Mitte der Achtziger bricht in Seattle ein musikalisches Phänomen los, dessen spätere Ausmaße zu jenem Zeitpunkt noch niemand einschätzen kann. Das neue Genre trägt den Namen Grunge und wird die Musikwelt in den anschließenden Jahren von innen nach außen krempeln.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige unserer Grunge-Empfehlungen anhören:
Als die Grunge-Welle zu Beginn der Neunziger über die Erde rollt, erfährt die Rockmusik eine ihrer letzten großen Trendwenden. Das Genre löst den klassischen Metal und das viele Haarspray der Achtziger für einige Jahre ab und hinterlässt tiefe Spuren in der Popkultur. Wer nicht dabei war und keinen Plan hat, mit welchen Gruppen der Einstieg am besten gelingt, könnte zum Beispiel mit den folgenden zehn Empfehlungen loslegen.
1. Nirvana
Was den internationalen Erfolg betrifft, kann diese Liste von keiner anderen Band angeführt werden. 1987 legen Sänger und Gitarrist Kurt Cobain sowie Bassist Krist Novoselic unter dem Namen Nirvana los, 1989 erscheint das Debüt Bleach. Schlagzeuger Dave Grohl heuert erst ein Jahr später bei der Gruppe an. 1991 veröffentlicht das Trio den Meilenstein Nevermind und schlägt in die Popkultur ein wie eine Rakete. 1993 folgt In Utero, bis 1994 dominieren Nirvana das Grunge-Geschehen nach Belieben. Am 5. April desselben Jahres nimmt sich Kurt Cobain das Leben.
Anspieltipps: Smells Like Teen Spirit; Come As You Are; Lithium; Heart-Shaped Box; Rape Me
2. Alice In Chains
Auch Alice In Chains beginnen ihre Karriere im Jahr 1987. Den Namen entleihen die Gründer Jerry Cantrell (Gitarre) und Sean Kinney (Schlagzeug) einem früheren Glam-Metal-Projekt von Cantrell: Alice N’ Chains. Wo die Idee wohl herkam. Später stoßen auch Bassist Mike Starr und der 2002 verstorbene Sänger Layne Staley zur Gruppe. Ihre beiden größten Hit-Alben Facelift (1990) und Dirt (1992) schieben die Jungs aus Seattle der Einfachheit halber gleich vor, es handelt sich nämlich um ihre ersten beiden Platten. Aktiv ist die Band immer noch.
Anspieltipps: We Die Young; Man In The Box; Down In A Hole; Rooster; Would?
3. Pearl Jam
Pearl Jam um Frontmann Eddie Vedder ziehen 1990 nach, legen mit Ten (1991), Vs. (1993) und Vitalogy (1994) aber ebenfalls gleich zu Beginn ihre legendärsten Alben hin. Mit ihrem Erfolg kommen die Herren aus Seattle gar nicht mal so gut klar. Immer wieder sperren sie sich gegen übliche Praktiken des Musikgeschäfts, wie zum Beispiel Musikvideos oder Interviewtermine. Im Mai 1994 legt sich die Band sogar mit dem Konzetkartenhändler Ticketmaster an. Dennoch (oder gerade deshalb) haben Pearl Jam bis heute mehr als 85 Millionen Alben verkauft.
Anspieltipps: Alive; Jeremy; Even Flow; Last Kiss; Brain Of J.
4. Soundgarden
Soundgarden, ebenfalls aus Seattle, starten sogar schon 1984. Als erste Grunge-Band unterschreiben sie einen Plattenvertrag bei einem Majorlabel, doch der große Erfolg lässt bis zum Beginn der Neunziger auf sich warten. Ihren größten Wurf landet die Gruppe mit Superunknown (1994), das ohne Umschweife auf Platz eins der Charts einsteigt und zwei Grammys für die Songs Spoonman und Black Hole Sun abräumt. 1997 lösen sich Soundgarden auf, 2010 gibt es eine Reunion. Am 18. Mai 2017 nimmt sich Frontmann Chris Cornell das Leben.
Anspieltipps: Black Hole Sun; Spoonman; Fell On Black Days; Rusty Cage; Beyond The Wheel
5. Temple Of The Dog
Hinter dem Namen Temple Of The Dog verbirgt sich eine Grunge-Supergroup, die Soundgarden-Frontmann Chris Cornell 1990 aus der Taufe hebt. Er möchte damit seinem im selben Jahr verstorbenen Freund Andrew Wood von Malfunkshun und Mother Love Bone ein Denkmal setzen. Zum letzten Line-Up zählen Cornell selbst sowie Bassist Jeff Ament, Gitarrist Stone Gossard, Gitarrist Mike McCready, Schlagzeuger Matt Cameron und Sänger Eddie Vedder (als Gast), allesamt von Pearl Jam. Die Gruppe veröffentlicht nur ein einziges Album (Temple Of The Dog, 1991).
Anspieltipps: Hunger Strike; Say Hello 2 Heaven; Call Me A Dog; Times Of Trouble; All Night Thing
6. Stone Temple Pilots
Spätestens 1989 rumpelt der Grunge auch in Kalifornien los, denn in jenem Jahr finden die Stone Temple Pilots in San Diego zusammen. Im weiteren Verlauf ihrer Karriere widmet sich die Band auch anderen Stilrichtungen wie Psychedelic oder Classic Rock. In kommerzieller Hinsicht geht es immer wieder auf und ab, was nicht zuletzt mit den (sehr öffentlichen) Drogeneskapaden von Frontmann Scott Weiland zu tun hat. Aktiv ist die Gruppe auch heute noch, seit 2013 allerdings ohne Weiland, der im Dezember 2015 an einer Drogenüberdosis stirbt. Dennoch: Erst im Februar haben die Stone Temple Pilots die Akustikplatte Perdida veröffentlicht.
Anspieltipps: Interstate Love Song; Plush; Vasoline; Creep; Sex Type Thing
7. Screaming Trees
Die Screaming Trees zählen wieder zu den älteren Hasen der ersten Welle. Bereits 1985 finden Sänger Mark Lanegan, Gitarrist Gary Lee Conner, Bassist Van Conner und Schlagzeuger Mark Pickerel zusammen. Im Gegensatz zu ihren megaerfolgreichen Kolleg*innen bleibt die Band eher zurückhaltender, zählt aber zweifelsohne zu den Großen des Grunge, auch wenn sich im Sound der Truppe zusätzlich Einflüsse aus Hard Rock und Psychedelic finden. Nach ihrem letzten Studioalbum Dust (1996) finden die Screaming Trees nie wieder zu alter Stärke zurück und lösen sich 2000 schließlich auf.
Anspieltipps: Nearly Lost You; Shadow Of The Season; Dollar Bill; All I Know; Dying Days
8. Bush
Bush senden 1992 das eindeutige Signal: Grunge hat auch Großbritannien erreicht. Schon das Debüt Sixteen Stone (1994) zündet und verhilft den Briten zum Status einer der erfolgreichsten Rockbands der Neunziger. Ironie des Schicksals: In den USA feiern Bush große Erfolge, in ihrer Heimat bleibt die Gruppe deutlich unbekannter. Dort dominiert nämlich gerade der Britpop und Bands wie Oasis haben die Charts auf der Insel fest im Griff. Platten veröffentlichen Bush auch heute noch. Ihr achtes Album The Kingdom erschien im Juli 2020.
Anspieltipps: Glycerine; Comedown; Everything Zen; Swallowed; The Chemicals Between Us
9. Mudhoney
Mudhoney zählen zwar nicht zu den kommerziell erfolgreichsten Gruppen des Grunge, dafür aber zu den wichtigsten Wegbereiter*innen der Seattle-Szene. Mit ihrem rotzigen Sound beeinflussen die Musiker die ganze Stadt und legen einen großen Teil des Grundsteins für die gesamte Entwicklung des Genres. Das gleichnamige Debüt erscheint 1989, 1991 folgt Every Good Boy Deserves Fudge. Fast 30 Jahre später haben Mudhoney den Dienst immer noch nicht quittiert und veröffentlichen bis heute Alternative-Rock-Qualitätsware.
Anspieltipps: Suck You Dry; Touch Me I’m Sick; Sweet Young Thing Ain’t Sweet No More; Good Enough; Freak Momma
10. The Melvins
Die Melvins dürfen in einer Auflistung wie dieser keinesfalls fehlen, denn wenn irgendeine Gruppe während der Achtziger die Weichen Richtung Grunge stellt, dann diese Truppe um Frontmann Buzz Osborne. Schon 1983 legt die Band los, 1984 steigt Osborne ein. Mit ihrer gleichnamigen Debüt-EP und Alben wie Gluey Porch Treatments (1987) sowie Ozma (1989) stoßen die Melvins nicht nur die weitere Entwicklung des Grunge an, sondern auch gleich die des Sludge Metal, der ebenfalls ab den späten Achtzigern entsteht. Den Bandnamen entleiht die Gruppe einem unliebsamen Chef von Osborne.
Anspieltipps: Honey Bucket; Revolve; A History Of Bad Men; Goin’ Blind; Hooch