge Roemer (1984) bleibt hinter den kommerziellen Erwartungen zurück. In Österreich gelingt zwar ein weiterer erster Platz, doch darüber hinaus steigt die Platte nirgendwo in die Charts ein. Falco stellt sein Team um, beendet die Zusammenarbeit mit Produzent Robert Ponger und engagiert stattdessen das niederländische Duo Rob Bolland und Ferdi Bolland. Das ändert alles. Ein Jahr später erscheint Falco 3 (1985) — und enthält den Urknall.
Falco an der Spitze?
Auf den Song Rock Me Amadeus kommt Falco durch den Kinofilm Amadeus (1984) von Milos Formans sowie durch einige Mozart-Biografien. Im Text beschäftigt sich unser Mann mit einem Gedankenspiel: Was wäre eigentlich passiert, wenn Wolfang Amadeus Mozart durch die Wiener Punk-Szene der Achtziger bewegt hätte? „Er war Superstar / Er war populär / Er war so exaltiert / Because er hatte Flair“, singt Falco über sich selb… äh… über Mozart — und landet damit den größten Hit seiner Karriere.
via GIPHYIn Europa erreicht die Single gleich Spitzenpositionen, in den Staaten dauert es etwas länger. Dort klettert Rock Me Amadeus Anfang 1986 Stück für Stück höher in die Charts, bis der Song am 29. März schließlich den ersten Platz erreicht — als erstes und bis dato letztes deutschsprachiges Lied überhaupt. Wenige Wochen später erreicht Rock Me Amadeus auch in Großbritannien den ersten Platz, Falco stehen alle Türen offen. Doch er schließt sie wieder.
„Ich habe es nicht getan.“
Nach Erscheinen seines vierten Albums Emotional (1986) tourt er durch Österreich, die Schweiz, Deutschland und sogar bis nach Japan. Wenige Monate später soll Falco in die Vereinigten Staaten fliegen, um dort an den großen Erfolg von Rock Me Amadeus anzuknüpfen und sich in den USA endgültig zu empfehlen. Doch den Österreicher plagen nicht nur Selbstzweifel, ob er seine Erfolge noch einmal toppen kann, sondern auch Heimweh. „Ich hätte oftmals Gelegenheit gehabt, nach Amerika zu gehen“, erzählt er später in einem Interview. „Ich habe es nicht getan, weil das Schönste an der amerikanischen Fahne die rotweißroten Streifen sind.“ Ab Ende der Achtziger verändert sich Falcos Karriere. Doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.