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Foto: Universal Music

Review: Gwen Stefani schnuppert auf „Bouquet“ Nashville-Luft

Eigentlich wollte Gwen Stefani ein Pop-Album schreiben. Dann rief Nashville nach ihr – und sie erfand sich neu: Bouquet ist ein großes, warmes Album, das an Großtaten der Siebziger erinnert.

Es war nie klar, ob es dieses Album jemals geben würde. Lange war es ruhig geworden um Gwen Stefani, ihr letztes Album, eine Sammlung mit Weihnachtssongs, ist mittlerweile genau sieben Jahre her, ihr Solo-Debüt sogar 20. Damals gibt es sogar No Doubt noch, diese legendäre Ska-Rock-Legende, die sie zur Ikone macht und mit Don’t Speak eine der größten Trennungsballaden der Rockgeschichte veröffentlicht.

Irgendwann macht sie zwar wieder Musik, eine Single mit dem bezeichnenden Titel Let Me Reintroduce Myself. Wirklich zufrieden ist sie mit dem gefälligen Ska-Pop nicht. Dass sie auf ihrem fünften Soloalbum Bouquet plötzlich eher nach Country duftet, nach dem weiten, organisch summenden Nashville-Bandsound, mag daher auf den ersten Blick überraschen. Wenn man aber weiß, dass sie mittlerweile mit Country-Superstar Blake Shelton verheiratet ist und über sich selbst sagt, dass sie immer dann am besten ist, wenn sie mit jemand anderem kooperiert, dann wird so langsam ein Schuh daraus.

Archetypisch amerikanisch

Nun ist es nicht so, dass Gwen Stefani eine Country-Platte aufgenommen hat. Vielmehr hat sie die Songs, die sie mit einer Reihe anderer Artists geschrieben hat, in einen Koffer gepackt, zu Produzent Scott Hendricks nach Nashville mitgenommen und dort mit einer Bande sagenhaft talentierter Musiker:innen aufgenommen. Ihr Ehemann ist auch darunter, die wunderschöne Ballade Purple Irises schreiben sie sogar zusammen.

Gwen Stefani im Circle Store:

Der Rest ist ein archetypisches amerikanisches Album, das den Pop der Siebziger atmet, mit einem Fuß in einem Saloon steht und Gwen Stefani zwar ganz anders, aber irgendwie eben doch seltsam vertraut zeigt. Sicher, ihre Stimme allein reicht schon, um an Tragic Kingdom zu denken, doch Songs wie der Opener Somebody Else’s könnten mit verändertem Instrumentarium auch von den frühen No Doubt stammen. Es ist ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gegossen in weite, bittersüße Songs.

Getragen von floralen Motiven, arbeitet Gwen Stefani auf ihrem fünften Soloalbum ihre Trennung von Bush-Sänger Gavin Rossdale und ihre neu gefundene Liebe zu Blake Shelton auf. Das mag alles etwas glatt produziert klingen und ohne Ecken und Kanten auskommen, aber das war immerhin auch Stefanis erklärtes Ziel: ein Album wie eine Hommage an die Siebziger, als Fleetwood Mac zauberten und sie auf dem Rücksitz des Kombis Radio hörte, wie sie uns im Interview erzählte.

Gwen Stefani hat ihre Stimme wiedergefunden

Wie auch immer es kam, dass sie sich von ihren Ska-Wurzeln abwandte: Diese Hinwendung zum Heartland Rock, zu Americana und Country Pop wirkt zu keinem Zeitpunkt unehrlich oder aufgesetzt. Auch möchte sie nicht Beyoncé oder all den anderen Superstars nachfolgen, die Country-Platten veröffentlicht haben. Viel eher hat man den Eindruck, dass sie nach Jahren der Unsicherheit endlich wieder ihre Stimme gefunden hat. Diese Stimme ist zwar denkbar weit von Hollaback Girl entfernt. Aber es passt zu ihr, zu ihrem derzeitigen Lebensabschnitt. Und macht einfach Spaß. Umso mehr, weil immer wieder ein wenig No Doubt aufblitzt – in Late To Bloom etwa. Der schönste Song darauf ist vielleicht dennoch Reminders. Weil sie uns und sich daran erinnert, wofür wir dankbar sein können. Und was wir lieber zurücklassen sollten.

Das ist eben das Besondere an Bouquet: Auf dem Cover mag Gwen Stefani einen Cowboyhut tragen. Es ist aber eben immer noch eine Gwen-Stefani-Platte. Sie verstellt sich nicht, das hat sie noch nie getan. Und letztlich ist es genau das, was eine große Künstlerin ausmacht.

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