Wer um die Jahrtausendwende in der Musikwelt noch etwas gelten möchte, muss mit der Zeit gehen: Der quietschbunte Bubblegum-Pop der späten Neunziger weicht smootheren, erwachseneren Klängen à la Aaliyah, TLC und Destiny’s Child. Zeitgenössischer R&B gibt jetzt den Ton an und überzeugt seine Hörer durch coole Beats und lässige Vibes. Mit ihrem dritten und letzten Album Forever versuchen sich auch die Spice Girls an diesem Sound. Doch was als Neuanfang gedacht war, wird zum Abschied auf Raten …
Sichert euch hier die Jubiläumsedition von Forever:
Frech, laut, selbstbewusst: Wenn man die Spice Girls in nur drei Adjektiven definieren müsste, wäre das vermutlich eine ganz treffende Auswahl. Seit ihrer Gründung 1994 stehen Mel B, Melanie C, Emma Bunton, Geri Halliwell und Victoria Beckham für kompromisslose Girlpower. Mit Erfolg: Über 100 Millionen verkaufte Tonträger machen die Spice Girls zur erfolgreichsten Girlgroup aller Zeiten. Doch während ihr Debüt Spice 1996 mehr als 23 Millionen Einheiten absetzt und auch der Nachfolger Spiceworld 1997 immer noch 14 Millionen Verkäufe vorweisen kann, stehen schon bald dunklere Zeiten für die Girls vor der Tür.
Da waren’s nur noch vier …
1998 sind die Spice Girls auf großer Spiceworld-Tour und bereisen dafür Europa und die USA. Nur eine packt ihre Koffer gar nicht erst aus: Nachdem sie bereits zwei Konzerte in Norwegen verpasst hat, verkündet Geri Halliwell am 31. Mai ihre Trennung von den Spice Girls. Als Gründe gibt „Ginger Spice“ Erschöpfung und kreative Differenzen an, doch internationale Klatschblätter vermuten einen Streit mit Mel B als wahren Auslöser von Halliwells Ausstieg. Die Fans sind schockiert und zutiefst traurig. Grund genug für die Girlband, an neuen Songs zu arbeiten.
Während ihres Aufenthalts in den USA entsteht zunächst der Titel Goodbye, der noch mit Ginger Spice aufgenommen und 1998 als Weihnachtssong veröffentlicht wird. Der Track klettert an die Spitze der UK-Charts und lässt Anhänger der Band hoffnungsvoll auf ein drittes Album blicken. Doch irgendwie will es nicht so richtig klappen. Die einst bewährte Zusammenarbeit mit den Produzenten Richard Stannard und Matt Rowe gerät ins Stocken, weil sich die Band nicht auf eine musikalische Richtung einigen kann. Weitere Aufnahmesessions im Folgejahr verlaufen ebenfalls im Sande. Hochzeiten, Familiengründungen und die Solokarrieren der Bandmitglieder tun ihr Übriges, um das Projekt zu torpedieren.
Neues Jahrtausend, neuer Sound
Erst die Entscheidung, sich stärker am trendigen R&B zu orientieren, bringt neuen Schwung in die Albumplanung. Dafür holt sich die Band niemand Geringeren als Rodney „Darkchild“ Jerkins höchstpersönlich an Bord – den damals unbestrittenen König des Urban Sounds. Erst kurz zuvor hatte er mit Destiny’s Child den Über-Hit Say My Name herausgebracht und Brandy & Monica mit The Boy Is Mine zu weltweitem Erfolg verholfen. Gemeinsam mit Jimmy Jam und Terry Lewis entwickelt Darkchild einen Sound für die Girls, bei dem statt zuckersüßer Pop-Hymnen nun satte Beats und erwachsenere Vocals im Vordergrund stehen.
Songs wie Holler und Let Love Lead The Way zeigen eine erwachsenere, durchgestylte Version der Spice Girls. Statt ihres frechen Pop-Appeals dominiert nun ein eleganteres Erscheinungsbild. Ein Imagewandel, der zwar zum damaligen Zeitgeist passt, dem aber etwas Entscheidendes fehlt: die spielerische Selbstironie, mit der die Spice Girls einst die Herzen ihrer Fans im Sturm eroberten. Vielen ist das neue Auftreten zu glatt, zu erwachsen; zu wenig Spice-Girls-Spirit.
Der Neustart, der keiner war
Als Forever am 6. November 2000 erscheint, sind Kritiker und Fans nur mäßig begeistert. So wird der stilistische Neuanfang der Girls zwar anerkannt, doch die meisten Stimmen wünschen sich die einstige Energie und Unbekümmertheit der Band zurück. Die Leadsingle Holler erreicht in Großbritannien Platz eins der Charts, in Deutschland reicht es nur für Platz 17. Das Album schafft es immerhin auf Platz sechs, während es im Vereinten Königreich auf Platz zwei klettern kann. Am Ende verkauft sich Forever weltweit rund vier Millionen Mal – kein Flop, aber für die bis dato erfolgreichste Girl-Group eben auch keine Glanzleistung.
Girlpower forever!
Obwohl die Trennung der Spice Girls offiziell nie verkündet wird, ist sie spürbar. Nach Veröffentlichung des Albums und einer kurzen Promo-Phase verschwindet die Band langsam aus der Öffentlichkeit. Eine geplante Tour wird abgesagt, Solo-Projekte gepusht. Erst sieben Jahre später kehrt die Band zurück und geht – gemeinsam mit Geri Halliwell – auf eine ausverkaufte Welttournee. Auch in den Folgejahren feiern die Girls immer wieder Reunions; mal für einzelne Auftritte, mal für eine ganze Tour. Ihre Girlpower lebt bis heute – auf Playlists, in Karaoke-Bars und auf den Schulhöfen der nächsten Generation.