Die Queens Of The Stone Age haben sich über die Jahre ihre ganz eigene Nische geschaffen, in der sie gut sichtbar und im Prinzip konkurrenzlos agieren und sich austoben können. Das liegt zum einen an einem flexiblen Cast aus hochdekorierten Musikern, zum anderen am Können von Bandkopf Josh Homme. Die QOTSA-Saga begann natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern im Wüstenstaub von Kalifornien.
von Michael Döringer
Nach dem Ende der Stoner-Rock-Legenden Kyuss formt Josh Homme mit anderen Mitgliedern der Band Ende der 1990er-Jahre die Queens Of The Stone Age und entwickelt den berühmten Kyuss-Sound (heruntergestimmte Gitarren an Bassverstärkern!) weiter. Diese Tradition zieht sich auch noch durch neuere Alben wie Villians und …Like Clockwork. Wir haben (fast) alle bisherigen QOTSA-Platten abgeklopft und unsere Favoriten ausgewählt – manche offensichtlich, manche eher eigenwillig.
1. Regular John
Heavy und heruntergestrippt zugleich: Der Opener des Debütalbums Queens Of The Stone Age (1998) steht exemplarisch für die Evolution von Kyuss zu QOTSA und gab einen guten Vorgeschmack darauf, wo die Reise später noch hingehen sollte. Josh Homme selbst sagte vor einigen Jahren in einem Interview, dass Regular John für ihn einer der besten Songs ist, die er je geschrieben hat. Der wilde Drive der Drums, der roboterhaft treibende Rhythmus und die brummenden Gitarrenriffs wurden unverwechselbare Stilelemente dieser Band.
2. If Only
Unter dem Titel If Only Everything erschien bereits eine Rohfassung dieser Nummer auf dem ersten Release der Queens, einer Split-EP mit Kyuss im Jahr 1997, und zuvor schon auf der Debüt-EP der ersten Inkarnation von QOTSA namens Gamma Ray. If Only kommt mit fetterer, ausgewogener Produktion. Es stellt Hommes geschmeidige Vocals und das herrliche Riff in den Vordergrund, das unüberhörbar eine Hommage an I Wanna Be Your Dog von den Stooges ist. Dass Josh zuletzt ein Album mit Iggy Pop aufgenommen hat, war also alles andere als Zufall. Die verschiedenen Veröffentlichungen von If Only zeigen, wie wichtig dieser Song für den Werdegang der Band war.
3. The Lost Art Of Keeping A Secret
Mit ihrem zweiten Album Rated R (2000) und dem Klassiker The Lost Art Of Keeping A Secret konnten QOTSA ihren ersten nennenswerten Single-Erfolg in Übersee verbuchen – in Großbritannien stieg der Song bis auf Platz 31. Der große Ruhm sollte zwar erst später kommen, aber die Nummer offenbart bereits das Erfolgsrezept der kommenden Jahre: Pop-Songwriting und grobe Kante. Dazu düstere Verführung und einladende Melodien, süß und sauer und perfekter Balance.
4. Quick And To The Pointless
Feel Good Hit Of The Summer, den anderen Klassiker von Rated R, haben wir alle oft genug gehört, oder? Quick And To The Pointless steht dem Hit mit seiner hysterischen Coolness in nichts nach. Die Songidee stammte von Bassist Nick Oliveri, der auch die Vocals übernahm. Laut Josh Homme war die Aufnahme dieser wahnsinnigen 1:48 Minuten eine ganz besondere Erfahrung: Auf der Platte befindet sich tatsächlich der erste Take, man spielte sich wie im Rausch in eine andere Sphäre. „Wegen solcher Momente machen wir den ganzen Scheiß“, so Homme.
5. You Think I Ain’t Worth A Dollar, But I Feel Like A Millionaire
Talking about Nick Oliveri: Auch auf dem apokalyptischen Opener von Songs For The Deaf sang der mittlerweile ausgebootete Bassist, und er machte seine Sache wieder extrem gut. Nach einem Faux-Radio-Intro, in dessen Stil es zahlreiche Interludes auf dem Album gibt und die Platte formal zusammenhält, donnern die Queens los. Und Oliveri schreit sich die Seele aus dem Leib – eine kaltschnäuzige Kampfansage an alle, die QOTSA womöglich den Flirt mit dem Mainstream vorgeworfen haben, und paradoxerweise die geniale Überleitung zu ihrem gleich daran anschließenden großen Hit, der ihnen zum Durchbruch verhalf.
6. No One Knows
Songs For The Deaf (2002) ist, da legen wir uns zu 100 Prozent fest, das große QOTSA-Meisterwerk. Bei allem Respekt vor allen neueren Platten und Josh Hommes ungebrochener kreativer Energie, aber besser wird’s einfach nicht mehr. Das lag nicht nur an der Traumbesetzung mit Nick Oliveri, Dave Grohl und Mark Lanegan, sondern auch an all den großartigen Songs und der Atmosphäre, die sich durch dieses Album zieht. Mark Lanegan – eine Legende für sich und einst Kopf der Grunge-Ikonen Screaming Trees, bei denen auch Homme kurz spielte – schrieb an No One Knows mit, dem Song, der die Band auch beim Casual-MTV-Publikum bekannt machte und immer noch knallt.
7. Do It Again
Songs For The Deaf ist so großartig, dass wir hier natürlich noch eine Zugabe daraus spielen. Nicht Go With The Flow, die andere Single des Albums, die wir natürlich auch inbrünstig lieben. Sondern Do It Again, weil es den Sound dieser Phase so gut auf den Punkt bringt. Das Tempo auch mal langsam und variable, die Produktion gleichwertig fokussiert auf Rhythmussektion, die Gitarrenwand und Gesang. Homme zieht seine traumhaft theatralische und einnehmende Show ab, im Hintergrund rumort es und die Kollegen shouten, als wollten sie ihn anfeuern: Spiels noch mal!
8. Little Sister
Hier hätte auch Burn The Witch stehen können, eines der anderen Highlights von Lullabies To Paralyze (2005). Es ist aber die Single Little Sister geworden, die manche vielleicht für zu gewöhnlich und massenfreundlich halten, aber eine Sache unterstreicht: No One Knows und Go With The Flow waren keine Glücksgriffe. Poppiges Songwriting, das Anklang bei der breiten Masse findet, und gleichzeitig auf den klassischen Wüstenrock aufbaut, ist eine Spezialität von Josh Homme. Der Mann weiß, wie er die Balance halten kann, ohne sich zu verbiegen und zu verkaufen.
9. Make It Wit Chu
Nur zwei Jahre vergingen bis zur Era Vulgaris (2007), und doch fühlte sich die Platte nach dem Erfolg der beiden Vorgänger wie ein Comeback an. Das lag vor allem an einem anderen Sound, der einerseits deutlich auf rockiges Melodrama verzichtete und andere Akzente setzte, andererseits Einflüsse von Hommes anderer Band Eagles Of Death Metal offenbarte. Der unbestrittene Hit der Platte, Make It Wit Chu, ist allerdings ein Griff ins Archiv: Die Nummer wurde ursprünglich mit Backing-Vocals von PJ Harvey auf Desert Sessions Vol. 9 (1998) veröffentlicht und nun neu aufpoliert. Beflügelt von einer neuen Flamme, einer gewissen Brody Dalle, wurde der Song für Homme plötzlich wieder ein Thema.
10. I Sat By The Ocean
2017 erschien das bis dato letzte QOTSA-Album Villains. Eine gute Platte, aber um ehrlich zu sein muss sich noch zeigen, ob einer der Songs darauf würdig für eine ewige Top-Ten ist. Den Vorgänger …Like Clockwork (2013) haben wir schon gut genug verdaut, um sagen zu können: I Sat By The Ocean ist in Sachen Songwriting ein Kandidat, der mit den großen Nummern mithalten kann. Spannend konstruiert, subtil aufgenommen und mit einer prägnanten Melodie im Zentrum – so wollen wir sie in Erinnerung behalten, bis vielleicht irgendwann das große Post-Stoner-Revival und eine Art Songs For The Deaf Vol. 2 ansteht.