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So war’s: Metallica live in Leipzig 2018

"Mit der Worldwired-Tour sind Metallica noch lange nicht fertig: Ein halbes Jahr nach den ersten Deutschlands-Shows zur Platte rollt die Metal-Maschine wieder durch Europa. Mit dabei sind erneut die Norweger Kverlertak. Wir haben uns die Sause am 30. April 2018 in Leipzig angesehen.

von Christof Leim

Die Setlist könnt ihr hier nachhören:

Zur ganzen Playlist klickt auf "Listen".

Länger als zwei Wochen am Stück gehen Metallica nicht mehr auf Tour. Familie, Kinder und das wirkliche Leben sollen nicht wie früher ständig zu kurz kommen, also kehren die vier Herren Mitte 50 immer wieder zwischendurch nach Hause zurück. Lars Ulrich bezeichnet seine Band sogar gerne als die ultimative „man cave“, den besten Hobbykeller überhaupt, weil er sich hier zurückziehen und Spaß haben kann. Das klingt als Beschreibung der erfolgreichsten Metal-Kapelle der Welt zwar befremdlich, aber letztendlich auch logisch.

Das heißt jedoch keinesfalls, dass Metallica nicht fleißig sind: Die Band ist auf der Bühne groß geworden, Konzerte weltweit gehören weiter zum Geschäft. Für Fans bedeutet das, dass Metallica regelmäßig zurückkehren und immer mal wieder irgendwo in Deutschland spielen. Das ist eigentlich recht angenehm, man muss nur manchmal etwas länger warten. So kommt es auch, dass die kalifornischen Thrash-Legenden nach den ersten Deutschland-Konzerten zum aktuellen Album Hardwired…To Self-Destruct in Köln im vergangenen September gefühlt „schon wieder“ durch die Lande rollen. Neben den üblichen größten Hallen in den großen Städten wie München oder Hamburg steht diesmal Leipzig auf dem Tourplan.

Doch vor der Krachmusik gibt kommt zunächst eine gute Tat: Metallica haben es sich zur Angewohnheit gemacht, mit ihrer Stiftung „All Within My Hands“ (www.allwithinmyhands.org) Geld zu sammeln und in jedem Ort der Tour etwas an das örtliche Gemeinwesen zurückzugeben. Heute können sie sage und schreibe 12.000 Euro an die Leipziger Tafel überreichen – Applaus!

Leipzig zeigt sich schön warm an diesem Abend, entspannt wirken die Horden in schwarzen Shirts vor der Tür der Arena. Natürlich wird das heute keine kleine Show, aber Metallifans haben schon mehr Gedrängel erlebt und mussten schon weiter von der Bühne entfernt stehen. Sehr schön. Apropos Bühne: Die befindet sich bei Metallica seit mehr als zwei Dekaden in der Mitte der Halle, was optimale Sicht aus allen Richtung garantiert. Erneut hängen große Quader unter der Decke, auf denen später Videos und Bilder zu sehen sein werden. Das Ganze sieht cool und ungewöhnlich aus, selbst wenn die meisten es mittlerweile kennen dürften.

Gewohnt spektakulär: Die Metallica-Bühne

Zunächst müssen sich Kverlertak auf dem großen Quadrat beweisen. Einfach ist das nicht, eine Band muss umdenken, aber die sechs Norweger hatten als Support für die meisten Europa-Shows der vergangenen Monate Gelegenheit zum Üben. Und tatsächlich schaffen sie es, die gesamte Fläche zu nutzen und das Auditorium in alle Richtungen zu bedienen. Zumindest, was die physische Präsenz angeht, denn musikalisch kann die Truppe den sprichwörtlichen Funken nicht entzünden. Das mag daran liegen, dass viele Besucher die Kapelle nicht kennen, oder daran, dass die rüde, aber eigenständige Mischung aus Rock, Punk und Extrem-Metal besser im Club funktioniert. Für die die große Halle fehlen der Band vor allem aber ein Quäntchen Charisma und bessere Songs. Zudem hatten womöglich Frontmann Erlend Hjelvik oder der Soundtechniker einen schlechten Tag, denn der auf einen Ton beschränkte und selbst für dieses Genre ausdruckslimitierte Röchelgesang hilft bei alledem wenig. Kann passieren, Schwamm drüber.



Metallica starten eine halbe Stunde später mit dem gewohnten Doppel aus Hardwired und Atlas, Rise!, gefolgt vom ebenso unverwüstlichen wie unvermeidlichen Frühwerk Seek & Destroy. Das knallt, das sitzt, das geht ab. Die Musiker legen mit viel Schwung vor, souverän und eingespielt, angeführt von James Hetfield, der ständig ein neues Mirko ansteuert und sich damit einer neuen Ecke der Halle zuwendet. Die Fans kennen das Spielchen: Die Setlist besteht zum einen aus strategisch platzierten Standards, zum anderen aus Schätzchen aus der zweiten Reihe, neuem Material und handfesten Überraschungen. Eine solche folgt erneut auf Platz vier: The Shortest Straw von …And Justice For All, selten gespielt und in seiner Komplexität auch nicht mal eben aus dem Handgelenk zu schütteln. Man merkt der Band an, dass sie sich hier konzentrieren muss, und dem Publikum, dass nicht jeder die Nummer im Kopf hat. Der epische Gassenhauer Fade To Black reißt es wieder raus, bevor mit Now That We’re Dead der „große Rock-Song“ der neuen Platte folgt. Mittendrin fahren vier hüfthohe Blöcke aus dem Bühnenboden, die sich als elektronische Trommeln erweisen, auf denen die Musiker unisono einen knackigen Rhythmus hämmern – coole Einlage.



Die vier Musiker wirken alle gut gelaunt und haben Spaß an der Arbeit. James Hetfield spricht oft von der „Metallica-Familie“ und begrüßt junge Fans in der ersten Reihe: „Wie alt bist du? Zwölf? Ich habe als Zwölfjähriger keine einzige Metallica-Show gesehen!“) Das folgende Confusion widmet er dann „those who serve“, also Militärangehörigen, was sich auch in den Filmsequenzen widerspiegelt, die über die großen Videoquader unter der Decke laufen. Was allerdings gar nicht läuft, ist der Song: Die fast siebenminütige Nummer zieht sich, will nicht grooven und nicht zünden. Das gleiche Schicksal widerfährt dem neuen und ohne Not acht Minuten langen Halo On Fire. Man muss es sagen: Es wird langweilig. Glücklicherweise steht das unkaputtbare Schlachtross For Whom The Bell Tolls dazwischen. Für Abwechslung sorgt ebenfalls die Soloeinlage von Leadgitarrist Kirk Hammett und Bassist Rob Trujillo: In jeder Stadt geben die beiden einen bekannten Song Klassiker zum Besten, gerne mit regionalem Bezug wie etwas Skandal Im Sperrbezirk in München. In Leipzig jedoch greifen sie auf den Accept-Klassiker Balls To The Wall zurück und stimmen auch Anesthesia (Pulling Teeth) an, das legendäre Solo der verstorbenen Metallica-Basslegende Cliff Burton an. Sein Gesicht auf den Quadern erntet eigenen Applaus.



Es folgen mit dem Budgie-Cover Breadfan und dem Mitsingfest The Memory Remains zwei weitere Überraschungen, bevor mit Moth Into Flame einer der Höhepunkte von Hardwired…To Self-Destruct erklingt. Hierbei steigen wie schon im Vorjahr zwei Dutzend leuchtende Drohnen aus dem Bühnenboden und kreisen über den Musikern – beeindruckend. Das in letzter Zeit nicht mehr regelmäßig ausgegrabene Sad But True im Anschluss stampft alles kaputt (herrlich!), bevor Metallica auf die Zielgerade einbiegen – und die Spur verlieren. Natürlich sorgen die Ausschnitte aus dem Film Johnny Got His Gun im Intro von One für Gänsehaut, natürlich singen alle mit, natürlich ist das ein verdammter Hit. Aber vielleicht wird die Band gerade müde, vielleicht haben die Herren den Song zu oft gespielt, vielleicht bleibt das Publikum zu ruhig. Was auch immer es ist, das Ganze schwimmt und eiert plötzlich. Sogar Master Of Puppets, der am häufigsten live gespielte Song der Metallica-Historie, will nicht so majestätisch ins Hirn brettern wie sonst. Glücklicherweise kann man das Ding notfalls auf einem Kamm blasen, und es kommt immer noch einigermaßen cool.



Dem Wunsch nach Zugabe tut das alles keinen Abbruch, den die Band mit dem brutalen Spit Out The Bone gerne bedient. Und plötzlich stimmt wieder alles. Oder kurz gesagt: Was ein Brett! Es fehlen jetzt nur noch Nothing Else Matters und Enter Sandman, die beiden immergrünen Megahits, und fertig ist die Sause.



Es mag nicht der beste Gig der Tour gewesen sein, auch nicht das wildeste Publikum und sowieso nicht für jeden Fan die optimale Setlist. Die fette Produktion mit der mittigen Bühnen, den Drohnen, den Leuchtquadern und den Feuerfontänen dürften zudem viele mittlerweile schon gesehen haben. Aber eines fest steht: Das war eine große, fette, bunte, ehrliche Metal-Show, wie nur wenige Bands sie hinbekommen. Und Lars Ulrich twittert im Anschluss sogar ein Dankeschön an die deutschen Fans:

Die üppige offizielle Fotogalerie der Band findet ihr hier.


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