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Foto: Fin Costello/Redferns/GettyImages

Frankenstrat: Die Geschichte von Eddie Van Halens Frankenstein-Gitarre

Auf keinem anderen sechssaitigen Instrument der Rockgeschichte klangen Tapping-Soli so schön wie auf einer ganz bestimmten roten Superstrat mit schwarz-weißen Streifen. Die Rede ist natürlich von Eddie Van Halens Frankenstrat, auch Frankenstein oder von Van Halen „mein Baby“ genannt.

von Markus Brandstetter

Die Meinungen, wer die erste tatsächliche Superstrat der Rock-Geschichte erschuf, gehen auseinander. Manche schreiben diese Pionierrolle Ritchie Blackmore zu, andere halten Michael Hampton von Parliament-Funkadelic für den Ersten – und wiederum andere sind überzeugt, dass Eddie Van Halen diesen Titel verdient. Die von Halen in den 1970ern gebaute Gitarre ist jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit die bekannteste Superstrat der Rockgeschichte.

Was sind eigentlich Superstrats?

Als Superstrats bezeichnet man Gitarren, die die Korpusform einer Fender Stratocaster haben, technisch aber so modifiziert sind, dass spielerische und klangliche Möglichkeiten entstehen, die man auf einer herkömmlichen Strat nicht hätte. Fixer Bestandteil einer Superstrat sind meist mehrspulige Tonabnehmer (Humbucker), die einen oder mehrere der einspuligen Tonabnehmer (Single Coil Pickups) der Strat ersetzen. Auch das Tremolo-System ist meist anders: So finden sich bei Superstrats oft Floyd-Rose-Systeme (zur Stimmstabilisierung mit Locking Nuts am Sattel ergänzt) anstelle des einfachen Fender-Vibratosystems.

Die Geschichte der Frankenstrat

Die Frankenstrat entstand laut Eddie Van Halen ungefähr im Jahr 1974 oder 1975. (Er selbst gab in unterschiedlichen Interviews beide Jahreszahlen an). Warum er sich selbst eine Gitarre baute, erklärte er in einem Interview so: „Ich hatte kein Geld … und die Gitarre, die ich wollte, existierte nicht”. Was Eddie wollte: einen Stratocaster-Körper mit den Charakteristika von Gibson-Gitarren zu verbinden. Den Korpus kaufte Van Halen im Geschäft von Wayne Charvel, dem Gründer der Gitarrenfirma Charvel. Charvel verkaufte damals, gemeinsam mit Lynn Ellsworth, Korpora und Hälse von Boogie Bodies als Ersatzteile. In Charvels Geschäft sah Van Halen einen Korpus rumliegen, der als sogenannter „Second“ gehandelt wurde, weil er optische Makel und Unreinheiten (in diesem Fall unter anderem ein Astloch) hatte. Van Halen war das egal und kam so günstig weg: Er zahlte 130 Dollar für den Korpus, weitere 50 Dollar legte er noch einmal für den Gitarrenhals drauf.

 
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Korpus und Hals hatte er nun also. Jetzt musste aus der Strat aber noch eine Superstrat werden. Dazu gehörte für Van Halen unter anderem den Single-Coil-Tonabnehmer der Bridge mit einem PAF-Humbucker von Gibson auszutauschen, der ursprünglich aus einer ES-335 stammte. Um Rückkopplungen zu minimieren, tauchte er diesen in Parrafinwachs.

Ursprünglich hatte Van Halens Frankenstrat noch ein Stratocaster-Tremolo, später wurde dieses durch ein Floyd Rose ersetzt. Damit dieses Tremolo auch wirklich hielt, steckte Van Halen eine Viertel-Dollar-Münze unter den Steg. Van Halen brauchte nur ein paar Tage, um die Gitarre zusammenzusetzen – und war laut eigenen Angaben gleich zufrieden mit seiner Schöpfung.

Die Lackierung

Auch das Farbdesign übernahm Van Halen selbst. Er lackierte den Korpus schwarz, klebte Klebestreifen drauf und lackierte anschließend weiß drüber. Zu sehen und hören ist die Frankenstrat in ihrer ursprünglichen Form auf dem selbstbetitelten Debüt-Album von Van Halen. Auch die erste Tour spielte Van Halen mit der Schwarz-Weiß-Lackierung.

 
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Später färbte er sie um – mit derselben Lackiermethode, diesmal aber in Rot, Schwarz und Weiß. Dafür nutzte er Schwinn-Fahrradfarbe. Im Gegensatz zur ersten Version fehlt der roten Frankenstrat auch das Pickguard, (das Eddie bei der ersten Inkarnation selbst ausgeschnitten hatte). Spricht man von Van Halens Frankenstrat, denkt man meist an diese Farbkombination.

Die Gitarre wurde zur Blaupause für zahlreiche Kopisten. Eddie versuchte, den Plagiatoren entgegen zu wirken, in dem er sie verwirrte: Mit einem Single-Coil-Tonabnehmer am Hals, der überhaupt keine Funktion hatte, da er nicht einmal angeschlossen war – auch ein Dreiweg-Schalter hatte nur dekorative Funktion.

https://www.udiscover-music.de/popkultur/zeitsprung-24-5-1988-erscheint-ou812-von-van-halen

Das Zwischenstück: Die Bumblebee

Ganz im Gegensatz zu Queen-Gitarrist Brian May, der im Laufe seiner Karriere nahezu immer auf seinem selbstgebauten „Red Special” spielte, nutzte Van Halen im Laufe der Jahre immer wieder neue Modelle von diversen Herstellern: Zunächst Charvel, später auch unter anderem Ibanez. 1996 veröffentlichte Peavy ein Van-Halen-Signature-Modell namens Wolfgang, die schon allein optisch nichts mehr mit der Frankenstrat zu tun hatte. Wer etwas tiefer in die Tasche griff, konnte sich im Laufe der Jahre auch Replikas von Van Halens Frankenstrat kaufen: Charvel veröffentlichte mehrere Replika-Modelle und auch Van Halens eigene Marke EVH veröffentlichte mehrere Nachbauten von Van Halens Originalmodellen.

 
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Übrigens lag zwischen der weißen Version der Frankenstrat und dem späteren Umfärben in die bekannte rote Version noch ein anderes Modell: die Charvel Hybrid VH2, auch Bumblebee genannt. Van Halen war genervt von all den Frankenstrat-Kopien, die zu dieser Zeit überall zu sehen waren – und war auch besorgt, dass das Original durch die dauernde Nutzung bald kaputt gehen könnte. So ganz zufrieden war Van Halen mit der Bumblebee schlussendlich aber doch nicht – also kehrte er zur Frankenstrat zurück.

Das Originalmodell der Bumblebee ist mit dem verstorbenen Pantera-Gitarristen Dimebag Darrell begraben. Van Halen, der vom Bruder des verstorbenen Musikers um eine Replik der Gitarre gebeten wurde, brachte auf die Beerdigung das Original mit. Mit dieser Grabbeigabe erwies er Darrell die letzte Ehre.