Ghost im „Impera“-Interview: „Ich hätte es geliebt, in einer Band wie Rush zu spielen“
popkultur11.03.22
„Wir erbauen unser neues Imperium aus der Asche eines alten.“ So kündigen Ghost ihr fünftes Album Impera an, das vollgepackt ist mit Ohrwürmern, orchestralen Klängen, Chören und jeder Menge harter Gitarren.
von Andrea Leim
Mit der Veröffentlichung der beiden Singles Call Me Little Sunshine and Hunter’s Moon hat die Band ihre Fans bereits auf das Werk eingestimmt, das am 11. März erscheint. Im Interview mit uDiscover erzählt Bandchef Tobias Forge, warum er überwiegend allein arbeitet, beschreibt das aktuelle Glücksgefühl auf der laufenden US-Tour und wie sich seine Geisteshaltung ändert, wenn er in die Rolle des neu eingeführten Papa Emeritus IV schlüpft.
Hier könnt ihr Impera hören:
Keine vier Jahre nach Prequelle erscheint das neue Ghost-Werk Impera. Wo liegt für dich der größte Unterschied zwischen den beiden Alben?
Bei den Aufnahmen von Prequelle ging es mir überhaupt nicht gut. Es gab zu viele Dinge in meinem Leben, die einfach nicht funktionierten, und das setzte mir extrem zu. Dafür war weltpolitisch eigentlich alles ganz ok und vergleichsweise stabil. Während der Arbeit an Impera war es genau anders herum: Mir ging es sehr gut, der Welt aber nicht. Und in meinem Augen spiegelt sich das auf der Platte wieder. Das Resultat sind 40 Minuten voll düsterem Rock, der sich um den Aufstieg und dem Fall von Imperien dreht.
Dass du über Imperien schreiben wolltest, wusstest du bereits 2014. Läuft das bei allen Alben von Ghost so? Hast du einen kreativen Masterplan?
Es ist eher Zufall, dass ich schon so früh wusste, worum es auf dieser Platte geht –genauso, wie es Zufall war, dass die Platte davor von der Pest handelt. Beide Alben verbindet, und das hatte ich bereits früh im Kopf, dass sie von Konflikten und Vernichtung handeln sollten. Was einen Masterplan angeht, kann ich verraten, dass ich jetzt schon weiß, um welchen Konflikt es auf der nächsten Scheibe gehen soll. Und ich habe bereits weitere Wunschthemen für die Zukunft im Kopf. Das unterscheidet mich vermutlich ein bisschen von anderen Bands. Viele Musiker*innen sagen: „Hier ist eine Sammlung von guten Songs, lass sie uns unter dem und dem Namen veröffentlichen.“ Fertig. Ich arbeite ich lieber mit einem Konzept. Der andere Weg ist dabei nicht schlechter als meiner. Ich bin einfach vom Typ her so, dass ich meine Arbeit gern unterteile, ich ordne Dinge gern, bin ein ziemlicher Kontrollfreak, und nach außen wirkt es manchmal so, als sei das ein Masterplan. Zum Glück wurde mir irgendwann ein Freifahrtschein in die Hand gedrückt, der es mir erlaubt, auf diese Art Geld zu verdienen. Ansonsten wäre ich nämlich einfach nur ein verdammter Hipster, der nichts gelernt hat.
Apropos Kontrollfreak: Ghost ist kreativ gesehen eine Ein-Mann-Show. Du machst fast alles allein. Was ist das Beste, was das Schlechteste an dieser Arbeitsweise?
Der große Vorteil liegt darin, dass man nicht so viel streiten muss. Zwar kämpfe ich immer wieder für meine Ideen, dabei geht es aber eher um Machbarkeit und Umsetzung. Wenn du allerdings in klassischen Bandstrukturen arbeitet, stößt du auf ganz anderen Widerstand. Da liegen die Streitpunkte dann nicht mehr in der Umsetzbarkeit, sondern darin, dass andere ihre Meinung haben und ihren Willen ebenso durchsetzen wollen wie man selbst. Wenn man richtig Pech hat, sind diese Menschen noch ganz alte, enge Freunde. Und genau solche Situationen können langjährige Beziehungen zerstören, so ging oder geht es unzähligen Bands. Natürlich gibt es auch die Ausnahmen von der Regel, Leute wie Rush zum Beispiel, die sowohl toll zusammen spielen können als auch gerne Zeit miteinander verbringen. Das ist großartig, aber die absolute Ausnahme. Ich hätte es geliebt, in einer Band wie Rush zu spielen, in einer vollkommen funktionierenden Gruppe mit meinen zwei besten Freunden. Aber so lief es leider nicht. Die Art von „Solo“-Künstler zu sein, wie ich es bin, ermöglicht es mir, viele Menschen um mich herum glücklich zu halten. Während ich an einem Album schreibe, beschäftigt sich meine Band mit anderen Dingen. Wenn wir dann aber zum Touren wieder zusammenkommen, freuen sich alle aufeinander.
Geht es euch jetzt gerade also so?
Aktuell bei unserer US-Tour mit Volbeat fühlt es sich sogar so an, als seien wir gemeinsam auf Hochzeitsreise, weil wir uns zusätzlich so sehr darüber freuen, überhaupt wieder touren zu können. Wir hängen zusammen rum, haben Spaß, es ist echt super! Und wenn wir uns dann wieder trennen, fahren wir in neun verschiede Städte in neun unterschiedlichen Ländern und leben dort unsere eigenen Leben.
Wenn Ghost touren, sind alle Beteiligten, auch die Mannschaft im Hintergrund, gleich angezogen. Warum?
Weil ich wollte, dass wir uniformiert sind. Es soll allen eine Art festliches Gefühl geben und herausstellen, dass es etwas Besonderes ist, Teil von Ghost zu sein. Als würden wir uns zu einem besonderen Dinner treffen, zu dem man sich eben schön anzieht.
Foto: Jimmy HubbardCardinal Copia ist zu Papa Emeritus IV aufgestiegen. Hast du dir schon überlegt, wie seine Zukunft aussehen wird?
Nein, das finde ich selbst noch heraus. Üblicherweise geschieht das ganz natürlich. Ich schätze mal, bis kommendes Jahr werde ich wissen, wie es mit ihm weitergeht. Ich bin da genau so gespannt wie alle anderen auch.
Wie lange brauchst du, um zu Papa Emeritus zu werden?
Alles in allem etwa eine Stunde.
Spürst du, wie sich währenddessen deine Stimmung und Geisteshaltung verändern?
Ja, auf jeden Fall. Er macht Dinge, sagt Dinge, die ich nie tun oder sagen würde. Und im Kontext der humoristischen Show finde ich das auch sehr befreiend. Ich denke nicht viel darüber nach, was ich auf der Bühne sagen werden, es passiert einfach. Manchmal bin ich selbst wie vor den Kopf gestoßen von den Dingen, die er von sich gibt. Es kommt sogar vor, dass ich erst am nächsten Tag von Äußerungen erfahre, weil ich mich nicht an sie erinnern kann. Ich bin sehr froh darüber, die Möglichkeit zu haben, meine Bühnenrolle einfach abzulegen. Diesen Luxus haben die meisten Rockstars, Schauspieler*innen oder auch Komiker*innen nicht.
Gab es eigentlich jemals Proteste von Gläubigen vor einer Ghost-Show?
Die kurze Antwort: Ja! Aber nicht häufig. Wir sind ja auch keine extreme Band, die ihre Fans dazu aufruft, sich umzubringen oder ähnliches. So etwas liegt uns ganz fern. Uns geht es darum, Menschen zu unterhalten, die unterhalten werden wollen, und nicht darum, jemanden wütend zu machen. Außerdem wissen TV- oder Radio-Priester mittlerweile, dass sie mit ihren Predigten gegen Musiker*innen oft das Gegenteil von dem erreichen, was sie erreichen wollen. Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren spielten wir in Odessa, einer kleinen Stadt in Texas, in einem mittelgroßen Theater. Es passten so etwa 1500 Leute rein, rund 700 Tickets waren aber nur verkauft. Der Veranstalter zeigte sich aber sehr zufrieden, denn seiner Einschätzung nach gab es in der Gegend gar nicht mehr Rockfans. Doch dann erzählte so ein Priester in seiner Radiosendung von uns, und behauptete, eine satanische Band sei in der Stadt, die vertrieben werden müsse. Tatsächlich aber verkauften wir 300 zusätzliche Karten! Sein Geschwätz war also vollkommen kontraproduktiv, und wir spielten eine richtig gute Show.
Du wurdest von deiner Mutter und deinem älteren Brüder erzogen und durftest schon früh auf Konzerte gehen. Wie gehst du als Vater mit dieser Thematik um?
Ich bin kein sehr strenger Vater, und meine Frau ist da sehr ähnlich, wobei man schon sagen kann, dass ich vermutlich allein schon wegen meiner Kindheit noch mehr erlaube als sie. Meine Kinder interessieren sich allerdings nicht für die Dinge, für die ich mich früher interessiert habe. Sie sind ziemlich modern, gehören zur typischen iPad-Generation, besitzen zum Beispiel weniger Geduld, einen gesamten Film zu schauen und stehen mehr auf kurze Snippets. Ich dagegen habe die meiste Zeit meines Lebens vor dem Fernseher verbracht und VHS-Kassetten eingelegt, um einen Film nach dem nächsten zu gucken. Und ansonsten habe ich Gitarre gespielt. Ghost ist, was es ist, weil ich in den Achtzigern aufgewachsen bin und all diese Filme und Geschichten aufgesogen haben. Alles, was ich heute tue, ist das Resultat von damals.
Dein Bruder Sebastian hat dich ganz besonders beeinflusst, was Musik und Kultur angeht. Allerdings starb er vor zwölf Jahren. Wie oft wünschst du dir, dass er Ghost sehen und erleben könnte, wie weit du gekommen bist?
Jeden Tag! Und irgendwie glaube ich daran, dass er zusieht. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich dazu verpflichtet fühle weiterzumachen. Weil ich schlicht die Möglichkeit dazu habe und sie aus diesem Grund so gut wie möglich nutzen will und nutze.
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