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Foto: Mark Seliger

Spätform als Bestform: Die Rolling Stones zeigen mit „Hackney Diamonds“ ihre Stärken

Die Rolling Stones waren noch in ihren Dreißigern, vielleicht sogar noch jünger, als sie bereits gefragt wurden, wie lange man denn eigentlich noch Rock’n’Roll spielen könne. Eine Antwort gab es damals noch nicht, die hat die Band erst unterwegs erfunden.

von Markus Brandstetter

Mittlerweile ist diese Antwort klar: Bis entweder Mick Jagger oder Keith Richards zuerst diesen Planeten verlassen. So lange gibt es die Rolling Stones und das ist auch gut so, wir brauchen schließlich Konstanten in dieser unsteten Welt. Dass uns das Kerntrio in den Altersklassen 80 (Jagger), 79 (Richards) und 76 (Wood, der Jungspund im Team) aber nochmal ein dermaßen grandioses Album wie Hackney Diamonds auftischen, ist schon eine Überraschung.

Hier könnt ihr Hackney Diamonds hören:

Mit einem Studioalbum hat man zwar gerechnet, irgendwann mal nach dem letzten Album mit Blues-Covers (Blue And Lonesome), einen solchen Knaller haben dann aber nicht alle erwartet. „Ein spätes Meisterwerk“ sagen die meisten. „Mindestens das beste seit Some Girls“ liest man gerne (andere meinen, man solle endlich aufhören, jedes Stones-Album mit „das beste seit Some Girls“ zu titulieren).

Hackney Diamonds macht alles richtig

Die Stones haben mit Hackney Diamonds alles richtig gemacht. Alles. Sie haben nicht versucht, sich krampfhaft neuzuerfinden oder allen zu zeigen, wie sehr sie ihren Finger am Puls der Zeit haben. Es sind keine Anbiederungen an irgendeinen Zeitgeist auf Hackney Diamonds oder krampfhafte Experimente enthalten. Viel mehr hört man das, was die Rolling Stones am besten können, aber schon lange nicht mehr so gut im Studio festhalten konnten. Rock’n’Roll, Blues, ein wenig Gospel. Viel Midtempo, Open G-Tunings, bei denen die sechste Saite nicht gebraucht wird. Riffs, so simpel wie effektiv. Stoisch-geradlinige Beats, einige davon noch vom 2021 verstorbenen Charlie Watts selbst eingespielt, große Refrains, klanglich natürlich ins Hier und Jetzt gebracht. „Wir wollen nicht, dass es wie vor 40 Jahren klingt, und das tut es natürlich auch nicht. Es klingt wie heute – die Klarheit und die Wiedergabetreue, weißt du. Und wenn man es sich anhört – vergleicht man es mit einer alten Rolling-Stones-Platte – ist es sehr, sehr anders“, meint Jagger. Gut, einigen wir uns darauf: Hackney Diamonds klingt so, wie die Stones im Jahr 2023 klingen sollten. Der Sound ist glasklar und transparent, die Action schön im Klangraum aufgeteilt, von allen Seiten ertönen Riffs, Licks und Verzierungen.


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Die Gitarren sind wie immer verwoben, verschmelzen miteinander. Die erste Single Angry macht den Anfang, dann kommt – ebenfalls im mittleren Tempo – Get Close, das irgendwie auch wunderbar auf Sticky Fingers gepasst hätte und Sway nicht unähnlich ist. Bei Depending On You werden die Akustikgitarren ausgepackt, eine Ballade steht an. „Your fingerprints in the dark / Your past and present tangle up in my arms / Our secrets sealed in our scars / Sharing a smoke on the steps of a bar / I was convinced I had your heart in my hands / I was making love into our different plans“, singt Jagger daran, ehe zum supereingängigen Refrain ansetzt. „Now I’m too young for dying and too old to lose“, heißt es später.

Paul McCartney und Lady Gaga als Gaststars

Bite My Head Off hat dann dieses simple, hocheffektive Fuzz-Lick – eines der schnellsten, rockigsten Stücke der Platte. Den Bass spielt darauf Paul McCartney, nun sind also die Beatles und die Stones auf einem Album vereint. Auch, wenn McCartney seine Kollegen 2021 noch als Blues-Coverband bezeichnet hatte. Schon wholesome, das Ganze.

Mit Lady Gaga ist auf Sweet Sounds Of Heaven ein weiterer Gaststar vertreten, die sich mit Jagger den Gesang bei dieser über siebenminütigen Ballade teilt. Am Ende schließt sich noch einmal ein Kreis: Die Stones veröffentlichen mit Rolling Stone Blues ihre Version von Catfish Blues von Muddy Waters, jenem Song, dem die Rolling Stones ihren Bandnamen verdanken.

Großartiges Album

Hackney Diamonds ist von vorne bis hinten ein tolles Album geworden, auf dem die Stones eindrucksvoll beweisen, was sie als Band stets ausgemacht hat. Und wer weiß, vielleicht haben wir Glück, und Jagger, Richards und Wood legen nochmal mit einem weiteren Longplayer nach? Angedeutet hat es Jagger ja bereits. Spätform als Bestform!

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