Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.4.2000.
von Victoria Schaffrath und Christof Leim
Sie erzählen vom kaputten Zuhause und kriechen irgendwo zwischen Engeln und Insekten umher: Am 25. April 2000 erscheint mit Infest das zweite Album von Papa Roach und konfrontiert uns mit der rohen Emotionalität der Kalifornier. Damit trifft die Gruppe den Zahn der Zeit, mit dem Hit Last Resort verleihen sie einer neuen Generation an Rockfans eine Stimme.
Hört euch hier Infest an:
Das Jahr 2000 ist eine gute Zeit für wütende Kerle und Kerlinnen. Chester Bennington von Linkin Park, Fred Durst von Limp Bizkit und Jonathan Davis von Korn schreien schon seit einer Weile in die Mikrofone der Musikwelt und starten so nach und nach die nächste Welle nach Grunge. Nu Metal nennt sich die Kiste, die weltweit zugeknallte Kinderzimmertüren und ranzige Clubnächte untermalt. Völlig zu Recht: Die Bands mischen frech Hip-Hop-Elemente mit Metal-Sounds und kombinieren diese mit unerhört launigen Pop-Melodien.
Papa Roach auf dem Basketballfeld ihrer alten Schule, 2000. Foto: Patrick Ford/Redferns/Getty ImagesEbenfalls bemerkenswert ist die emotionale Qualität der Texte. Was im Grunge begann, führt diese Welle der Rock-Revolution noch weiter und kotzt uns die seelische Selbstoffenbarung regelrecht vor die Füße. In dieser Riege ganz vorn mit dabei befinden sich Jacoby Shaddix, Jerry Horton, Tobin Esperance und Dave Buckner, auch bekannt als Papa Roach. Der Name liefert auch das Programm für ihre Musik: Als Stellvertreter aller niederer Lebensformen kreuchen sie seit 1993 durch die Clubszene von Kalifornien.
Unkaputtbar, wie die Namensgeber
Die Inspiration für den Namen liefert Shaddix’ Stiefgroßvater, dessen Nachname Roatch lautet. Ähnlich der ungeliebten Krabbeltiere hat es auch die Gruppe zunächst nicht leicht: Ein erster Plattenvertrag mit einem der großen Labels kommt selbst nach selbstproduziertem Erstalbum und mitfinanzierter Demoscheibe nicht zustande. Und das, obwohl sie nach einigem Hin und Her sogar den Über-Produzenten Jay Baumgardner (Bush, Drowning Pool, Three Days Grace) für sich gewinnen konnten. Der kommentierte: „Ich dachte zunächst, dass wir nicht zusammen kämen. Aber dann sah ich Aufnahmen aus einem Club. Die Kids dort rasteten völlig aus und kannten jeden Song auswendig. Da wurde mir klar, dass die Band Potenzial hatte.“
Das genannte Demo enthält auch die zarte Ballade Last Resort. „Als Songwriter feuerte ich damals auf allen Zylindern“, erinnert sich Shaddix. „Einer meiner besten Freunde hatte versucht, sich umzubringen, während wir zusammenwohnten. Das war ein traumatisches Erlebnis. Ich singe das Lied dann aber aus der Ich-Perspektive, weil… na ja, so schreibe ich halt.“
Roh und gewaltig
Der Song trifft bei seiner Zweitveröffentlichung im Rahmen von Infest ganz klar einen Nerv: Vielleicht liegt es am rohen Text oder den klanglichen Anleihen vom Wu-Tang Clan oder den Fugees, Last Resort lässt Rockfans weltweit aufhorchen. Das Establishment kann Begriffe wie „Suizid“, „Ersticken“ oder „Fuck“ natürlich schwer bis gar nicht ertragen und zensiert, was der Rotstift hergibt. Das feuert die Popularität des Songs wiederum noch mehr an, sodass er dem Album irgendwann zu dreifachem Platin verhilft. Auf YouTube gibt es heute nur die zensierte Version in Gänze.
Diesem Rezept vertraut man, also schießt man Broken Home als Zweitsingle hinterher. Auch dieser Song war bereits auf dem Demo erschienen und festigte mit der Nachfolge-Single Between Angels And Insects den rebellischen Ruf des Quartetts. Mit dieser Fanbase im Nacken und einem Video für Last Resort im Kasten geht es im Sommer 2000 auf das Ozzfest und die Warped Tour sowie ins Vorprogramm von Eminem, Xzibit und Limp Bizkit.
Zeitgeist der Zweitausender
Eine Platzierung auf den beliebten Soundtracks zu den Skate-Spielen von Tony Hawk und das 2002 veröffentlichte Lovehatetragedy machen klar, dass Papa Roach gekommen sind, um zu bleiben. Ihre Wurzeln vergessen die Kakerlaken bei all dem Erfolg nicht: Im Booklet von Infest danken sie den DJs von 98 Rock, einer Radiostation in der Heimat, die ihre Werke erstmals in den Äther gesendet hatte und der Gruppe so zu mehr Bekanntheit verhalf.
https://twitter.com/paparoach/status/1251526099005321218?s=20Die Single Last Resort bleibt untrennbar mit dem Erfolg von Infest verbunden, was auch Shaddix einsieht: „Das ist unser Klassiker.“ Natürlich fällt irgendwann auf, dass eines der Riffs doch sehr an Hallowed Be Thy Name von Iron Maiden erinnert, aber das kann bei manchen Fingersätzen eben passieren. Auch der Rest der Platte erfährt genau zwei Dekaden nach Veröffentlichung Liebe von seinen Urhebern: Zum 20-jährigen Jubiläum gibt es „ein paar wirklich coole Dinge, die wir im Studio mit den alten Aufnahmen veranstaltet haben. Wir werden dieses Album feiern.“