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Foto: SUZANNE CORDEIRO/Getty Images

Review: Megadeth pflegen auf „The Sick, The Dying… And The Dead!“ alte Tugenden

Knallhart, messerscharf, randvoll mit Hymnen: The Sick, The Dying… And The Dead! wird zum modernen Thrash-Triumphzug. So eine Platte haben Metallica seit den Achtzigern nicht veröffentlicht!

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch The Sick, The Dying… And The Dead! anhören:

Im Grunde ist es vollkommen egal, wie die neue von Megadeth klingt. Wichtig ist zuallererst nur, dass es Dave Mustaine wieder gut geht. Er hat den Kehlkopfkrebs besiegt, er hat die Trennung von seinem langjährigen Mitstreiter David Ellefson weggesteckt, er hat die Band irgendwie durch die Pandemie gebracht. Der Rest ist Bonus. Und was für einer!

Megadeths 16. Studioalbum ist, das kann man kurz machen, ein moderner Thrash-Metal-Referenzpunkt. Wuchtig und druckvoll produziert, klassisch arrangiert, traditionell visuell gestaltet und voller Huld für die eigene Vergangenheit: Nach dem akzeptablen Dystopia von 2016 geht Mustaine mit seiner Crew weiter den Weg in Richtung traditionelle Progression. Soll heißen: The Sick, The Dying… And The Dead! ist ein archetypisches, ein klassisches, ein ikonisches Megadeth-Album, wie es die Band seit Youthanasia nicht mehr vorgelegt hat. Und hat dennoch den Schneid einer modernen Metal-Produktion. Klar, Testament oder Exodus sind vielleicht immer noch härter, schneller, wilder als Megadeth. Aber darauf kommt es Mustaine schon lange nicht mehr an.

Immer noch angepisst

Der eröffnende Titeltrack beginnt sinister und melodisch und kulminiert in einem epischen Finale, Life In Hell ist ein messerscharfer Thrash-Shredder, Night Stalkers mit Ice-T kennt man ja eh schon als furiose Hymne, Dogs Of Chernobyl ist ein monumentaler Song mit unheilvoller Atmosphäre (dessen Text teilweise von Mustaines Radiologen stammt!) und Sacrifice ein typischer Megadeth-Groover. Und das sind erst die ersten fünf Songs!

Vielleicht ist Dave Mustaine in manchen Strophen ein wenig schwach bei Stimme; angesichts seiner Krebserkrankung ist das natürlich absolut verständlich und spielend einfach zu verzeihen. So klingt es bisweilen wie Sprechgesang, was durchaus Gewöhnungssache ist. Aber bei Bob Dylan haben wir das ja auch akzeptiert. Wichtig ist, dass er immer noch angepisst ist. Angepisst vom Zustand der USA, von der Gesellschaft, von all jenen, die es sich mit ihm verscherzt haben. Und das sind eine ganze Menge, wie wir ja wissen.

Härte und Melodie, Pathos und Energie

Megadeth im Jahr 2022, das ist eine gelungene Mischung aus Härte und Melodie, Pathos und Energie, gegossen in deutlich schlüssigere, stärkere Songs als auf den letzten Platten: Ein Stück wie Killing Time könnte in seiner direkten Einfachheit auch auf Countdown To Extinction stehen, Célebutante ist rasiermesserscharf, präzise und galoppiert eindrucksvoll davon, Mission To Mars referenziert in seiner rockigen Art Hangar 18.

Ein wenig merkwürdig mutet hingegen das Ende der Platte in ihrer digitalen Fassung an: Wo The Sick, The Dying… And The Dead! mit dem programmatischen We’ll Be Back angemessen endet, kommen digital noch zwei Cover-Songs zum Vorschein: Police Truck von den Dead Kennedys in einer holprig-stampfenden Fassung und Sammy Hagars This Planet's On Fire (Burn In Hell), der die Nummer auch für Megadeth gleich noch mal einsingt. Das ist allenfalls eine nette Dreingabe; die übrigen zwölf Songs reichen aber eigentlich völlig.

Megadeth schaffen 2022 das, was Metallica seit den Achtzigern nicht vollbracht haben: Ein Album, das große Tugenden der Vergangenheit mit zeitgemäßen Entwicklung verbrüdert und voller griffiger, starker Songs ist.

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