Als Linkin Park am 19. Mai 2017 ihr poppiges siebtes Album One More Light veröffentlichen, machen sich die Kalifornier damit nicht nur Freunde. „Ausverkauf!“, schallt es aus der Fan-Gemeinde und aus der Musikpresse. Chester Bennington fühlt sich durch die Vorwürfe persönlich angegriffen und rastet mehrfach öffentlich aus. Leider handelt es sich um sein letztes Album mit Linkin Park: Am 20. Juli 2017 nimmt er sich mit nur 41 Jahren das Leben.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch One More Light von Linkin Park anhören:
Es muss ärgerlich sein, wenn man fast zwei Dekaden Musikkarriere hinter sich hat, bereits seit Jahren im Geld schwimmt und plötzlich öffentlich des Ausverkaufs bezichtigt wird. Als Linkin Park im Jahr 2017 ihr siebtes Album veröffentlichen, stoßen sie damit viele alte Fans vor den Kopf. Zugegeben, One More Light klingt deutlich poppiger als die meisten Alben der Band. Doch die Kommerzvorwürfe kann Frontmann Chester Bennington nicht stehen lassen und flippt öffentlich aus. Tauchen wir ein in die Geschichte einer Platte, die sich leider als Benningtons Abschied entpuppt.
Die entscheidende Personalentscheidung treffen Linkin Park schon 2013: Nach drei Alben mit Produzent Rick Rubin möchten die Musiker eigene Wege gehen und produzieren ihr sechstes Werk The Hunting Party auf eigene Faust. An den Schiebereglern sitzen Gitarrist Brad Delson und Multitalent Mike Shinoda, die für die Platte mit recht hartem Material hantieren. So klingt gleich der Opener Keys To The Kingdom nach jeder Menge Punkrock, bevor Linkin Park den Laden mit Songs wie War, Wastelands und A Line In The Sand vollends auseinandernehmen. Die große Umorientierung folgt ab 2015.
One More Light: „In gewisser Weise sehr ausgefeilt“ Die ersten Ideen für One More Light kommen Mike Shinoda auf der Hunting Party-Tour, zunächst hält er sie auf seinem Smartphone fest. Gleich nach der Konzertreise starten Linkin Park ins Songwriting und lassen sich dabei von allen Seiten inspirieren, wie Shinoda in einem Interview mit dem neuseeländischen Moderator Zane Lowe verrät: „Das Album ist eines unserer facettenreichsten. Man findet auf diesem mehr Genres als auf all unseren anderen Platten. Harte Gitarren gibt es nicht so oft. In gewisser Weise ist das Album sehr ausgefeilt.“ Doch Linkin Park ernten viel Kritik für One More Light.
Als das Album am 19. Mai 2017 erscheint, zeigen sich sowohl Kritiker:innen als auch Fans alles andere als begeistert. Das britische Musikmagazin NME bezeichnet One More Light als „schwachen und gekünstelten Werbegag“, Neil Z. Yeung von AllMusic vermisst die emotionale Aufladung, die alle bisherigen Linkin-Park-Alben ausgemacht hatte. Auch die Fans der Gruppe können One More Light nicht mehr allzu viel abgewinnen, kein Album von Linkin Park verkaufte sich schlechter. Wo viele Musiker*innen behaupten, dass die öffentliche Wahrnehmung keinen Einfluss auf sie habe, reagiert Chester Bennington ziemlich ungehalten auf die Vorwürfe.
„Wir können uns gerne draußen treffen“
„Wenn du zu den Leuten gehörst, die denken, dass wir dieses Album aus Marketing-Gründen aufgenommen haben, um Geld damit zu verdienen, können wir uns gerne draußen treffen und ich haue dir eins in die Schnauze“, wütet Bennington in einem Interview mit dem britischen Musikmagazin Kerrang!. Auch Mike Shinoda weist die Vorwürfe im selben Interview von sich und erklärt, es sei nicht sein Stil, Musik zu schreiben, um damit mehr Geld zu verdienen. Bennington unterstreicht, dass er sich deshalb so über die Kritik ärgere, weil er sie als persönlichen Angriff werte.
Wenig später meldet sich auch Slipknot-Frontmann Corey Taylor zu Wort und richtet folgende Ansprache an Bennington: „Sei froh, dass die Leute immer noch kommen, um dich zu sehen und zu hören. Gebt der Sache ein wenig Zeit.“ Daraufhin lenkt Bennington ein: „Ich stimme ihm zu. Ich schätze unsere Fans sehr. Ich bin auch nur ein Mensch und nehme Dinge manchmal zu persönlich. Die meisten unserer Fans waren in letzter Zeit sehr positiv gestimmt. Einige … nicht so sehr. Es gibt viel Leidenschaft auf beiden Seiten und ich bin all unseren Fans dankbar.“ Die Wogen scheinen geglättet — doch dann ändert sich alles.
Rest in peace, Chester Bennington
Als die Welt am 21. Juli 2017 erwacht, ist Chester Bennington bereits tot. Mit gerade einmal 41 Jahre hat sich der Musiker und sechsfache Vater das Leben genommen, nur wenige Wochen nach seinem guten Freund Chris Cornell. Genau wie Cornell kämpfte Bennington sein ganzes Leben lang mit Depressionen und Drogensucht, immer wieder holten seine Dämonen ihn ein. Durch seinen Tod herrscht traurige Gewissheit: Es handelt sich bei One More Light um das letzte Linkin-Park-Album mit Chester Bennington. Ruhe in Frieden.
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