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Dave Grohl (l.) & Krist Novoselic (Foto: Frazer Harrison/Getty Images)

Zum 55. Geburtstag von Krist Novoselic: Der stille Hüne in der Einsamkeit

Es waren mal drei Freunde. Der erste ist tot, der zweite ein Weltstar. Und der dritte? Feiert fernab des Trubels seinen 55. Geburtstag auf einer Farm: Das Bohei um Nirvana war Krist Novoselic eigentlich immer zu viel. Lieber schon spielt er mit Johnny Cash oder vertont Gedichte. Ein Blick auf ein Rockstar-Leben im Ruhestand.

von Björn Springorum

Er ist buchstäblich der Größte: Mit seinen 2,01 Metern überragt Krist Novoselic seine Nirvana-Kollegen Kurt Cobain und Dave Grohl um einen knappen Kopf. Während aus Cobain der unfreiwillige Märtyrer der Grunge-Bewegung wurde, der suizidale Posterboy einer verlorenen Generation, während Dave Grohl nach dem Tod des Sängers mit den Foo Fighters weitermacht, ist Novoselic trotz seiner auffallenden Größe nie jemand gewesen, der in den Mittelpunkt strebt. Wenn, dann geschieht es meist unfreiwillig.

Redselig wird Novoselic meist nur, wenn er stoned ist, wie das eine oder andere Video unterhaltsam unter Beweis stellt. Überwiegend agiert er aber einfach als Fels in der Brandung, der insbesondere in der sehr körperlichen Frühphase von Nirvana gefragt ist, wenn das Publikum oder ein Security-Schläger mal wieder übermütig werden. Für irgendwas muss so eine kapitale Größe ja schließlich gut sein!

Zuhause im Höllenloch

1965 als Sohn kroatischer Einwanderer im kalifornischen Compton zur Welt gekommen, zwingen die explodierenden Immobilienpreise im Großraum Los Angeles die Familie Novoselic dazu, 1971 nach Aberdeen im nordwestlichen Washington überzusiedeln. Gentrifizierung ist überall! Nachdem er 1980 für ein Jahr nach Kroatien geschickt wird, kommt er wieder, ein 16-jähriger Junge, der fließend kroatisch spricht, aber in den USA doch wieder von vorn anfangen muss. Er zieht sich in die Musik von Led Zeppelin und Black Sabbath zurück, entdeckt später auch die Sex Pistols und die Ramones. Was man eben so mcht als Teenager in einem Kaff, das früher als Hellhole of the Pacific bezeichnet wurde.

Fäkalien und Creedence Clearwater Revival

Seine Faszination für die lokalen Weirdos der Melvins bringt ihn eines Tages mit Kurt Cobain zusammen. Der ist eigentlich ein Kumpel von Novoselics jüngerem Bruder Robert, hängt aber sehr bald nur noch mit Krist ab. Es wird dennoch viele Monate dauern, bis sich Novoselic endlich mal dazu durchringen kann, das Demo-Tape von Cobains geschmackvoll Fecal Matter getaufter Punk-Band anzuhören. Ihm gefällt, was er hört, er und Kurt gründen eine Band. Eine Woche später ist wieder Schluss. Läuft doch nicht so. Sie raufen sich aber wieder zusammen, als sie hören, dass die Melvins 80 Dollar pro Show einsacken. Sorry, Leute, aber Punk ist das nicht gerade! Das, was jetzt kommt, auch nicht: Eine Creedence-Clearwater Revival-Coverband, bei der Cobain trommelt und Novoselic Gitarre und Gesang übernimmt. Zuhülf!

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Irgendwann raufen sie sich zwar zusammen und nehmen mit dem Drummer Chad Channing das Nirvana-Debüt Bleach auf. Aber so ganz läuft es dennoch nicht. Buzz Osborne, der Strubbelsänger der Melvins, kann sich das offensichtlich auch nicht länger ansehen: Er schickt die beiden zu einem Konzert der Punk-Band Scream, bei der ihnen sofort dieser wie irre auf seine Drums einprügelnde Schlagzeuger auffällt. Es ist, klar, Dave Grohl. Grohl ist der fünfte Schlagzeuger, an dem sich Novoselic und Cobain versuchen. Derart große Probleme mit dem Auffinden des richtigen Galeerentrommlers hatten vor ihnen wohl nur die Beatles.

Johnny Cash und Paul McCartney

Der Rest ist schnell erzählt: Nevermind, Weltruhm, In Utero, noch mehr Weltruhm, am 5. April 1994 das abrupte Ende der erfolgreichsten und wichtigsten Band einer ganzen Generation. Während Grohl mehr oder weniger direkt mit den Foo Fighters weitermacht und das selbstbetitelte Debüt im Alleingang einspielt, zieht sich Novoselic zurück. Mit Sweet 75 und Eyes Adrift gründet er zwei Bands und veröffentlicht jeweils eine Platte; mehr als halbherzige Beschäftigungstherapien sind die aber nicht.

Viel eher sein Ding sind Kollaborationen mit anderen Künstlern, kurzzeitige Engagements ohne große Verpflichtungen, ohne Rummel und Crowds von 50.000 austickenden Fans. Er spielt mit Johnny Cash und mit Paul McCartney, hilft auch mal seinem alten Buddy Dave Grohl mit seinem Akkordeon aus. Er macht Musik, wann und mit wem er möchte. Kein Druck, keine Verträge, vor allem keine langen Tourneen. Bei seiner Körpergröße ist eine Reise im Tourbus ja auch ungefähr so angenehm wie lebendig begraben zu werden.

Vor allem aber nutzt Novoselic die Zeit seit dem Ende von Nirvana für seinen politischen Aktivismus. Seit der High School interessiert ihn die Politik, er unterstützt Barack Obama, obwohl er bald danach genug von den Demokraten hat. Das Zwei-Parteien-System sei zu sehr Top-Down, meint er, und setzt sich seither für grundlegende politische Reformen ein. Alles ohne Hektik und mit der gegebenen Ruhe eines Mannes Mitte 50, der schon mit 30 alles erreicht hat, was man in diesem Business erreichen kann. Und ein bisschen mehr.

Entsprechend tiefenentspannt lebt er mit seiner Frau Darbury Ayn Stenderu auf einer Farm bei Deep River in Washington. Das muss man sich so vorstellen: Wald, Wiesen, noch mehr Wald, Seen und irgendwo mittendrin ihre Farm. Hier beobachtet Novoselic Vögel, vertont Texte von Walt Whitman mit der Lagerfeuergitarre, denkt nach und erntet ganz bestimmt auch an seinem heutigen 55. Geburtstag das Gemüse, das sie hier selbst anbauen. Ah, Rockstar im Ruhestand müsste man sein.