Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 23.7.1965.
von Frank Thießies und Christof Leim
Zylinder, Les Paul und verdammt fähige Finger: Slash ist ein Gott der Gitarre, keine Frage. Am 23. Juli feiert er seinen Geburtstag. Dass er so weit kommt, hätte er selbst wohl nicht gedacht. Blicken wir zurück auf das Leben des gebürtigen Saul Hudson abseits von Guns N’ Roses…
Hier könnt ihr euch Slashs Solosachen live anhören:
Auf die Welt kommt der zukünftige Rockstar in Hampstead, London als Sohn der Kostümdesignerin Ola Hudson und des britischen Covergrafikers Anthony Hudson. Die ersten Lebensjahre verbringt er im britischen Stoke-on-Trent. Seine prägende Jugend erlebt er jedoch etwas später auf den Straßen von Los Angeles, wo seine Mutter inzwischen arbeitet. Ungeachtet der späteren Trennung von Papa Anthony bleibt Slash zumindest dessen vererbtes grafisches Talent erhalten: Für Guns N’ Roses, Snakepit und Velvet Revolver wird der leidenschaftliche Zeichner, der nur ausgewählte wie selbstentworfene Tattoo-Motive auf seiner Haut trägt, später noch diverse Bandlogos und Cover gestalten.
Der Classic-Rocker
An der Fairfax Music School lernt der inzwischen mit dem Spitznamen „Slash“ bedachte junge Mann jedenfalls die Grundlagen des Gitarrenspiels, eine Leidenschaft, die im Alter von 14 Jahren in ihm entflammt und bis heute anhält. Da stört es auch nicht, dass sein erstes Instrument, die Flamenco-Gitarre seiner Oma, nur eine Saite hat. Seine stilistische Prägung erhält er von Aerosmith, Queen, Van Halen, Cheap Trick und AC/DC, gleichzeitig entwickelt er einen seelenvoll bluesigen Stil, der mehr von Hendrix, Jeff Beck und Jimmy Page hat als von den in den Achtzigern angesagten hochtechnischen „Shreddern“.
Ladies & gentlemen… Guns N’ Roses - Foto: UniversalIm Juni 1985 schließlich findet der spätere Les-Paul-Spieler nach diversen erfolglosen Bandprojekten endlich die richtigen Mitstreiter für seine musikalischen Vorstellungen: sein alter Freund und Schlagzuger Steven Adler, der Bassisten Duff McKagan, Sänger Axl Rose sowie Gitarrist Izzy Stradlin. Es ist die Geburt von Guns N’ Roses, deren Aufstieg, Fall und späteres Comeback nahezu beispiellos in der Rockgeschichte ist.
Chapeau
Neben seiner Musik entwickelt Slash schnell auch optische Markenzeichen: Zylinder auf dem Kopf, Lockenmähne und irgendwo ein Zigarette im Mundwinkel. Lange Zeit scheint auch die Flasche Jack Daniel’s unmittelbar mit seiner Hand verwachsen zu sein. Die Drogenkarriere des Gitarristen umfasst sämtliche berauschende Substanzen, und er kultiviert sie bis ins Alter von 35 Jahren. Dann folgt im Zuge einer ernsthaften Herzmuskelerkrankung das böse Erwachen im Krankenhaus. Doch Herzschrittmacher, Alkoholentzug und Reha bringen Slash wieder auf die Beine; fortan lebt er nicht nur komplett clean, sondern seit 2008 auch rauchfrei.
Zurück zur Musik: Schon mit Appetite For Destruction, dem sagenhaften Debüt von Guns N’ Roses von 1987, etabliert sich Slash als Ausnahmegitarrist – und wird gern als Gast für Songs und Platten anderer Leute geladen. So ist er auf dem Iggy-Pop-Comeback-Album Brick By Brick (1990) genauso zu hören wie auf Michael Jacksons Give In To Me (1993). Daneben steuert er Parts zu Hey Stoopid von Alice Cooper (1991) und Mama Said von Lenny Kravitz (1991) bei oder glänzt mit einem grazilen Gastsolo als Teil des Rock’n’Roll-Dreigestirns um Lemmy und Ozzy auf I Ainʼt No Nice Guy (1992) von Motörhead.
Nebenjobs
Nachdem Guns N‘ Roses mit den beiden Use Your Illusion-Alben und dem begleitenden Tourmarathon Anfang der Neunziger in absolute Superstardimensionen vorgedrungen sind, stoßen Slashs Songideen bei Sänger Axl irgendwie nicht mehr auf offene Ohren. Entsprechend sucht sich der Schlangenfreund Mitte der Neunziger mit der Soloband Slash’s Snakepit ein anderes Ventil. Es ist der Anfang vom Ende: Im Oktober 1996 steigt Slash schließlich bei Guns N‘ Roses aus.
Um Arbeitslosigkeit muss er sich dennoch keine Sorgen machen. Neben Soundtracks findet Slash musikalischen Zeitvertreib bei der Blues-Coverband Slash’s Blues Ball und gründet auch eine neue Version von Slash’s Snakepit, die 2000 das Album Ain’t Life Grand einspielt. All diese Unterfangen sind jedoch weniger von Erfolg gekrönt sind als sein weiter oben vorweggenommener Entzug. Nachdem Slash in zweiter Ehe Perla Ferrar, die künftige Mutter seiner beiden Kinder London Emilio (geboren 2002) und Cash Anthony (geboren 2004) vor den Altar geschleppt hat, geht es für ihn auch in musikalischer Hinsicht wieder aufwärts. Ein Wiedersehen mit Duff und Matt Sorum fungiert als Initialzündung für eine neue Band, welche mit Stone-Temple-Pilots-Sänger Scott Weiland letztlich in der Supergroup Velvet Revolver mündet. Ist deren Debüt Contraband (2004) mit über vier Millionen verkaufter Exemplare noch ein veritabler Erfolg, kriselt es kommerziell, künstlerisch und auf menschlicher Ebene bereits beim Nachfolger Libertad (2007), womit auch das baldige Ende von Velvet Revolver vorhersehbar ist.
Slasher-Fan
Für Mr. Hudson kein Grund Trübsal zu blasen: So lädt sich der Gitarrist für jeden Song seines überfälligen Solodebüts Slash (2010) einen Gastsänger plus unterschiedliche Mucker ins Studio. Für die anschließende Tour jedoch rekrutiert er unter anderem mit Sänger Myles Kennedy (Alter Bridge) eine feste Live-Mannschaft, die so gut miteinander harmoniert, dass daraus eine neue Band entsteht. Als Slash Featuring Myles Kennedy & The Conspirators bringt das Team sukzessive die Alben Apocalyptic Love (2012), World On Fire (2014) und Living The Dream (2018) auf den Markt.
Auch seinem zweiten großem Steckenpferd, dem Horrorfilm, kann Slash inzwischen aktiv frönen. Mit der von ihm gegründeten Produktionsfirma Slasher Films entwickelt der Gitarrist und Film-Fan (zu dessen erklärten Lieblingsstreifen Spätsechziger/Siebziger-Schocker wie Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes, Das Omen und Rosemaries Baby zählen) als ausführender Produzent Horrorfilme wie den 2013 erschienen Nothing Left To Fear (deutsch: Das Tor Zur Hölle). Wobei Hölle ein gutes Stichwort ist: Denn in Anlehnung an das berühmte Don Henley-Zitat bezüglich einer Eagles-Reunion („erst wenn die Hölle zufriert“) geschehen 2016 auch im Lager von Guns N‘ Roses Zeichen und Wunder. In der Besetzung mit Rose, McKagan und Slash findet man wieder als Guns N‘ Roses zusammen und begibt sich fortan auf die süffisant Not in This Lifetime betitelte Tour.
Optimistisch
„Kautabak und Sex sind die einzigen Laster, die übrig geblieben sind. Und Gitarre spielen“, hatte der einstige Schwerenöter Slash schon kurz vor seinem Fünfzigsten konstatiert. „Ich mache mir keinen Kopf über das Alter. Je älter ich werde, desto weiser werde ich und desto größer meine Erfahrung. Ich habe immer von sich selber gedacht, dass ich nicht mal die 21 schaffe. Insofern habe ich keine Angst vorm Älterwerden, sondern bin eher überrascht, es überhaupt soweit geschafft zu haben.“ Womit nur noch eins zu sagen wäre: Herzlichen Glückwunsch, Herr Hudson!