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Foto: ullstein bild Dtl./Getty Images

Niccolò Paganini: Teufelsgeiger, Rockstar und Prototyp eines Virtuosen

Am 27. Oktober 1782 wird mit Niccolò Paganini einer der größten Violinisten aller Zeiten geboren. Was das mit Rockmusik zu tun hat? Ziemlich viel sogar!

von Markus Brandstetter

Gut, man kann sich jetzt streiten, ob Niccolò Paganini (1782-1840) tatsächlich der erste richtige Rockstar der Musikgeschichte war — denn nicht nur nach der Geschichtsschreibung von Falco (siehe: Rock Me Amadeus) fällt Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) diese Rolle zu. Eines steht aber fest: Paganini, der als „Teufelsgeiger“ in die Geschichte einging, war für etliche Protagonisten der Rock- und Metalwelt (die ja durchaus immer wieder Schnittmengen zur Klassik zeigt) ein viel wichtigerer Einfluss als Mozart — und lieferte mehrere Jahrhunderte vor Yngwie Malmsteen & Co. die Blaupause für exzessives Virtuosentum.

Ein kurzer Blick auf Paganinis Leben

Wir wollen hier jetzt nicht allzu detailversessen auf Paganinis Biografie eingehen — aber ein paar Punkte herausheben, die ihn zum Prototypen eines Virtuosen machen, dem auch jede Menge fast schon rockstarhafte Mythologie (oder sollen wir sagen: Seemannsgarn?) anhängt. Fakt eins: Paganini war so virtuos, dass man damals behauptete, seine Mutter hätte die Seele ihres Kindes an den Teufel verkauft. Die Sache mit dem Teufelspakt gab es also schon lange vor dem Blues! Tatsächlich dürfte es aber in erster Linie zweifellos auch an dem strengen Regiment seines Vaters Antonio Paganini gelegen haben. Der soll seinen Sohn nämlich seit frühester Kindheit gedrillt haben. Paganini Senior gab ihm Geigenstunden, zwang ihn zum stundenlangen, disziplinierten Üben — und verweigerte ihm das Essen, wenn er mal nicht fleißig genug war. Ein Schicksal, das seine späteren Shredder-Kollegen der 1980er-Jahre glücklicherweise nicht teilten!

Paganini selbst zeigte von Anfang an große Lust am Experimentieren, lotete neue Klänge auf seinem Instrument aus. Nicht nur auf der Violine, auch auf der Gitarre war er extrem versiert. Er war definitiv kein reiner Autodidakt, historische Quellen belegen, dass er immer wieder Unterricht hatte, so nahm er auch Kompositionsstunden, dennoch soll er sich vieles selbst beigebracht haben. Paganini kam — im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zeitgenossen — schon zu Lebzeiten zu Ruhm. Er wurde Konzertmeister in Lucca, Kammervirtuose und Operndirektor. Er war in den Jahren ab 1810 durchgehend auf Konzertreise, zunächst in Italien, später auch in Deutschland, Polen, Frankreich und Großbritannien. Wenn er seine wilden Läufe, Staccatos und Pizzicatos spielte, jubelte ihm die (für damalige Verhältnisse große) Menge frenetisch zu. Paganini wurde verehrt und gefeiert — lief also bei Niccolò!

Und was hat das jetzt mit Rockmusik zu tun?

Man muss nicht lange suchen, bis man Paganinis Einfluss in der Rockmusik — vor allem in der Welt der Gitarrenvirtuosen — finden kann. Gitarristen wie Uli Jon Roth oder Ritchie Blackmore  ließen sich von klassischer Musik und konkret von Paganini inspirieren, adaptierten auf gewisse Art Teile seine  Spielweise. Der schwedische Virtuose Yngwie Malmsteen — einer der wichtigsten und prägendsten Vertreter des neoklassischen Metal, erzählte einmal, dass er über den Rock zur Klassik kam — und in der Musik und der Spielweise Paganins das fehlende Puzzleteil fand. „Ich ging direkt zur Quelle und fing an, Bach und Vivaldi und schließlich Nicolo Paganini zu hören. Mein ganzer Stil basiert auf der klassischen Barockmusik und der virtuosen Geige von Nicolo Paganini. Das ist es, was ich mit Marshall-Stacks und Stratocasters mache“, so Malmsteen 2014 im Interview mit Georgia Straight.

Zum einen ist da die wilde Spielweise, die schnellen, virtuosen Läufe.  Die Klangästhetik, die Kompositionsweise — aber auch der Klang. Die E-Gitarre sollte klingen wie eine Violine, die Legato-Läufe sorgten in Kombination mit der Verzerrung für eine flüssigen, fast geigenartigen Sound. Paganinis späte Schüler spielten lange, wahnsinnig schnelle Gitarrenläufe und Arpeggios, die klangen, wie aus einem Guss.

Malmsteen, Roth und Blackmore sind aber längst nicht die einzigen Virtuosen, die den Geist Paganinis aufleben lassen. Einer, der Paganini ebenfalls kanalisierte, ist Jason Becker. Legendär ist Beckers Performance des Stücks Paganini’s 5th Caprice aus einem Lehrvideo.

Auch erwähnt sei hier das Stück Paganini Paraphrase von Uli Jon Roths Album Transcendental Sky Guitar.

Paganini war also besonders für die Virtuosen und Shredder der 1970er- und speziell 1980er-Jahre ein wesentlicher Einfluss — und sucht man auf Amazon nach Gitarrenbüchern für jene Vorlieben, findet man unter anderem Bücher mit Titeln wie Shredding Paganini: Heavy Metal Guitar Meets 9 Masterpieces by Niccolo Paganini oder Speed Metal: Neo-Classical Styles from Paganini, Bach to Rock.

Wer sich also in die spielerisch höchst anspruchsvolle Schlucht der neoklassischen Metalgitarre werfen möchte, kommt an Niccoló Paganini nicht vorbei!

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