Die vierte EP von Elmiene klingt sanft und soulig, hat aber eine emotionale politische Message: Denn sie ist „For The Deported“ – und verneigt sich vor seiner Familie im Sudan.
Abdala Elamin aka Elmiene scheint es eilig zu haben: Erst Ende Oktober hatte er seine letzte EP Anyway I Can veröffentlicht, letztes Jahr auch bereits zwei EPs; da folgt nun schon die nächste: For The Deported. Warum auch warten, wenn es kreativ gerade läuft? Vor allem aber hat Elmiene auf For The Deported eine dringende Botschaft. Der Titel lässt schon vermuten, dass es politisch wird – stimmt auch: Die Songs sind vor allem dem Sudan gewidmet, aus dem seine Familie stammt.
Von D’Angelo zu Stormzy
Dabei sind bei der ersten Begegnung mit Elmienes Musik vielleicht gar nicht unbedingt die Texte das, was als erstes ins Auge (oder Ohr?) sticht. Seine Stimme ist dafür einfach zu fantastisch. Dass er nicht nur technisch krass singen kann, sondern darin auch Emotionen geradezu aus sich herausfluten lässt, führte vor drei Jahren zu seinem ersten viralen Moment: Elamin steht vor einer Garage und singt Untitled (How Does It Feel?) von D’Angelo. Die bewegende Performance führt dazu, dass der Musikproduzent Lil Silva ihn entdeckt und mit ihm an seinem ersten Song Golden arbeitet. Zuvor hatte Elamin noch nie einen Song geschrieben, aber nun war Elmiene geboren.
Dass bei ihrer Aufnahmesession für Golden der BBC-Radio-1-DJ Benji B begeistert hereinstolpert und den Song nach dem Release sofort in seiner Sendung spielt, sorgt für weitere Aufmerksamkeit. Auf einmal ist Elmiene auf einem Album von Stormzy an den Backing Vocals und arbeitet mit Künstler:innen wie Sampha.
Ähnlichkeiten mit Letzterem hört man übrigens auch in For The Deported. Beides sind großartige moderne Soul-Künstler mit fantastischen Stimmen und einem Ohr für abwechslungsreiche, sich anschmiegende Produktion. Während die Songs der EP mal folkig-rustikal instrumentiert sind wie auf Avalon, überraschen dann auch mal Elemente wie der Drumbeat in Grave News. Dieser klingt, als sei er gesampelt aus verschiedensten Aufnahmen, von Fingern, die auf Oberflächen klopfen bis hin zu metallischen Gegenständen, die aufeinandertreffen. In jedem Song schmiegt sich aber irgendwann ein warmes Keyboard oder ein sanfter Chor aus Backing Vocals ans Ohr.
Soul für den Sudan
Der erste Track The Deported ist simpel. Nur ein Klavier, das so dumpf klingt, als säße man darin, ein paar atmosphärische Field Recordings und Elmienes Stimme. Ein reduziertes Intro zur EP, das so den Fokus auf den Text legt: „Mother, hold me / Maybe you’re the only thing I have / Mother, hold me / Hold me in your memories and / Never hide me / Keep me free“. Dabei geht es nicht nur um Elamins leibliche Mutter, sondern auch um sein Heimatland, den Sudan. Auf Social Media postet Elmiene eine Performance des Songs und schreibt dazu: „Der Sudan ist der Grund, weswegen ich jetzt hier bin. Der Sudan ist der Grund, weswegen ich mich so musikalisch fühle, wie ich bin, oder weswegen ich so zur Poesie neige. Der Sudan ist ein Land mit viel Geschichte und Tragödie und Emotionen und einer sehr tiefen kulturellen Historie.“
Die EP ist für Elmiene eine Verneigung vor seiner ethnischen Herkunft. In einem NPR-Interview sagt er, es sei seine Mission, endlich über dieses Land zu sprechen: „Ich glaube, es gibt Geschichten aus dem Sudan, die nie erzählt wurden. Es ist ein Land, das noch nicht die Gelegenheit dazu hatte, jemals. Naja, das gilt für den Großteil Ostafrikas.“
Aktuell herrscht im Sudan ein Bürgerkrieg: politisches Chaos, die schwerste Hungersnot seit 20 Jahren, mehrere Millionen von vertriebenen Menschen. Diese Schrecken hört man im Song Open Light. Elmiene singt von Angst, Zerstörung, brennenden Häusern – und von Religion. Er ist ein sehr gläubiger Muslim, Zeilen wie „Will the lord send his feathers to hover?“ oder „Show me the way to prosper“ verdeutlichen das. Der Glaube ist in diesem Song das Asyl, das offene Licht, das das sudanesische Volk erlösen kann. Im Laufe des Songs wird Elmienes Stimme nur noch dringlicher und intensiver, immer mehr Instrumente kommen dazu, um verzweifelt auf den Moment der Erlösung hinzufiebern.
Emotionale Eloquenz
Emotional ist For The Deported in jedem Fall. Elmienes Musik soll schließlich ausdrücken, was in Worten schwer ist. In einem Interview mit Rolling Stone UK erklärt er, genau das sei, was er an Soul-Musik so liebe; die feinsten Momente des Genres „sprechen über das Ungesprochene und Ungesehene auf eine greifbare und so eloquente Art und Weise.“ Denn selbst wenn man nicht auf den Text achtet, die wunderbaren Harmonien und Akkordfolgen von Elmiene bewegen. Und Promise Me A Rose gegen Ende der EP ist so groovig, dass es schlicht glücklich macht.
Als EP istFor The Deported zwar recht kurz geraten, hinterlässt aber sowohl textlich als auch musikalisch einen starken Eindruck – liest sich gleichzeitig politisch und hochpersönlich; klingt gleichzeitig aufgewühlt und wohlig-warm.