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Zeitsprung: Am 22.10.1969 erscheint Led Zeppelin II.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 22.10.1969.

von Max Röbel und Christof Leim

Wir schreiben das Jahr 1969. Die letzten Woodstock-Besucher sind gerade von ihrem LSD-Trip erwacht, und auf einem alten Plattenspieler besingen The 5th Dimension das Zeitalter des Wassermanns. Doch die Hippie-Ära sieht ihrem Ende entgegen. Jenseits des Atlantik, im Land des ewigen Schlechtwetters (Großbritannien), braut sich eine dunkle Offenbarung für alle zusammen, deren härteste Platte im Regal bis dato den Titel Sunshine Superman trägt. 

Diese Offenbarung heißt Led Zeppelin, mischt auf ihrem neuen Album Explosions- mit Orgasmusgeräuschen und malträtiert ihre Gitarren regelmäßig mit einem Geigenbogen. Am 22. Oktober 1969, gerade einmal zehn Monate nach dem ersten Album, erscheint Led Zeppelin II.

Hier könnt ihr euch Led Zeppelin II anhören:

Nachdem Led Zeppelin in den britischen und US-Charts eingeschlagen war wie man es von einem „Blei-Ballon” vermuten würde, finden sich die vier Briten um Gitarrist Jimmy Page auf dem Rücken eines kommerziellen Aufwinds wieder. Schon vor der Veröffentlichung der Platte hatte die Band auf Druck ihrer Plattenfirma Atlantic mit den Arbeiten am Nachfolger begonnen.

Eisen schmieden, schnell

Während das Quartett zwischen Januar und August 1969 also sage und schreibe vier Europa- und drei US-Tourneen spielt, geht es zwischendurch immer wieder an die Aufnahmen, sobald sich auch nur die kleinste Gelegenheit bietet. Verschiedene Studios in Amerika und Europa werden an freien Tourtagen in Beschlag genommen. Zwischen Shows, Fernsehauftritten und Groupie-Eskapaden bleibt zwar nicht viel Zeit, doch das neue Album soll bereits im August erscheinen. Insbesondere Bandleader Jimmy Page stürzt sich wie ein Besessener in die Arbeit. Toningenieur Eddie Kramer, der bereits mit Jimi Hendrix an Electric Ladyland gearbeitet hatte, wird später Pages klare Vorstellung von der Produktion und seine „laser-artige” Konzentration im Studio hervorheben.

Zwei Alben in einem Jahr, beide großartig: Led Zeppelin 1969 - Foto: WMG

Die harte Arbeit zahlt sich aus. Mit zweimonatiger Verzögerung erscheint das zweite Album der frisch gebackenen Rockstars am 22. Oktober 1969. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Mit Led Zeppelin II stürmen Page, Robert PlantJohn Bonham und John Paul Jones sowohl die britischen als auch die amerikanischen Charts, verdrängen dort selbst die Beatles vom ersten Platz und halten sich in Großbritannien gestandene 138 Wochen in den Charts. Auch in Deutschland steht die II an der Spitze. Einzig die Fachpresse äußert sich den Briten gegenüber zunächst skeptisch. Im Dezember 1969 kommentiert John Mendelsohn für den Rolling Stone, das Album wirke „wie ein einziger drückender Song, den man über zwei komplette Seiten [einer Schallplatte] gezogen hat”.

Mit flinken Fingern in der Blues-Kiste

Gleichzeitig sehen sich die Londoner Posterboys immer wieder mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Nicht zu Unrecht, wie sich in den kommenden Jahren herausstellt. Auch für Led Zeppelin II klaut die Band, wo es nur geht, am liebsten bei den Großmeistern des Blues: Textschnipsel von Howlin’ Wolfs Killing Floor und Robert Johnsons Travelling Riverside Blues für The Lemon Song, fast das komplette Stück im Fall von Sonny Boy Williamsons Bring It On Home - die Bandbreite der Nachahmung reicht von Inspiration bis Cover. 

Den Text und die Phrasierung für Whole Lotta Love adaptiert Robert Plant vom drei Jahre zuvor erschienen Small Faces-Lied You Need Loving, der wiederum auf Muddy Waters’ You Need Love basiert. Waters selbst hat die Idee angeblich von Willie Dixon. Spätestens hier zeigt sich, dass auch die Urväter des Blues einen beizeiten recht kreativen Umgang mit dem Urheberrecht pflegten. Dennoch: Genannt werden die zumeist schwarzen Künstler auf dem fertigen Led-Zeppelin-Album nicht. Erst später erwirken Howlin’ Wolf (bürgerlich Chester Burnett) und Willie Dixon ihre Namensnennung auf zukünftigen Pressungen per Gerichtsverfahren.

Sexmusik der Zukunft

Gitarrist Jimmy Page und Sänger Robert Plant scheinen die Anschuldigungen nicht so ganz ernst zu nehmen und leugnen die Plagiatsvorwürfe oft gar nicht erst. „Wir haben das gemacht, was alle anderen gemacht haben”, kommentiert Plant 1990. Dass Led Zeppelin aus dem, was bereits da war, etwas gänzlich Neues geschaffen haben, werden dagegen die wenigsten bestreiten. Um es mit Bandbiograf Mick Wall zu sagen: “Das hier war keine respektvolle Hommage an die Vergangenheit. Das war die urzeitliche Sexmusik der Zukunft.”

Auch heute, mehrere Dekaden später, wirkt das Album nach. Led Zeppelin II, mittlerweile mehr als 14 Millionen Mal verkauft und auf zahllosen Bestenlisten vertreten, ist ein unbestrittener Klassiker. Die Platte wird gemeinhin sogar als die Blaupause für das gehandelt, was später Heavy Metal werden würde. Mit ihren tiefen, fuzzgetränkten Grooves, einer ungeheuren Durchschlagskraft und einem unbedingten Fokus auf das vielbeschworene Riff haben Led Zeppelin zweifellos den Grundstein für die harte Musik der folgenden Jahrzehnte gelegt.